Ich (31) betrachte mich als aufgeschlossene, selbständige Frau, der Gleichberechtigung wichtig ist. Entsprechend fällt es mir schwer, zuzugeben, dass ich das Bedürfnis habe, dass sich ein Mann um mich bemüht. Es stört mich beispielsweise, wenn in der Kennenlernphase sofort jede Rechnung 50:50 geteilt werden soll. Es geht mir nicht darum, dass der Mann am Ende mehr zahlt! Ich lade gerne auch ein. Aber es kommt mir vor, als wären die Männer heute irgendwie gleichgültig im Umgang mit Frauen. Einerseits soll man kumpelhaft easy sein, dann aber heissen Sex bieten. Mir löscht das irgendwie total ab. Bettina
Liebe Bettina
Immer, wenn hier in der Beratung jemand «die Männer» oder «die Frauen» anklagt, schrillen bei mir die Warnglocken. Einerseits, weil man nicht ein ganzes Geschlecht in einen Topf werfen soll. Andererseits, weil hinter solchen Botschaften nicht selten ein genereller Frust steckt. Um wirklich etwas zu verbessern, sollte man sich aber um konkrete Dinge kümmern, statt sich in Generalismen zu verlieren.
Das ändert aber nichts daran, dass heute viele Männer und Frauen genau wie du mit den Geschlechterrollen kämpfen. Auf der einen Seite streben sie nach Fairness, auf der anderen Seite spüren sie, dass gerade das, in der Liebe eine absolute Gleichbehandlung, zu Problemen führt.
Leider wird die Genderdiskussion oft derart gehässig geführt, dass sich kaum mehr jemand traut, Piep zu machen. Wenn sich jemand nach eher klassischen Rollenaspekten sehnt, beispielsweise wie du beim Dating, dann wird eine Frau sofort als geldgierig, ein Mann dagegen als machohaft hingestellt.
Manchmal begegnet man einem gesellschaftlichen Durcheinander am besten damit, dass man ganz bei sich selbst bleibt. Offenbar weisst du, was du brauchst, um deine eigene Geschlechterrolle genussvoll zu leben. Also steh zu deinen Bedürfnissen und such dir exakt den Mann, der sie ergänzt, statt dich am Verhalten der Masse aufzureiben.
Entscheidend ist, dass du dich nicht einfach prinzessinnenhaft zurücklehnst und bedienen lässt, ohne im Gegenzug einem Partner auch etwas zu bieten. Wichtig ist, Respekt zu haben statt einer blossen Anspruchshaltung. Denn Gleichwertigkeit und -berechtigung entsteht nicht einfach nur durch Gleichschaltung.