Ich (31) habe, nachdem ich lange Single war, seit kurzem wieder eine Freundin. Unsere Beziehung ist sehr schön, aber meine Freundin möchte leider sehr wenig Sex. Wenn wir Sex haben, dann ist es kurz und immer das Gleiche. Sie würde auch nie meinen Penis in den Mund nehmen. Ich denke deshalb immer mehr an andere Frauen und schreibe ihnen teils auch. Was soll ich machen? Michael
Lieber Michael
Bevor es um Veränderungen geht, ist es wichtig, dir bewusst zu machen, dass das Problem nicht einfach deine Freundin und ihre Herangehensweise an Sex ist, sondern dass ihr verschiedene Dinge wollt. Das ist ein kleiner, aber entscheidender Unterschied.
Trifft eine Person, die Sexualität geniesst, auf eine, die kein grosses Bedürfnis hat, sind die Rollen schnell verteilt: Die weniger sexuelle Person wird zur prüden Verhinderin, die das Beziehungsglück durch ihre Zurückhaltung sabotiert, während die verzichtende Person leidet. Doch auch wenn es gut ist, sich beim Sex auf Neues einzulassen: Mehr ist nicht einfach besser. Und eben schon gar nicht für alle. Deine Freundin könnte ja genau gespiegelt argumentieren und sagen, dass bei euch alles perfekt wäre, wenn du nicht derart auf Sex fokussiert wärst.
Geht es um Veränderungen, braucht es also viel Fingerspitzengefühl bei der Frage, welche Entwicklung wirklich beiden gerecht wird. Nicht selten wäre es nämlich realistischer, sich einzugestehen, dass man in einem wichtigen Lebensbereich schlicht anders tickt, statt zu erwarten, dass sich die Beteiligten verbiegen. Besonders dann, wenn beide eine Veränderung oder eben einen Verzicht als Qual erleben. Aber für die meisten Leute ist es ein immenses Tabu, sexuelle Differenzen als Trennungsgrund in Betracht zu ziehen.
Ob eure unterschiedlichen Vorstellungen von einer gelungenen Sexualität tatsächlich zum Bruch führen, musst du entscheiden. Bitte triff diese Einschätzung sehr sorgfältig. Wovor du dich hüten solltest, ist, eure Sexflaute als Grund zu nehmen, dich auf andere Frauen einzulassen. Denn solange das nicht eurem Beziehungsverständnis entspricht, verrätst du damit einen absoluten Grundsatz des fairen Zusammenlebens.