Klinischer reiner Frühlingsputz
Unnötige Keimkeulen belasten die Umwelt

Zahlreiche Haushaltschemikalien enthalten antibakterielle Zusätze. Doch die sind eigentlich nicht nötig und belasten die Gewässer.
Publiziert: 29.03.2015 um 15:03 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 15:41 Uhr
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Von Pieter Poldervaart

Was haben ein benutztes Katzenklo, eine verdreckte Küche und ein überquellender Abfallkübel gemeinsam? Sie sind eklig. Doch mit Seife und Schwamm oder einem frischen Kehrichtsack lässt sich die Sauberkeit in der Wohnung im Handumdrehen und erst noch günstig wiederherstellen. Dennoch haben die Produzenten von Haushaltschemikalien zünftig aufgerüstet: Sie fügen herkömmlichen Produkten antibakterielle Zusätze bei und werben damit, dass diese Präparate für besondere Hygiene sorgten.

So bietet die Firma Melitta mit Swirl antibac einen Müllbeutel an, der mit Zink-Pyrithion ausgestattet ist. «Beim Sammeln des Abfalls, Verschliessen oder Transport des Beutels zur Tonne kann der Konsument mit Bakterien in Kontakt kommen», sagt Andreas Hellbach, Product Manager von Melitta Schweiz. «Deshalb halten wir es für eine sinnvolle Hygienemassnahme, das Keimwachstum auf dem Beutel zu stoppen.» Er muss aber einräumen, dass keine aktuelle Studie zur Wirksamkeit vorliegt.

Der US-amerikanische Putzmittelmulti Colgate-Palmolive wiederum bietet in der Linie Palmolive ein antibakterielles Abwaschmittel und in der Linie Ajax gleich drei ­antibakterielle Putzmittel an. Und der Tierfutterproduzent Vitakraft hofiert Katzenhalter mit einer antibakteriell ausgerüsteten «Clean Streu». Auf den Trend zur totalen Hygiene setzt auch der britische Reinigungsmittelhersteller Reckitt Benckiser, der unter dem Namen Cillit Bang einen antibakteriellen «Badezimmer-Aktivschaum» vertreibt.

Seife und Reinigungsmittel ohne Zusätze reichen völlig

«Antibakterielle Mittel werden aus Angst vor krankheitserregenden Bakterien viel zu viel eingesetzt», sagt Inge Werner, Leiterin des Ökotoxzentrums, des Zentrums für ­angewandte Ökotoxikologie des ETH-Bereichs. Darunter litten dann auch sehr viele «gute» Bakterien, die der Mensch für seine Gesundheit sogar brauche. Werner: «Seife und Reinigungsmittel ohne Zusatz von antibakteriellen Mitteln reichen unter normalen Umständen völlig aus.»

Neben Haushaltshelfern werden auch Textilien wie Sportkleider antimikrobiell ausgerüstet – damit der Schweiss nicht unangenehm riecht. Neben dem Bakterienkiller Triclosan sind seit ein paar Jahren Zusätze aus Silber in Mode, neuerdings auch Nanopartikel.

Bernd Nowack, Leiter der Gruppe Umweltrisiken bei der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt Empa, hat untersucht, in welcher Form Silber aus Textilien beim Waschen freigesetzt wird: «Alle sogenannten Silbertextilien setzen Nanosilber frei, auch solche mit konventionellem Silber.» Doch ob es sinnvoll sei, ein nicht erneuerbares Edelmetall dafür zu nutzen, damit Schweiss nicht stinkt, müsse jeder selbst entscheiden.

Spitäler setzen auf Händewaschen

Bei Hygieneprofis jedenfalls sind solche Biozide eher verpönt. Dies gilt auch für Spitäler, wo Sauberkeit besonders grossgeschrieben wird. Andreas F. Widmer, Leiter der Abteilung Spitalhygiene am Universitätsspital Basel: «Bei uns werden keine solchen Produkte verwendet, das wäre unsinnig.» Viel wichtiger ist im Gesundheitsbereich – und auch daheim – das korrekte Händewaschen.

Im Spital kommt zusätzlich noch ein Desinfektionspräparat auf Alkoholbasis zur Anwendung, das allfälligen verbliebenen Bakterien auf den Händen den Garaus macht. ­Alkohol sei ein unbedenkliches ­antibakterielles Mittel, räumt Inge Werner vom Ökotoxzentrum ein. «Doch viele der verwendeten Substanzen, etwa gewisse Ammoniumverbindungen und Triclosan, gelangen beim Waschen ins Abwasser. Sie werden von den Kläranlagen nur unvollständig entfernt.» Anschliessend gelangen die Chemikalien in Flüsse und Seen, wo sie auf gewisse Lebewesen toxisch wirken können.

Kein Wunder, heisst es denn auch beim Bundesamt für Gesundheit: «Die regelmässige Anwendung von desinfizierenden Chemikalien im Haushalt birgt Gefahren für Mensch und Umwelt.»

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