Die Fleischesser haben ihr «Nose to Tail». Ein Buch, das propagiert, alle Teile des Tiers zu essen. «Leaf to Root» (Blatt bis Wurzel) widmet sich nun Rüeblikraut, Radiesliblatt und Melonenschale. Foodjournalistin Esther Kern (47) porträtierte und interviewte Spezialisten, Vegi-Spitzenkoch Pascal Haag (32) kreierte 70 Rezepte, Foodfotograf Sylvan Müller (43) steuerte die Fotos bei.
Schmecken Radiesliblätter tatsächlich gut?
Pascal Haag: Unbedingt. Man kann sie zum Beispiel in den Salat geben. Die Blätter schmecken sehr würzig. Uns gehts nicht nur darum, dass man Gemüse restlos verputzt. Die speziellen Teile von Radieschen, Karotte und Co. müssen auch geschmacklich überzeugen.
Aber im Laden gibts die Rüebli nur ohne Kraut, und bei den Radiesli sind die Blätter weggeschnitten. Wie kommt man ans ganze Gemüse?
Esther Kern: Das Buch soll auch zu kleinen Abenteuern inspirieren. Es zeigt: Das Exotische liegt vor der Haustür. Diese Idee muss natürlich Wurzeln schlagen. Unser Buch hat bereits Auswirkungen: Manche Kunden fragen auf dem Markt nach Gemüse mit Stumpf und Stiel, und manche Lieferanten haben schon reagiert. Ist die Nachfrage erst mal da, zieht das weitere Kreise.
Pascal Haag: Und Gartenbesitzer haben erst recht kein Problem. «Urban Gardening» ist ein Riesentrend – wer sich so viel Arbeit mit seinem Gemüse macht, möchte doch nicht die Hälfte davon wegwerfen. Da macht es Spass, zu experimentieren.
Bis jetzt gabs noch kein derartiges Kochbuch. Wie haben Sie recherchiert?
Esther Kern: Das war jahrelange Arbeit. Zum Beispiel habe ich historische Kochbücher durchgeackert und herausgefunden, dass man früher auch die Schalen der Erbsen gegessen hat. Auch im Ausland wurden wir fündig. In Afrika etwa isst man Bohnenblätter als Gemüse, in den USA macht man aus Melonenschalen Pickles.
Gibt es auch Gemüseteile, die nicht schmecken?
Pascal Haag: Natürlich. Wir haben viel experimentiert, und da gab es das eine oder andere, das geschmacklich nicht überzeugte. Kartoffelkeime beispielweise sind im Hals sehr kratzig und ungeniessbar.
Kraut und Rüben
Radiesliblätter werden zu Salat, Erbsenschalen zu Suppe, Blumenkohlblätter zu einem Curry. Das Buch «Leaf to Root» (AT-Verlag, 59 Fr.) zeigt, was man aus Blättern, Stielen, Strünken und Wurzeln kochen kann. Journalistin und Gastrokritikerin Esther Kern ist seit 2002 Betreiberin der Plattform waskochen.ch. Pascal Haag, einer der bekanntesten Exponenten der vegetarischen Küche in der Schweiz, ist freiberuflich als Koch in diversen Projekten engagiert. Sylvan Müller ist ein bekannter Foodfotograf («Das kulinarische Erbe der Alpen»).