Griechischer Krimi-Autor gibt Politik Mitschuld am Inferno
«Eine Freundin von mir starb auf der Flucht»

Die Waldbrände vor den Toren Athens haben Petros Markaris (81) mitgenommen: Der griechische Bestsellerautor bangte um Freunde. Mitschuld dafür, dass die Feuer zur Katastrophe wurden, trägt für ihn der Wildwuchs beim Bau der Sommerhäuser in Attika.
Publiziert: 31.07.2018 um 08:38 Uhr
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Aktualisiert: 14.09.2018 um 18:17 Uhr
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Krimiautor Petros Markaris.
Foto: Ulf Andersen
Interview: Christian Maurer

BLICK: Petros Markaris, wie haben Sie die schrecklichen Waldbrände in Griechenland erlebt?
Petros Markaris:
Ganz schlecht. Tagelang gabs nur schlechte Nachrichten.

In Athen, wo Sie leben, waren Sie da auch gefährdet?
Nein, der Wind blies das Feuer in die andere Richtung, von Athen weg.

Und jetzt, wo das Ärgste vorüber ist?
Ich bin immer noch erschüttert und deprimiert. Eine Freundin von mir ist auf der Flucht vor den Flammen im Meer ertrunken. Ein befreundetes Ehepaar ist noch verschwunden. Und das Sommerhaus von Regisseur Theo Angelopoulos in Mati ist mitsamt seinem Archiv völlig niedergebrannt. Dort habe ich mit ihm das Drehbuch für den Film «Die Ewigkeit und ein Tag» mit Bruno Ganz in der Hauptrolle geschrieben. Angelopoulos' Witwe und die Töchter waren im Haus und konnten sich nur knapp retten – ich hatte riesige Angst um sie, weil ich sie lange nicht erreichen konnte. Jetzt weiss ich: Sie sind wohlauf.

Warum kam es zu dieser Katastrophe?
Die Feuer sind in einer Gegend an der Küste ohne Fluchtweg ausgebrochen. Das Grundproblem sind dort die illegal gebauten Häuser. Ein Riesenskandal! Sie wurden geduldet. Immer nach den Wahlen wurde legalisiert. Das brachte einen enormen Bevölkerungszuwachs: seit den 1960er-Jahren, als ich nach Athen kam, von zwei Millionen auf fünfeinhalb Millionen Menschen. Jetzt hat es natürlich zu wenige Strassen dort. Darum hatten die Leute an der Küste keinen Ausweg und die Feuerwehr konnte nicht zu ihnen vordringen. Und die Löschflugzeuge konnten wegen der Winde oft nicht fliegen.

Welche Konsequenzen werden jetzt gezogen?
Es ist jedesmal das gleiche Lied: Es singt von Verbesserungen und Entschädigungen. Und es wird alles beim Alten bleiben. Ich habe keine Illusionen.

Sie sind sehr pessimistisch.
Ich bin nicht pessimistisch, sondern misstrauisch. Und zwar gegenüber der ganzen politischen Klasse, Regierung und Opposition.

Sie haben soeben einen neuen Roman veröffentlicht, den zwölften Krimi mit Kommissar Charitos. Immer kam seit 2010 die griechische Schuldenkrise vor, jetzt nicht mehr. Weil sie vorüber ist?
Wo denken Sie hin! Die ist überhaupt nicht überwunden. Aber ich hatte einfach genug vom Schreiben über die Krise. Mein vorletzter Roman «Offshore» hatte die Krise zum Thema und nahm so ein bitteres Ende. Diesmal habe ich ein Thema gewählt, das ich flott beschreiben kann und das mich glücklich macht.

Glücklich? Immerhin werden drei Professoren umgebracht, die in die Politik gewechselt haben.
Glücklich macht mich, über die Schwierigkeiten der Universitäten zu schreiben. Das Problem der Professoren in der Politik ist exemplarisch: Wenn ein Hochschullehrer Minister wird, muss ihm die Uni den Platz freihalten, bis er wieder zurückkommt. In dieser Zeit fehlt der Professor, seine Vorlesungen fallen aus, er betreut keine Studenten. Aber die Uni kann keinen Ersatz anstellen, weil die Stelle besetzt ist. Das Thema in meinem Buch ist sehr real: Derzeit sitzen sieben Professoren in der Regierung, auch der Präsident ist einer. Sie alle fehlen ihren Studenten.

Ende August laufen die Hilfsprogramme der EU für Griechenland aus. Und dann?
Wir werden sehen, ob die Finanzmärkte Vertrauen in Griechenland haben. Wie gesagt, die Krise ist noch nicht überwunden. Wenn die Regierung jetzt anderes sagt und Illusionen weckt, ist das einfach gelogen. Es bleibt die Aussicht, dass es weiterhin drastische Sparmassnahmen und auch internationalen Kontrolldruck geben wird.

Wie ist die Stimmung der Griechen gegenüber der EU?
Sie sehen die EU immer noch als Grund für ihre Rentenkürzungen und alle anderen Sparmassnahmen. Sie wollen nicht einsehen, dass ihr Land unfähig war, sich selber zu verwalten.

Ist es jetzt dazu in der Lage?
Wir werden sehen ... 

Ist ein Austritt aus der EU, ein Grexit, noch ein Thema?
Nein, ein Grexit kommt für die Mehrheit sicher nicht mehr in Frage. 

Wie ist das Verhältnis der Griechen zur EU?
Das Problem ist, dass die Griechen schon die damalige EWG und später die EU als Topf mit Geld betrachteten. Solange Geld fliesst, sind alle überzeugte Europäer.

Hat die Krise Griechenland nachhaltig verändert?
Zumindest die Mentalität der Griechen hat sich verändert. Was eigentlich negativ ist. Die Griechen demonstrieren nicht mehr ständig gegen alles, weil die politischen Parteien letztlich alle gleich denken. Ein Regierungswechsel ist damit ebenso sinn- wie aussichtslos geworden.

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Der Vater von Kostas Charitos

Petros Markaris (81) ist der im Ausland bekannteste Autor Griechenlands. In der Schweiz stehen seine Krimis mit dem kauzigen Kommissar Kostas Charitos regelmässig auf der Bestsellerliste. Daneben ist Markaris als studierter Volkswirtschafter ein scharfer Kritiker seiner Landsleute im Umgang mit der Schuldenkrise. Er wurde in ­Istanbul geboren, lebt heute in Athen und schreibt griechisch, türkisch und deutsch. Sein jüngster Charitos-Krimi heisst «Drei Grazien» (Diogenes Verlag).

Petros Markaris (81) ist der im Ausland bekannteste Autor Griechenlands. In der Schweiz stehen seine Krimis mit dem kauzigen Kommissar Kostas Charitos regelmässig auf der Bestsellerliste. Daneben ist Markaris als studierter Volkswirtschafter ein scharfer Kritiker seiner Landsleute im Umgang mit der Schuldenkrise. Er wurde in ­Istanbul geboren, lebt heute in Athen und schreibt griechisch, türkisch und deutsch. Sein jüngster Charitos-Krimi heisst «Drei Grazien» (Diogenes Verlag).

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