Generation Smartphone
Ein Viertel der 6- und 7-Jährigen besitzt schon ein eigenes Handy

Cybermobbing, Stress und Sucht – damit werden wir, die digitalisierte Jugend, abgestempelt. Ich bin Lara (19) und will wissen, was wirklich dahinter steckt. Psychologen und die Schweizerische Kriminalprävention liefern Antworten.
Publiziert: 22.06.2019 um 16:28 Uhr
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Aktualisiert: 27.07.2020 um 09:05 Uhr
Die Bildschirmzeit von BLICK-Redaktorin Lara Zehnder beträgt durchschnittlich 4 Stunden und 6 Minuten pro Tag. Am meisten Zeit verbringt sie in den sozialen Medien.
Foto: Lara Zehnder
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Lara Zehnder

«Smombies» – so wird die Generation Smartphone genannt – können ohne das Internet im Hosensack nicht mehr leben. Wir hätten den Bezug zur Realität verloren, verdummen und hätten überhaupt keine Ahnung von den Gefahren, die mit dem Handy in unsere Leben kommen. Mit solchen Vorurteilen muss sich meine Generationen täglich messen.

Als 19-Jährige stecke ich mittendrin in der Generation Smartphone. Zugegeben, ganz falsch sind die Aussagen nicht, denn tatsächlich ist ein Leben ohne Handy für mich unvorstellbar. Kurz das Gesicht zum Entsperren vor den Bildschirm halten und schon stehen mir Wecker, Musik, weltweite Kontakte sowie Fotos und Videos zur Verfügung. Dank der vielen Möglichkeiten und täglich zwei Stunden Pendeln, verbringe ich etwa vier Stunden pro Tag am Smartphone.

Es handelt sich nicht um eine Handy-, sondern um eine Internetsucht

Durchschnittlich verbringt ein Jugendlicher laut einer Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ( ZHAW ) 2,5 Stunden pro Tag vor dem Handybildschirm. Mit meinen vier Stunden liege ich also sogar über dem Durchschnitt. Ich bezeichne mich aber nicht als süchtig, denn wenn ich einen Online-Suchttest absolviere , verrät mir der Rechner, ich sei nur leicht gefährdet.

Franz Eidenbenz , Psychologe mit dem Spezialgebiet neue Medien , sieht das ähnlic h: «Von Sucht sprechen wir dann, wenn die exzessive Nutzung trotz eindeutigen negativen Auswirkungen nicht eingeschränkt wird .» Generell handle es sich laut Eidenbenz nicht um eine Handy-, sondern um eine Internetsucht. Das Gerät an sich mache nicht süchtig, sondern die Inhalte, die über das Internet konsumiert werden.

Ich verstehe den Drang, ständig den Bildschirm nach Nachrichten zu kontrollieren. Die Angst etwas zu verpassen, ausgeschlossen zu werden oder unfreundlich zu wirken, kann jeder Nutzer der sozialen Medien nachvollziehen – ob er es zugeben will oder nicht. Online wird eben schnell aus einer Mücke einen Elefanten gemacht: Eine Nachricht ohne Smiley könnte angespannt wirken und sorgt dann grundlos für Missverständnisse.

Knapp die Hälfte der Primarschüler hat ein Handy

Vom Gegenüber wird ausserdem eine sofortige Antwort erwartet. Das Witzige daran: Vor allem ältere Generationen wollen eine schnelle Rückmeldung auf ihre Nachricht haben: «Da hängst du stets am Handy, aber wenn ich anrufe, nimmst du nicht ab. Wo warst du?»

Viele Eltern sind froh, dass ihr Kind stets erreichbar und kontrollierbar ist. Studienreihen der ZHAW zeigen, dass in der Schweiz bereits 25 Prozent der 6- und 7-Jährigen ein eigenes Handy besitzen. Insgesamt seien rund 48 Prozent aller Primarschüler Smartphone-Besitzer.

Ab diesen Zahlen staune sogar ich nicht schlecht. Chantal Billaud, Geschäftsleiterin der Schweizerischen Kriminalprävention (SKP), bringt es auf den Punkt: «Ein 7-jähriges Kind muss man durch den Strassenverkehr führen, und so sollte man es auch online an die Hand nehmen.»

Nutzer werden vor dem Bildschirm hemmungslos

Eine erzieherische Begleitung ist bei solch jungen Usern unverzichtbar. Heutzutage gehören zur Aufklärung eben nicht nur Bienchen und Blümchen, sondern auch Cybermobbing und verbotene Internetseiten.

Laut Billaud werden viele Nutzer vor dem Bildschirm hemmungslos und handeln unter vermeintlicher Anonymität, wie sie es Face-to-Face kaum tun würden. Warum Cybermobbing für Betroffene so schwer auszuhalten ist? «Beleidigungen, Beschimpfungen oder Falschaussagen können rund um die Uhr viele Menschen erreichen und das Fertigmachen hört auch nach Schulschluss nicht auf», erklärt die SKP-Geschäftsleiterin.

Dazu kommt, dass Opfer meist nicht wissen, wer den Post bereits gesehen, geliket oder geteilt hat. «Der Grundsatz ‹einmal im Netz, immer im Netz› ist für Cybermobbing-Opfer zusätzlich belastend, da ein versöhnlicher Abschluss erschwert wird.» Ein Vorteil aber sei, dass man in der Regel Text- oder Bildbeweise hat und die Täterschaft bei einer Strafverfolgung ausfindig machen kann. Auch wenn in der Schweiz kein eigenständiger Gesetzesartikel zu Cybermobbing existiert, können Mobbinghandlungen wie Beschimpfung, Drohung oder Erpressung zur Anzeige gebracht werden.

Eine tägliche Handy-Kontrolle der Eltern ist nicht nötig

Damit es gar nicht erst zum Cybermobbing kommt, kontrollieren Eltern die Handys ihrer Kinder. «Man sollte Interesse zeigen und Posts der Kinder ansehen, aber eine tägliche Überprüfung ist nicht nötig», meint Medienpsychologin Lilian Suter. Ihrer Meinung nach müssen Eltern nicht zwingend in den sozialen Netzwerken aktiv sein: «Wenn man eine Vertauensbasis aufbaut und das Kind begleitet, muss man keinen Kontroll-Account haben.»

Ausserdem seien einige Jugendliche schon sehr reflektiert und hinterfragen ihre Anwendungen kritisch. Besonderes das «Phubbing» empfinden viele als unangebracht: «Dabei sitzt man in Anwesenheit anderer am Handy, obwohl man miteinander reden könnte», erklärt Suter. Wieso einige es trotzdem machen? «Die Jugend ist in einem Dilemma, in dem sie auf die negativen Seiten des Smartphones zwingend eingehen muss, um die positiven Aspekte zu nutzen.»

Und genau dort liegt die Krux beim Smartphone: Es ist Fluch und Segen zugleich. Ganz sicher, ob die Chancen die Risiken überwiegen, ist sich aber niemand. Weltweite Kommunikation und Verknüpfung, doch wir bezahlen mit Lebenszeit und Privatsphäre. Ich bin gespannt, wie es mit uns Online-Versuchskaninchen weitergehen wird.

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Keystone

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