Schweizer Brauch mit Weltrekord
Was feiert man eigentlich beim Räbeliechtli-Umzug?

Brenne auf, mein Licht, brenne auf, mein Licht... die Saison der Räbeliechtli-Umzüge steht vor der Tür. Der Schweizer Brauch ist weltweit einzigartig. Seine Bedeutung hat sich während Jahrhunderten stark verändert.
Publiziert: 14:30 Uhr
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Aktualisiert: 16:19 Uhr
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In den ersten beiden Novemberwochen ziehen Kinder in der Dunkelheit mit ihren Räbeliechtli wieder durch die Strassen und singen dabei Lieder. Im Bild: Räbeliechtli-Umzug in Zürich Riesbach im Jahr 2014.
Foto: Keystone
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Valentin RubinRedaktor Service

Bald ziehen sie wieder durch die Strassen und singen Lieder wie «Laterne, Laterne» oder «Räbeliechtli, Räbeliechtli, wo gaahsch hii?»: Kinder am Räbeliechtli-Umzug. In Supermärkten und bei Gemüsehändlern kann man die gelben und violetten Räbenknollen jetzt kaufen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Kitas, Kindergärten und Schulen höhlen sie gemeinsam mit den Kindern zu Laternen aus und schnitzen Muster in ihre Oberfläche.

Eine generationenübergreifende Tätigkeit: Das Grosi schnitzt gemeinsam mit dem Enkelkind eine Räbe.
Foto: Keystone

Der jährliche Brauch bestehe in der Schweiz seit Mitte des 19. Jahrhunderts, sagt Mischa Gallati (55), Kulturwissenschaftler und Brauchtumsforscher an der Universität Zürich. Vermutlich hätten die Räbeliechtli-Umzüge früher eine religiöse Bedeutung gehabt. Wie die in Deutschland verbreiteten Laternenfeste oder Halloween aus den USA finden sie jeweils um den Martinstag am 11. November statt.

Einem Heiligen gewidmet

Der Tag ist dem heiligen Martin von Tours gewidmet und markierte in Europa über Jahrhunderte das Ende der Erntezeit und den Beginn der Fastenzeit. Gallati spricht von einem Moment des Übergangs. Dass man Räben als Laternen verwende, sei kulturell bedingt, sagt Gallati. «Über Jahrhunderte war die Räbe eines der wichtigsten Nahrungsmittel in der Schweiz.» 

Irgendwann wurde die Räbe von der Kartoffel vom Menüplan verdrängt.
Foto: Getty Images

Diese ursprüngliche Bedeutung des Räbeliechtli-Umzugs sei nicht mehr aktuell, sagt der Experte. Die Umzüge seien stattdessen zu einem wichtigen Fest für Kinder geworden. «Ein mystischer Anlass, aufregend und fast unheimlich, da man erst nach der Abenddämmerung loszieht – oft bei Nebel.» 

Geborgenheit in einer dunklen Jahreszeit

«Die Umzüge haben in der Schweiz einen hohen Stellenwert», sagt Maximiliano Wepfer, Sprecher des Verbands Kinderbetreuung Schweiz. «Sie stiften Geborgenheit zu Beginn der dunklen Jahreszeit und bringen Kinder, Eltern und Grosseltern näher zusammen.» 

Traditionell findet der grösste Räbeliechtli-Umzug der Schweiz, die Räbechilbi, jedes Jahr am zweiten Samstag im November in Richterswil (ZH) statt. In diesem Jahr fällt die Räbechilbi auf den 8. November. Rund 20'000 Besucherinnen und Besucher kommen zu der Veranstaltung, über 50'000 Kerzen werden zum Leuchten gebracht, und etwa 28 Tonnen Räben werden zu kunstvollen Laternen geschnitzt. Im Jahr 2000 sicherte sich Richterswil den Guinness-Weltrekord für den weltweit grössten Räbeliechtli-Umzug. Seit 2012 ist die «Räbechilbi» auf der Liste der lebendigen Schweizer Traditionen der UNESCO aufgeführt.

Seit Jahren bietet die Räbechilbi in Richterswil ZH spektakuläre Modelle aus Räbenlichtern. Im Bild eine Nachbildung von Christoph Kolumbus Schiff «Santa Maria».
Foto: Keystone


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