Fix zur Gesellschaft
Schadenfrohe Ostern

Unsere Autorin reiste in den Süden und es regnete. Von ihrem Umfeld erntete sie nichts als Schadenfreude.
Publiziert: 28.04.2019 um 18:30 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:11 Uhr
Alexandra Fitz, stv. Leiterin SonntagsBlick Magazin
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Vor Ostern war das Wetter Thema Nummer 1. Landauf, landab schwärmte man vom Wetterbericht und konnte sich am Sünneli-Symbol und den angezeigten Grad Celsius nicht sattsehen. Die Medien überlegten sich Geschichten à la «So schön wird Ostern zu Hause» und wollten den Daheimbleibenden ein gutes Gefühl vermitteln. Sei nicht traurig, dass du nicht gegen Süden fährst, und sei um Himmels willen nicht traurig, dass du nicht stundenlang im Stau stehen wirst. Dann kam Ostern.

Dann war Ostern vorbei. Und auch die Autos und Koffer kehrten wieder in die Schweiz zurück. Fast wie im Schulaufsatz erzählte man vom Wetter. 
«Es regnete», sagen die Leute, die in Italien waren. «Es pisste durchgehend», erzählen die Urlauber, die in den Süden Frankreichs fuhren. «Bei uns hagelte 
es sogar», rapportieren die Israel-Reisenden. Und die Schweizer? «Do ischs uhhh warm gsi. Mega!» Und sie schenken einem ein Lächeln hinter vorgehaltener Hand. Dreister noch: Der Frager weiss, dass das ­Wetter schlecht war, und fragt extra noch mal nach: «Gell, das Wetter war sehr schlecht?» Um dann ­wieder zu sagen: «Hier war es super!» Derweil denkt man längst: Oh, isch mir doch scheissegal!

Warum sind wir so schadenfroh, wenns ums Wetter geht? Warum will man auch in den Ferien wissen, wie das Wetter zu Hause ist, und freut sich, wenn es seicht, während man selber das Gesicht in die Sonne streckt?
Das Unglück anderer kann uns genauso erfreuen wie ein Geschenk, weiss ein Psychologe aus Münster (D). Schadenfreude stärke uns. Sie wirkt entlastend und wertet unser Selbst auf. Aber geht es jemandem wirklich besser, wenn er weiss, dass ­andere im Regen stehen? Schliesslich ist das Wetter nicht selbstverschuldet, kein Missgeschick, kein ­Unglück, sondern Klimatologie. Gut zu wissen ist auf jeden Fall, dass dieses teuflische Gefühl nicht aus der Hölle kommt, sondern in jeder Kultur verbreitet ist – es ist also nicht typisch schweizerisch. Auf die banale Wetterfrage sag ich das nächste Mal: «Das Wetter war gut.» Schliesslich antworten wir auf die Floskel «Wie geht es dir?» meist auch total banal: «Gut.»

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