Wenn der Partner erklärt, dass er kein Interesse mehr habe. Wenn der Chef sagt, dass er unzufrieden sei mit der Leistung. Und wenn man am Sonntag ständig daran denkt, dass morgen Montag ist. Dann sind das alles nicht so gut auszuhaltende Situationen. Es sind Momente zum Vergessen. Nur bedauerlicherweise dauern gerade sie eine gefühlte Ewigkeit. Das Gefühl von Scham, Trauer oder Wut ist unendlich. Anders ist das bei schönen Momenten.
Die Nacht, in der man endlich mit dem Schwarm zusammenkommt. Der Tag, an dem man mit dem Buch auf dem Liegebett die Ferien geniesst. Das Gefühl in der Brust, wenn man das klitzekleinste Kompliment erhält. Am liebsten will man den Moment einfrieren. Während man daran denkt, dass man das Glück gerne festhalten möchte, ist es eben auch schon wieder weggehuscht. Genau hier machen wir einen Fehler. Während der Moment noch andauert, fangen wir bereits an zu bedauern. Zu bedauern, dass das alles doch bald ein Ende hat. Statt zu geniessen, spüren wir bereits einen kleinen Abschiedsschmerz in der Brust.
Auf dem Liegebett in den Ferien stiess ich bei der Lektüre auf den Begriff «antizipatorische Nostalgie». Siehe da, dieses bittersüsse Gefühl hat bereits einen Namen. Der Forscher Tim Wildschut hat sich mit dieser intensiven Wehmut beschäftigt. Er nennt es «mentalen Jetlag». Wir stecken zwischen zwei Zeitzonen fest. Sind in der Gegenwart, reisen aber mental schon in die Zukunft. Doch Wildschut gewinnt der Zeitreise gar etwas Gutes ab. Wir können uns in unerfreulichen Zeiten immer daran erinnern. Diese Erinnerungen geben uns Halt. Wir halten besser durch bis zum nächsten schönen Moment. So hat jeder sein persönliches Nostalgie-Album im Kopf – und öffnet es nach Belieben.
Ich habe mich immer geärgert, wenn Oma Ilse zu Besuch war und sich stresste, weil sie schon am ersten Tag befürchtet, nach Hause fahren zu müssen. Das nächste Mal werde ich ihr von der «antizipatorischen Nostalgie» erzählen. Meine demente Grossmutter wird sich danach zwar nicht mehr an dieses Phänomen erinnern, aber ich weiss in dem Moment, dass ihr emotionaler Jetlag völlig normal ist.