Fix zur Gesellschaft
Giselle, wo bist du? Ich brauch dich – nicht!

Der Sommer ist da. Und wir freuen uns auf einen kühlen, Feierabenddrink. Warum muss der jedes Jahr wechseln? Unsere Autorin braucht keinen speziellen Sommerdrink.
Publiziert: 08.07.2018 um 15:52 Uhr
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Aktualisiert: 21.10.2022 um 11:02 Uhr
Einfach was man mag, und kein Trend-Getränk
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Alexandra FitzCo-Ressortleiterin Gesellschaft

Kennen Sie Giselle? Ne? Ich auch nicht. Aber ich wäre ihr beinahe begegnet. An einem lauen Sommerabend. Vier Frauen rennen durch die Strassen, versuchen dem Nass, das in grössten Mengen auf sie niederprasselt, zu ­entkommen. Das Sommergewitter ist in vollem Gang und sie mittendrin. Ein Unterschlupf muss her. Am besten mit Getränkeausschank. Da, die In-Bar, die man normalerweise versucht zu meiden. Aber Sie wissen ja, in der Not trinkt der Teufel Weihwasser. Die Freundin sagt: ­«Bestell Giselle!» – «Bestell Giselle?» – «Das ist der Sommerdrink 2018», entgegnet sie. «Habt ihr Giselle?» Die Dame hinter der Bar starrt unwissend. Wir bestellen Her­­kömmliches. Die Gedanken sind aber bei Giselle.


Es ist heiss, wir grillieren, wir baden, wir verreisen, wir sitzen auf dem Balkon, wir bestellen in der Gartenbeiz. ­Jeden Sommer. Warum soll sich unsere Drinkgewohnheit jeden Sommer ändern? Insbesondere weil das, was wir da am Sommerabend in der Hand haben, einiges über uns aussagt. Bestellen wir ein kühles Bier oder ­einen pfirsichfarbenen Rosé, oder greifen wir zum jenseits der 10-Franken-Grenze ­liegenden Trenddrink inklusive kompletten Schrebergartens und mehr Eis als in der Arktis? So ein Sommerdrink funk­tioniert immer gleich: Es braucht etwas Prickelndes zum Aufgiessen. Blubberlizeugs, das reinzischt, aber ja nix Hochprozentiges. Sonst ist der Sommerabend vorbei, bevor er anfängt. Eine hübsche Farbe und ein anmutender Name wie Lillet oder Giselle. Okay, Hugo schert da wahrlich aus. ­Geschmacklich sind sich alle ähnlich: mild, solide und ­austauschbar. Und aufs Portemonnaie schlagen sie auch.


Die Getränkeindustrie will verkaufen und mischt uns ­immer wieder neue Trendgetränke unter. Da missbraucht sie den Sommer. Weil der – so weiss sie – uns ein schönes Gefühl vermittelt. Doch das kann ein ­jähes Ende haben. Dann etwa, wenn man realisiert, dass der Discounter es in Dosen anbietet, man den teuersten ­aller Hugos (17 Franken!) ­bestellt und realisiert: Das ist nur klebriger Saft. Dann, wenn es der Vater bei jeder Gelegenheit ordert – oder es eben von ganz allein Herbst wird.

Giselle hab ich immer noch nicht getroffen. Bis ich ihr begegne, trinke ich ein kühles Bier oder ein Glas pfirsichfarbenen Rosé.

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