Wie Anne-Claude (52) und Isabelle (46) ihre parkinson-kranke Mutter pflegen
Marlyse (86) will nicht ins Heim

Es ist ein Kraftakt! Und doch pflegen die Schwestern Anne-Claude Vonlanthen und Isabelle Pratillo ihre kranke Mutter Marlyse Vonlanthen, 86, daheim. Entlastet werden sie vom Schweizerischen Roten Kreuz.
Publiziert: 29.04.2018 um 23:43 Uhr
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Aktualisiert: 13.09.2018 um 03:00 Uhr
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Rundum-Service: Jeden Mittag bringt Isabelle Pratillo (r.) ihrer Mutter Essen und Medikamente.
Foto: Remo Nägeli

Von Michelle Schwarzenbach

Sie hat es doch nur gut gemeint! Doch als Anne-Claude Vonlanthen, 52, ihrer Mutter an diesem Morgen eine Biskuit-Dose mit dem knalligen Schriftzug «Home Made» in die Hand drückt, packt Marlyse Vonlanthen, 86, die Angst. Ihr Blick klebt am Wort «Home». Englisch für Haus – französisch für Heim! Da erst begreift die Tochter. «Non, non, Mémé», sagt sie, «du bleibst hier, bei uns.»

Innig: Anne-Claude Vonlanthen (rechts) pflegt ihre an Parkinson erkrankte Mutter Marlyse zu Hause. «Sie ist auch immer für uns dagewesen.»
Foto: Remo Nägeli

Drei Jahre ist es her, seit Marlyse Vonlanthen – alle nennen sie «Mémé» – im Spital Freiburg die Diagnose Parkinson bekommen hat. Ihr Gang ist damals schon seit geraumer Zeit wackelig, sie kann sich nicht mehr selbst anziehen, sich nicht mehr die Zähne putzen. «Jetzt muss ich ins Heim», befürchtet sie – und hört auf zu essen. In wenigen Wochen verliert sie 17 Kilo. Da sagen ihre Töchter Anne-Claude und Isabelle: «Wenn du wieder isst nehmen wir dich gerne nach Hause.»

Die beiden Schwestern teilen sich den Tag auf

Ein Leben lang sei Mémé für ihre Kinder da gewesen. Als Anne-Claude mit 16 schwanger wird «kümmerte sich um das Baby als wärs ihr eigenes.» Nun haben sich die Vorzeichen geändert. Sieben Tage die Woche pflegen die beiden Töchter ihre Mutter daheim in ihrer Dreizimmerwohnung am Freiburger Stadtrand.

Morgens und abends kommt Anne-Claude: Waschen, Anziehen, Frühstücken und das Nachtessen servieren. Den Mittag bestreitet ihre jüngere Schwester, Isabelle Pratillo, 47: vorgekochtes Essen bringen, Medikamente geben, Haushalten. «Das zehrt an meinen Kräften», sagt sie. Bleiben die Stunden dazwischen. Dann, wenn die Töchter arbeiten oder sich um ihre eigenen Kinder und Grosskinder kümmern. «Unmöglich, rund um die Uhr für Mémé da zu sein», sagt Anne-Claude Vonlanthen, «aber ins Heim geben wollen wir sie auf keinen Fall.»

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Nun haben die Töchter Hilfe gefunden: beim Schweizerischen Roten Kreuz. Das SRK bietet schweizweit Entlastungsdienste für pflegende Angehörige. Pro Jahr werden gegen 200'000 Stunden von ausgebildete SRK-Pflegehelferinnen geleistet. Eine davon ist Yvette Dousse, 42, mit ultralangen Rastazöpfe.

Zwei Nachmittage die Woche kümmert sie sich um Marlyse Vonlanthen. Wenn der Himmel nicht grau ist wie nasser Beton, dann führt sie die alte Dame aus: Enten füttern am nah gelegenen Teich, Kaffee trinken im Migros-Restaurant. Es braucht nicht viele Worte, damit sich die zwei verstehen.

«Alte Menschen geben mir so viel zurück»

Yvette Dousse arbeitet seit vier Jahren beim SRK und betreut vier Familien die Woche. «Ich gehe jeden Tag gerne arbeiten, die alten Menschen geben mir so viel zurück.» Für die Töchter ist die Pflegehelferin «un coup de chance», ein Glücksfall. Weil sie ihnen Zeit schenkt – und vor allem, weil «Mémé» sie mag.

Teamarbeit: SRK-Pflegerin Yvette Dousse (links) entlastet die Töchter von «Mémé». Sie geht oft mit ihr ins Grüne.
Foto: Remo Nägeli

Marlyse Vonlanthen hat zwar ein wackliges Gleichgewicht. Dafür ist ihr Wille um so standhafter. Als sie vor einiger Zeit hinfiel, wollte sie partout nicht, dass ihr Kopf geröntgt wird – man liess es bleiben. «Typisch Mémé», sagt Anne-Claude Vonlanthen und streicht ihrer Mutter über das weisse Haar. «Sie hat noch immer das Sagen – eine Mutter bleibt eine Mutter.»

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