Siezen Sie noch oder duzt du schon? Die Höflichkeitsform scheint immer mehr an Gewicht zu verlieren. Sollten wir uns in der Schweiz also vielleicht einfach alle Du sagen? Selbst in der Redaktion waren wir uns uneinig, also gaben wir die Frage an die BLICK-Community weiter.
Von den 3769 BLICK-Leserinnen und -Leser, die bei unserer Umfrage teilnahmen, möchten 52 Prozent an der bewährten Höflichkeitsform festhalten. 38 Prozent finden, man könne das Sie ruhig abschaffen. Knapp jeder Zehnte ist sich unsicher. Auch in der Diskussion unter dem Artikel gehen die Meinungen auseinander.
«Den Polizisten duze ich ja auch nicht»
«Nicht jeder Mensch ist mir sympathisch», schreibt BLICK-Leserin Lisa D.T. Moser. «Somit muss ich zuerst rausfinden, ob ich mit jemandem per Du sein möchte.» Der gleichen Meinung ist Kyra Bäumler: Das Du müsse man sich bei ihr zuerst verdienen, findet sie. «Das hat mit Anstand zu tun. Ich duze ja auch nicht den Polizisten bei einer Verkehrskontrolle», so die Leserin.
Für viele Menschen hat die Ansprache mit Respekt zu tun. Martin Zürcher schreibt, er habe mit der Du-Form im Arbeitsalltag negative Erfahrungen gemacht: «Die Vorgesetzten haben die kumpelhafte Beziehung oft ausgenutzt und uns noch mehr abverlangt.» Leoni Zurbuchen stellt das auch im Klassenzimmer fest: «Oftmals vergessen die Schüler beim Duzen, dass sie mit einer Lehrperson sprechen», so die BLICK-Leserin. Beat Stalder findet, unter Gleichgesinnten sei die Höflichkeitsform unnötig. Zu viel Nähe habe aber auch ihre Tücken: «‹Du Arschloch› sagt man viel schneller als ‹Sie Arschloch›», schreibt er.
«Die Leute denken, sie könnten sich damit schützen»
Doch hängt der Anstand wirklich davon ab, ob man sich Du oder Sie sagt? Nein, findet BLICK-Leser Andy Nagel: «In der Realität hat das nichts mit Respekt zu tun – wir besetzen das Konstrukt der Höflichkeitsform einfach damit», schreibt er. Ueli Wittwer findet sogar, es sei ein Zeichen von Unsicherheit, wenn jemand auf dem Sie besteht: «Die Leute denken, sie könnten sich mit diesem Wort schützen.» Die künstliche Distanz wirke wie eine Barriere, findet Martin Albrech: «Es ist mühsam, wenn man jahrelang mit jemandem arbeitet und die Person trotzdem siezen muss.»
Auch diejenigen, die dafür wären, dass wir alle Duzis machen, sehen ein, dass dies nicht von heute auf morgen geschehen kann: «Das Sie steckt vor allem uns Älteren von der Erziehung her in den Knochen», schreibt Dieter Zysset. «Es würde viel Zeit zum Umgewöhnen gebrauchen.» Trotzdem wäre der BLICK-Leser für ein generelles Du, genauso wie Heinz Gras: «Wir prüden Schweizer sollten es ein bisschen gemütlicher nehmen», schreibt er. «Die Sie-Form kommt mir zu steif rüber.»
Das sagen die Jungen
Doch wie stehen eigentlich jüngere Semester zur Höflichkeitsform? Um das herauszufinden, stellten wir die Frage auch den Followern von SODA, unserem Jugendmagazin auf Instagram. Das Ergebnis ist ähnlich: 57 Prozent der Teilnehmer wollen bei der Höflichkeitsform bleiben. 43 Prozent wünschen sich, dass die Schweiz kollektiv Duzis macht.
«Ich mag die Höflichkeitsform nicht», schreibt SODA-Abonnent patrick.s_tt in den Kommentaren. «Kein Mensch ist mehr wert als ein anderer, deshalb sollten wir alle per Du oder per Sie sein.» Für li.nchen ist das jetzige System unnötig kompliziert: «Mich stresst es manchmal, wenn ich nicht weiss, ob ich jetzt Du oder Sie sagen soll», schreibt sie. Andere sind jedoch froh um die Distanz: «Ich möchte das Sie beibehalten und so gegen aussen Grenzen setzen», schreibt keve.jpg.
«Wenn mich jüngere duzen, fühle ich mich geehrt»
Bereits heute gibt es in der Schweiz aber Regionen, in denen man sich im Alltag kaum noch siezt. «Bei uns im Rheintal ist das Du eingebürgert», schreibt Hansruedi Chapatte. Das Gleiche gilt in Schaffhausen: «Hier gab es schon vor 43 Jahren eine Aktion ‹In Schafhuuse sait mer sich Du› – mehrheitlich hat es sich durchgesetzt», erzählt Hansueli Gassmann. Mit seinen 74 Jahren fühle er sich geehrt, wenn ihn jüngere Menschen duzen: «So gehöre ich auch noch dazu.»