Darum gehts
- Superyachten: Luxus auf hoher See für Reiche und Mächtige
- Diskretion und Professionalität sind entscheidend für die Crew
- 69 Prozent der Crewmitglieder leiden unter Stress auf Superyachten
Das Innere einer Superyacht bleibt den meisten verborgen – dieser Luxus ist der Elite der Reichen und Mächtigen vorbehalten. Eine, die weiss, wie es hinter den polierten Türen der schwimmenden Paläste wirklich aussieht, ist Lynne Edwards: ehemalige Chefhostess, Ausbildnerin und Kennerin der exklusiven Welt auf hoher See.
Was kostet eine Woche auf einer Superyacht?
Lynne Edwards: Für eine 50-Meter-Yacht zwischen 350’000 und 700’000 US-Dollar – ohne Crew, Verpflegung, Treibstoff, Hafengebühren und weitere Nebenkosten. Bei Yachten ab 100 Metern bewegt man sich schnell im Bereich von zwei bis vier Millionen pro Woche.
Etwas, das sich nur ein sehr exklusiver Kreis leisten kann. Wie ist es, auf Tuchfühlung mit den Reichen und Mächtigen der Welt zu arbeiten?
Das kann durchaus einschüchternd sein – vor allem anfangs. Man arbeitet für Royals, Politiker, Oligarchen, Scheichs, Film- und Popstars. Da braucht es Bodenhaftung und Integrität. Es geht um Service auf höchstem Niveau. Man kümmert sich um teure Couture-Garderobe, wahrt Etikette, kommuniziert über kulturelle Unterschiede hinweg, ist zuvorkommend, menschlich und dennoch professionell zurückhaltend.
Wie lang muss eine Superyacht sein?
Ab etwa 35 bis 40 Metern. Als ich in den 1980er-Jahren angefangen habe, war das Standard. Heute bewegen wir uns in ganz anderen Grössenordnungen. Meine Trainings halte ich auf Yachten mit 138 Meter Länge ab – das verändert auch die Dynamik in der Crew.
Sie haben zuletzt auf einer 50-Meter-Yacht gearbeitet.
Ja, bis vor vier Jahren. Ein wunderschönes Schiff mit einer elfköpfigen Crew. Auf kleineren Yachten herrscht oft eine familiäre Atmosphäre, die Rollen sind flexibler: Die Deckcrew hilft beim Abwasch, Stewardessen werfen beim Anlegen auch mal die Fender.
Jeff Bezos geniesst seit seiner Hochzeit Ende Juni die Flitterwochen auf seiner 127-Meter-Segelyacht. Wie gross ist da die Crew?
Auf seiner Yacht Koru sind es rund 36 Personen – plus eine Begleityacht. Auf ähnlich grossen Motoryachten arbeiten teils 50 bis 70 Personen, auch mit rotierenden Positionen. Die Abteilungen sind klar getrennt: Wer in der Wäscherei arbeitet, bleibt dort. Es gibt eigene Teams für Housekeeping, Service, Technik, Crew-Messe, Offiziere, alles ist deutlich hierarchischer und strukturierter.
Was wünschen sich Menschen wie Jeff Bezos?
Prominente stehen im Rampenlicht und sind oft unter grossem Druck. Umso wichtiger ist ihnen ihre Privatsphäre – die Yacht ist ein Rückzugsort, ein Zuhause auf hoher See. Sie wollen einfach ihre Ruhe. Sie schätzen es, wenn ihre Wünsche erfüllt oder sogar übertroffen werden. Vor allem zählen Vertrauen und absolute Diskretion.
Gibt es eine Verschwiegenheitserklärung?
Ja, ein solches NDA ist heute Standard. Für die Crew sowie externe Dienstleister wie mich.
War das Leben an Bord in den 1980er-Jahren anders?
Ja, es war lockerer. Es gab weder das obligatorische Sicherheitstraining (STCW) noch die vielen Zertifikate, die mittlerweile Pflicht sind. Wir hatten keine Handys, keine Social Media, und der Austausch war persönlicher – es war eine ganz andere Welt. Heute ist alles reglementierter, und es ist strikt untersagt, Fotos vom Interieur, den Gästen oder dem Besitzer zu machen. Was auf der Yacht passiert, bleibt auf der Yacht.
Was ist mit Übergriffen auf hoher See?
Was in Hollywood geschieht, kommt leider auch auf Superyachten vor: sexuelle Belästigung, Mobbing, Missbrauch. Die Branche ist imageorientiert, die Crew wird oft auch nach Aussehen ausgewählt – meist sind sie jung, zwischen 18 und 35. Übergriffe passieren nicht nur durch Gäste, sondern auch innerhalb der Crew. Seit MeToo gibt es mehr Bewusstsein, Hotlines und Beratungsangebote. Aber es muss noch viel mehr passieren, um Crewmitglieder – Frauen wie Männer – besser zu schützen.
Was sind die Dos and Don'ts an Bord?
Es gibt klare Grenzen zwischen Crew und Passagieren. Wenn Gäste Champagner trinken und eine Stewardess zu einem Glas einladen, lehnt sie das höflich ab. In solchen Situationen tragen auch der Besitzer und der Kapitän Verantwortung für das Wohlbefinden der Crew.
Was braucht es, um auf einer Superyacht zu arbeiten?
Neben Ausbildung und Zertifikaten zählt vor allem die Persönlichkeit. Es braucht Rückgrat, körperliche Fitness, kulturelles Verständnis, Einfühlungsvermögen – und realistische Erwartungen. Das ist nicht «Below Deck»!
Was ist das?
Eine TV-Serie über die Crew auf einer Yacht. Ich habe sie nie gesehen – aber in der Branche ist sie umstritten. Sie vermittelt ein falsches Bild mit viel Party und Gin Tonic. Doch die Realität sieht ganz anders aus. Auf vielen Yachten ist Alkohol für die Crew tabu – ausser bei Landgängen. Dann wird umso härter gefeiert. Trotzdem gilt: Wer betrunken an Bord zurückkommt und Fehler macht, riskiert sehr viel – auch die eigene Karriere.
Aber wenn die Gäste nicht an Bord sind – tanzt die Crew schon auch mal auf den Tischen?
Nein – und schon gar nicht im Gästebereich, der strikt tabu ist. Kapitän und Abteilungsleitungen achten darauf, und die Crew kennt die Regeln. Das Interior ist hochwertig und teuer – man trägt Verantwortung dafür. Ein solcher Job ist eine Vertrauensposition, und Besitzer schätzen Verlässlichkeit. Viele bevorzugen bekannte Gesichter, darum wird loyales Personal oft auch über den Winter hinweg weiterbeschäftigt oder bezahlt. Am Ende ist es die Crew, die das Schiff zu dem macht, was es ist.
Was sind die grössten Herausforderungen?
Lange Tage, Schlafmangel, hoher Druck, Heimweh, kaum Privatsphäre, das Leben auf engem Raum mit Menschen, die man sich nicht ausgesucht hat. Grössere Yachten bieten zwar mehr Platz, aber der Stress bleibt. Eine Umfrage unter 1000 Crewmitgliedern zeigt: 69 Prozent leiden unter Stress, über 60 Prozent unter Erschöpfung, 57 Prozent unter Ängsten. Die Generation Z hat ein stärkeres Bewusstsein für Grenzen, Werte und Selbstfürsorge – das ist gut, aber es braucht trotzdem Führung und klare Strukturen.
Ist das Leben an Bord der Himmel oder die Hölle?
Beides. Für mich war es der schönste Job der Welt. Natürlich gab es Herausforderungen, aber auch viele magische Momente – ich konnte kaum glauben, dass ich dafür auch noch bezahlt wurde. Ich habe Orte gesehen, an die ich sonst nie gekommen wäre: französische, italienische, kroatische Riviera, griechische Inseln, Atlantiküberquerungen, Winter in der Karibik. Entscheidend ist aber nicht der Luxus, sondern das Umfeld: Ein verantwortungsvoller Kapitän, ein integrer Eigner, ein unterstützendes Team – das ist der Jackpot.