BLICK-Kolumnist Giuseppe Gracia über Selbstliebe, Selbstfindung, Selbstverwirklichung
Wege des Unglücks

Selbstliebe, Selbstfindung, Selbstverwirklichung – liegt das Glück tatsächlich in einem selbst? Oder findet man es nicht eher ausserhalb? BLICK-Kolumnist Giuseppe Gracia über kompliziertere und einfachere Wege eines glücklichen Lebens.
Publiziert: 19.02.2018 um 19:54 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 21:03 Uhr
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Giuseppe Gracia

Es gibt heute überaus beliebte und erfolgreiche Wege ins Unglück. Einer davon liesse sich so zusammenfassen: «Das Glück liegt in dir selbst, du musst nur lange genug suchen.» Wer diesem Motto folgt, glaubt in der Regel auch, dass er zuerst sich selber lieben muss, um einen anderen Menschen lieben zu können. Als liesse sich aus der Selbstliebe eine Schule machen, in der man lernt, sich dem anderen zu schenken. Beliebt ist auch der Glaube, dass man bei wichtigen Entscheidungen seinem inneren Kompass folgen muss. Als würde sich die Welt dem inneren Kompass des Menschen anpassen und nicht umgekehrt.

Um sich selbst zu finden, reisen die Leute heute auch gern nach Asien und in andere ferne Welten. Wenn sie nicht reisen, suchen sie eine heimische Stufe der Selbstverwirklichung, etwa auf einer Karriereleiter. Dabei achten sie auf eine gesunde sogenannte Work-Life-Balance. Yoga, Tantra, Sauna und Disco. Bio-Gemüse, Snapchat und Amphetamine. Die Wege der Neuzeit sind bunt und widersprüchlich, doch schreiten viele Lebenshoffnungen auf ihnen dahin.

Und sonst ein warmes Bad

Was würde wohl einer der grössten Denker der Menschheitsgeschichte zu diesem Phänomen sagen, der heilige Thomas von Aquin (1225–1274)? «Alles, was die Seele glücklich macht, liegt ausserhalb ihrer selbst.» Was meint der Denker damit? Die Bäume, das Meer, die Sonne, die Tiere. Die Frauen, die Männer, die Kinder. Die Blumen, die Sterne, die Familie. Das alles liegt ausserhalb unserer Seele und kann uns erfüllen, kann uns zu einem glücklichen Leben führen. Thomas von Aquin lenkt seinen Blick nicht auf das eigene Innere. Sondern er richtet den Blick nach aussen, auf die Welt und ihre täglichen Wunder. Und an schlechten Tagen, wenn das Leben schwerfällt? Dann empfiehlt er ein warmes Bad und gute Freundschaften.

Nach Lourdes mit Woody Allen

Das sind einfache, klassische Wege zum Glück. Und sie sind auch noch viel günstiger als ein professionelles Coaching oder eine Psychotherapie. Oder wie es der Filmemacher Woody Allen einmal gesagt hat: «Ich gebe meinem Psychiater noch ein Jahr, dann fahre ich nach Lourdes.»

Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.

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