«Die Burka symbolisiert, dass eine Frau bescheiden ist und ihrer Familie verbunden; aber auch, dass sie nicht von der Massenkultur ausgebeutet wird und stolz auf ihre Familie und Gemeinschaft ist.» Dieser Satz stammt nicht aus der Scharia oder aus dem Mund eines Islamisten, sondern aus dem Aufsatz «Krieg und Affekt» der US-amerikanischen Feministin Judith Butler. Sie ist die Chefdenkerin der Gender-Bewegung, die den aktuellen westlichen Feminismus dominiert.
Freude an diesem Zitat hätte wohl auch Scheich Taj El-Din Hilaly, Australiens höchster Imam. Als vor Jahren eine Gruppe muslimischer Männer wegen Gruppenvergewaltigung verurteilt wurde, meinte er: «Nimmt man unverpacktes Fleisch und legt es draussen auf die Strasse, und die Katzen kommen und fressen es: Wer trägt dann die Schuld, die Katzen? Das unverpackte Fleisch ist das Problem.»
Böser weisser Hetero
Wenn jemand wie Judith Butler die Burka verteidigt, zeigt das die Schwierigkeit des aktuellen Feminismus mit dem Islam: Er erschöpft sich darin, an Universitäten die böse Kultur des weissen heterosexuellen Mannes zu predigen und von Hollywood bis Europa Kampagnen gegen Sexismus in Szene zu setzen. Aber sobald es um den Islam geht, wird es seltsam still.
Ein solcher Feminismus ist keine Hilfe für Muslime, die es wagen, öffentlich vor den Gefahren ihrer Religion zu warnen und theologische Reformen zu fordern für die Freiheit von Millionen Frauen in muslimischen Ländern. Für Leute wie Hamed Abdel-Samad oder Seyran Ates in Berlin, die ihre Kritik mit Todesgefahr bezahlen. In der Schweiz sind es Frauen wie Saïda Keller-Messahli, Präsidentin vom Forum für einen fortschrittlichen Islam. Sie wird von SP-Politikern seit Jahren gemieden und sogar als «radikalisiert» bezeichnet, weil sie den abgehobenen Gutmenschen-Diskurs nicht mitmacht. Ich bewundere den Mut von Keller-Messahli. Im Gegensatz zu ihr bin ich zwar gegen neue Verbote, dennoch ist für mich klar: Wir brauchen mehr islamkritische Frauenpower!
Unheilige ideologische Hochzeit
Der Mut der Muslimas ist eine grosse Hoffnung und sollte von uns unterstützt und gestärkt werden. Doch leider erleben wir stattdessen eine unheilige ideologische Hochzeit zwischen Gender-Feminismus und Islamismus. Und es handelt sich noch nicht einmal um eine Zwangsheirat.
Giuseppe Gracia (50) ist Schriftsteller und Medienbeauftragter des Bistums Chur. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern. In seiner BLICK-Kolumne, die jeden zweiten Montag erscheint, äussert er persönliche Ansichten.