Es sieht aus, als wäre Alberto Giacometti (†64) nur schnell raus, im Café de Flore ein Glas Wein trinken. Auf dem Bett liegt sein Mantel, im Aschenbecher noch der Rest einer Zigarette. Auf dem Tisch ausgetrocknete Farbtuben, unzählige Pinsel, Werkfragmente und Gipsfiguren, darunter ein «Schreitender Mann», den er sein Leben lang behalten hat. Alles ist so wie zu Lebzeiten des grossen Bündner Künstlers, sogar die Wände, auf denen der Bildhauer und Maler seine Skizzen verewigt hat.
Es ist das Atelier, in dem Alberto Giacometti rund 40 Jahre lang gearbeitet und zeitweise auch gewohnt hat. Hier entstanden auch seine typischen spindeldürren und überlangen Menschenfiguren, die heute für dreistellige Millionenbeträge an Kunstauktionen gehandelt werden und die teuersten Skulpturen der Welt sind.
Finanziert mit dem Verkauf eines Miró-Gemäldes
Das legendäre Atelier war bisher nur auf Fotos und als Videoinstallation zu sehen. Es lag ursprünglich in der Rue Hippolyte-Maindron, mitten im Pariser Künstlerviertel Montparnasse, wo Giacometti nicht nur gearbeitet, sondern auch wilde Nächte lang durchgefeiert hat. Nur 23 Quadratmeter gross bezog er es 1926 und behielt es bis zu seinem Tod 1966. Seine Witwe Annette (1923–1993) liess es abbauen und einlagern – kaufen, wie es ihr Wunsch war, konnte sie es nicht. Der Eigentümer wollte nicht verkaufen.
Nun hat die Fondation Giacometti das Atelier originalgetreu im neu eröffneten Giacometti-Institut wiederaufgebaut. Es befindet sich jetzt nur wenige Strassenzüge weiter in einer herrlichen denkmalgeschützten Jugendstil-Villa an der Rue Victor Schoelcher. Finanziert wurde das Institut durch den Verkauf eines Bilds von Joan Miró (1893–1983); ein Geschenk des spanischen Malers an seinen Schweizer Künstlerfreund, das fast zehn Millionen Franken einbrachte.
Nie mehr als 40 Besucher aufs Mal
Hier lagert auch die grösste Giacometti-Sammlung mit mehr als 300 Skulpturen, 90 Gemälden und rund 5000 Papierarbeiten. Gezeigt wird immer nur ein kleiner Teil davon. «Das Giacometti-Institut will kein Museum im klassischen Sinn sein, sondern ein Ort der Emotion und der Recherche», erklärt Direktorin Catherine Grenier (58). Mehr als 40 Besucher aufs Mal werden nicht eingelassen, und die auch nur auf Voranmeldung über die Webseite des Instituts.