Michael Ringier über das Flaggschiff seines Verlags
«Der BLICK ist die wichtigste Zeitung der Schweiz»

Wann nervt der BLICK, was macht er richtig gut und wo stösst er an seine Grenzen? Verleger Michael Ringier über seine Liebe zum Zentralorgan des Unternehmens, seine Lieblingsstory «Bagger-Küde» und seinen Wunsch, fröhlich zu frühstücken.
Publiziert: 04.10.2019 um 14:41 Uhr
Michael Ringier ist Präsident des Ringier Verwaltungsrates.
Foto: Keystone
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Adrian Meyer und Fabian Zürcher

BLICK: Herr Ringier, warum braucht es den BLICK?
Michael Ringier: Braucht es ihn wirklich? Keine Ahnung. Wichtig ist, dass die Leute ihn wollen, dass sie ihm vertrauen.

Was macht den BLICK einzigartig?
Jede Boulevardzeitung ist ein Ausdruck eines gesellschaftlichen Systems, einer Werteordnung. Eine englische Boulevardzeitung könnte bei uns nicht überleben, so geht man nicht miteinander um in diesem Land. Auch die «Bild-Zeitung» hätte ihre liebe Mühe, denn  Deutschland funktioniert ebenfalls anders. Das ist kein journalistisches Qualitätsurteil, es geht schlicht um eine Art gesellschaftliche Emotion, die so eine Zeitung zum Ausdruck bringt. Der BLICK ist Schweiz pur.

Beschreiben Sie bitte den BLICK in drei Worten.
BLICK ist dabei.

Wie und wann lesen Sie den BLICK? Print, Online, von vorne nach hinten, nur die Schlagzeilen, den Sport zuerst?
Online noch vor dem Zähneputzen. Zudem im E-Paper oder eher selten auf Papier zum Frühstück. Ich bin ein eher traditioneller Leser, also von vorne nach hinten.

Können Sie sich noch erinnern, wann Sie den BLICK zum ersten Mal gelesen haben?
Leider! Da war ich bereits zehn Jahre alt. Bei uns gabs sonst das «Zofinger Tagblatt» und die «NZZ». Die kam drei Mal am Tag. Kaum war meine Mutter vom Sofa runter, weil sie die «NZZ» fertiggelesen hatte, klingelte schon der Pöstler und lieferte die Mittagsausgabe und nach dem Zvieri die Abendausgabe ins Haus. Den BLICK brachte mein Vater immer zum Mittagessen mit. Und als Jüngster kriegte ich ihn meistens erst, wenn ich nachmittags von der Schule zurückkam.

Wie haben Sie ihn dabei empfunden?
Herrlich, ich liebte die Räubergeschichten und den Sport.

Gibt es eine BLICK-Ausgabe, die Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Eher die peinlichste. Da wurde der Papst Anfang der Sechzigerjahre zu früh als tot erklärt. Die Schulwoche war zum Vergessen.

Sind Sie pro oder contra Käfer?
Ein Käfer aus Ton des Künstlerduos Fischli/Weiss steht bei mir im Büro. Das beantwortet wohl Ihre Frage.

Vermissen Sie das BLICK-Girl?
Es gab mal eine Zeit – möglicherweise in den 90er-Jahren –, da stand jedes Mal ein witziger Spruch beim BLICK-Girl. Als das aufhörte, war das Girl als solches plötzlich wie aus der Zeit gefallen. Vieles kommt ja wieder, aber das BLICK-Girl dürfte keine Auferstehung feiern.

Blut, Busen oder Büsi?
Lieber Begeisterung, Besessenheit und Brillanz.

Ihre Lieblings-Schlagzeile?
Die bestand nur aus Konsonanten, nachdem Muhammad Ali einen Gegner im Boxring so verprügelt hatte, dass der kaum mehr sprechen konnte.

Ihre Lieblingsstory?
Bagger-Küde, der vor über 20 Jahren ein Restaurant sowie mehrere Autos in Olten demoliert hatte.

Ihr Lieblings-Promi?
Rudolf Sprüngli. Als ihn die BLICK-Leute vor bald 30 Jahren zu Hause belagerten, weil er damals mit einer jungen Frau mit Sektenhintergrund zusammenlebte, und er den Reportern vor seinem Haus Kaffee servieren liess.

Und über welchen Promi möchten Sie nichts mehr lesen?
Beat Breu, weil er mir mit seinem Fettnäpfchentalent einfach leid tut.

Was nervt Sie am BLICK am meisten?
Wenn er meinen journalistischen Ansprüchen nicht gerecht wird.

Was macht der BLICK richtig gut?
Er kann Geschichten über Tage interessant und spannend am Leben erhalten.

Was nicht?
Im Promibereich fehlt es manchmal etwas an Inspiration.

Ist der BLICK zu brav?
Nein, denn wir sind keine Haudrauf-Gesellschaft.

Was muss der BLICK?
Sich jeden Tag beweisen.

Was darf der BLICK nicht?
Schludrig sein.

Wann war der BLICK Ihnen peinlich?
Peinlich? Eigentlich nie. Der Grat zwischen richtig und falsch ist im Boulevardjournalismus extrem schmal. Da geht halt auch mal was daneben.

Wann war der BLICK am besten?
Heute – in einem extrem schwierigen Umfeld ist die Konstanz der Leistung so gut wie noch nie.

Es heisst, Sie hätten nur einmal in der Redaktion interveniert. Als Peter Uebersax eine Kampagne gegen den weinenden Otto Stich fuhr. Würden Sie das wieder machen?
Interveniert? Ich habe bloss gesagt, dass ich diese Geschichte nicht weiterziehen würde, weil sie sich irgendwann gegen den BLICK wenden werde. Schweizer reagieren allergisch auf übertriebene Häme und endloses Draufhauen. Ich habe noch nie eine Geschichte untersagt und werde das auch nie machen. Aber meine Meinung dazu darf ich ja noch äussern.

Gab es noch andere Interventionen?
Ich kann mich an keine erinnern, an Diskussionen schon.

Warum nicht?
Weil die Chefredaktion entscheiden muss. Wenn ich als Verleger immer wieder ein-greife und die Chefredaktion desavouiere, arbeitet doch irgendwann kein Journalist mit Format mehr für mich. Diskussionen allerdings muss es geben, der Verleger trägt ja schlussendlich die Verantwortung für alles, was publiziert wird.

Wann mussten Sie sich zusammenreissen, um nicht einzugreifen?
Ich kann mich an keinen Fall erinnern.

Ist der BLICK Schund?
Dann wären Millionen von Schweizern Idioten. Das ist eine absurde Behauptung.

Wenn der BLICK ein Kunstwerk wäre: Von welchem Künstler wäre er?
Fischli/Weiss eignen sich gut. Kluge Analyse und humorvolle Umsetzung mit einer Sprache, die alle verstehen.

Warum sind Sie stolz, BLICK-Verleger zu sein?
Das Wort Stolz kommt in meiner Befindlichkeit nicht vor. Aber ich kenne keine Zeitung, bei der ich diesen Job lieber machen würde. BLICK und ich sind jetzt seit 60 Jahren zusammen – das verbindet extrem. Finanziell wird die Aufgabe allerdings immer anspruchsvoller.

Reden Sie zu Hause über den BLICK?
Wer meine Frau kennt, kennt auch die Antwort.

Wie viele wütende Briefe kriegen Sie pro Woche?
Ganz wenige. Das hat vor allem damit zu tun, dass ich weder auf Twitter noch auf Facebook aktiv bin ...

Wie fühlt es sich an, wenn man einen Titel – zuletzt Blick am Abend – aufgeben muss?
Das ist immer sehr schmerzhaft – und es fehlt einem noch lange etwas.

Unter all Ihren Titeln: Welche Stellung hat der BLICK?
Er ist das Zentralorgan der Firma und Familie. Ohne Scherz, es ist die wichtigste Zeitung der Schweiz, und so behandeln wir sie auch.

Warum ist es so schwierig,  BLICK-Chef­redaktor zu sein?
Weil es eine hochkomplexe Aufgabe ist und sie deshalb über ganz viele Qualitäten verfügen müssen. Der anspruchsvollste Job als Chefredaktor in diesem Land.

Wann wären Sie gerne wieder Journalist?
Jeden Tag. Mir fällt ständig etwas ein, was ich twittern könnte. Es gibt so viel zu kommentieren und zu ironisieren in diesem Land. Aber ich habe einen zu schönen Job, um mir das auch noch aufzuhalsen.

Lohnt sich Journalismus noch?
Damit die Antwort hoffentlich noch lange mit Ja ausfällt, denken wir ununterbrochen darüber nach. Und riskieren etwas. Blick TV ist eine mögliche Antwort.

Was wünschen Sie sich von Blick TV?
Siehe oben: Begeisterung, Besessenheit, Brillanz.

Warum besitzen Sie den BLICK noch?
Weil er zu uns gehört, weil wir ihn lieben und weil wir ihn nicht missbrauchen. Das ist für dieses Land wichtig.

Wie lange gibt es den gedruckten BLICK noch?
Nächste Frage.

Was wünschen Sie dem BLICK für die Zukunft?
Geschichten, die das Land bewegen – und mich fröhlich frühstücken lassen.

Und wie sieht eigentlich der Alltag eines Verlegers aus?
Sehr viel lesen, nachdenken und mit intelligenten Leuten diskutieren.

Michael Ringier – Verleger, Kunstsammler und Miteigentümer der Ringier AG

Michael Ringier (70) wuchs in Zofingen auf, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Gemeinsam mit seinen Schwestern Annette Ringier und Evelyn Lingg-Ringier sowie Marc Walder ist er Inhaber der Ringier AG. Michael Ringier ist leidenschaftlicher und renommierter Sammler und Förderer zeitgenössischer Kunst.

Verleger Michael Ringier.
Ringier AG

Michael Ringier (70) wuchs in Zofingen auf, ist verheiratet und hat zwei Töchter. Gemeinsam mit seinen Schwestern Annette Ringier und Evelyn Lingg-Ringier sowie Marc Walder ist er Inhaber der Ringier AG. Michael Ringier ist leidenschaftlicher und renommierter Sammler und Förderer zeitgenössischer Kunst.

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