Schätze des 20. Jahrhunderts
Diese Klassiker der Modefotografie sind in Berlin zu sehen

Eine Ausstellung in einem Berliner Fotomuseum zeigt aufsehenerregende Modebilder aus dem 20. Jahrhundert, die zeigen, wie die Eleganz langsam von Erotik abgelöst wird.
Publiziert: 03.03.2024 um 10:34 Uhr
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Marlene Dietrich mit einer Amaryllis im Vordergrund, aufgenommen von Cecil Beaton 1932.
Foto: Cecil Beaton
Lilith Frey

Die Eleganz ist eine scheue Dame. Auf den roten Teppichen internationaler Filmfestivals und Fashionshows verschwindet sie im Scheinwerferlicht der Überbietung von Busen, Beinen, Po. Eleganz ist nicht mehr Mode, aber schön ist sie – und wenn sie nicht gestorben ist, dann lebt sie noch heute. 

Zeitzeuginnen dieser Überlebenskünstlerin sind die «Vogue» und die «Vanity Fair» aus dem US-amerikanischen Verlag Condé Nast. Condé Montrose Nast (1873–1942) kaufte die Zeitschriften Anfang des 19. Jahrhunderts und entwickelte sie zu den bis heute tonangebenden Mode- und Gesellschaftsmagazinen. 

Die erste französische Ausgabe der «Vogue» erschien 1920 in Paris. Damit beginnt im Berliner Fotomuseum der Helmut Newton Stiftung die Tour d'Horizon der Eleganz, sie endet in den 70er-Jahren. Präsentiert werden rund 300 Fotos aus der Sammlung des französischen Multimillionärs und Kunstsammlers François Pinault.

Es sind Vintage Prints – Originalabzüge – in Schwarz-Weiss, damals genutzt als Druckvorlage. Der Titel der Ausstellung «Chronorama. Photographic Treasures of the 20th Century» deutet schon an, dass sich Eleganz nicht nur auf Mode, sondern auch auf den Stil des Fotografen bezieht.

Für die «Vogue» arbeiteten damals nur die Besten, darunter Cecil Beaton, David Bailly, Horst P. Horst und Irving Penn. Die ersten Modebilder in den 20er-Jahren waren farbige Zeichnungen, die Fotos noch schwarz-weiss. Die Fotografen, allesamt Männer, betrachteten sich als Künstler, und ihre Fotos dienten nicht der Berichterstattung, sondern der Inszenierung der Mode sowie der dazugehörenden Prominenz aus Kultur, Gesellschaft, Politik.

Frau und Blume war ein Thema bei Cecil Beaton. Er porträtierte die junge Marlene Dietrich so frisch und schön wie eine Amaryllis – mit einer Amaryllis. Edward Streicher bettete den Kopf der US-amerikanischen Schauspielerin Anna May Wong neben eine Chrysantheme – die beiden sehen aus wie zwei Kugeln, die sich auf einer glatten Fläche spiegeln. 

Zu den elegant abgelichteten Herren gehörten Charlie Chaplin, Winston Churchill, Igor Strawinsky – sogar Stalin. Als Schock erweisen sich die Bilder von Lee Miller. Die «Vogue» engagierte die Fotografin, vormalig ein Modell der Zeitschrift, 1944 als Kriegsberichterstatterin. Ihre Fotos der Konzentrationslager Dachau und Buchenwald nach der Befreiung durch die Alliierten wurden im mondänen Modemagazin publiziert – trotz der aufschreckenden Kluft zwischen Realität und Glamour – oder gerade deswegen, wer weiss. 

Mit Helmut Newton kam in den 70er-Jahren die Wende: weg vom diskreten Charme der Eleganz, hin zur provokativen Erotik. In dieser Dekade endet auch die Fotosammlung von François Pinault – und die Ausstellung. Insgesamt lässt in ihr die Eleganz dann doch Newtons Erotik den Vortritt. Wobei das eine ja nicht zwangsläufig das andere ausschliesst.

«Chronorama. Photographic Treasures of the 20th Century», Helmut Newton Stiftung/Stiftung Museum Berlin, bis 20. Mai 2024. 

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