Die Sonne glitzert über dem Vierwaldstättersee, alle Gartenstühle der Vitznauer Beiz sind besetzt. Thomas Waldis (35) und Urs Steiner (59) verbringen ihren Nachmittag lieber unter der kühlen Erde. Einmal die Treppe runter in der Luftschutzanlage der Gemeinde winden sich 300 Meter Gleis durch ihren Clubraum. Acht Stöcke, insgesamt fast dreissig Züge.
«Kannst du dem Churchill-Pfeil einen Schubs geben?», ruft Steiner vom Stellpult. «Der alte Chlapf bockt mal wieder.» Waldis stupst einen roten Zug mit markanter Nase an. «Den nennt man so, weil Winston Churchill 1946 damit durch die Schweiz gefahren ist.» Eigentlich heisst er etwas umständlicher: RAe 4/8 1021.
Den Eisenbahnclub Vitznau gibt es seit 1994. Jede Woche treffen sich die zwölf Mitglieder, um an der gemeinsamen Anlage zu bauen. Sie alle wohnten einmal in der Region, sind unterdessen in alle Himmelsrichtungen verstreut. Doch die Leidenschaft für die Bahn bringt sie jeden Donnerstag wieder zusammen.
Dann verlegen sie Gleise und Schotterböden, installieren Ampeln, bauen Bahnhöfe und Güterbahnhöfe. Feiern die Gemeinschaft alle paar Jahre bei einem Clubfest oder einem Tag der offenen Tür. Grundgedanke des Clubs: «Wir sind alles Hobbyeisenbähnler, die zu Hause aber nicht genügend Platz für eine Anlage haben», so Steiner. Waldis ergänzt: «Es ist das perfekte Gemeinschaftshobby.»
Urs Steiner (59), Aktuar vom Eisenbahnclub Vitznau
«Ich reise am liebsten mit der Bahn, bin damit schon bis nach Hongkong und quer durch Amerika gefahren. Klar, mit dem Flugzeug ginge das viel günstiger und schneller. Doch verpasst man dabei das unvergleichbare Gefühl, wenn sich die Landschaft vor dem Fenster ganz langsam verändert. Bei der Modelleisenbahn will ich die Landschaft möglichst realitätsgetreu nachbilden. Wir haben noch viel Arbeit vor uns. Doch das Schlimmste, was uns passieren könnte, ist, dass wir eines Tages fertig werden.»
Thomas Waldis (35), Präsident vom Eisenbahnclub Vitznau
«Mein Vater hat im Estrich eine grosse Modellanlage gebaut, er hat mich schon früh mit der Leidenschaft angesteckt. Ich bin im Verein, seit ich zwölf bin. Hier können wir uns selbst verwirklichen, unsere eigenen Ideen umsetzen. Und davon haben wir mehr als genug: Ich fahre jeden Tag an einer Bahnbaustelle vorbei, es reizt mich, sie auf unserer Anlage nachzustellen. Auch einen Tiefbahnhof fände ich toll. Für mich geht es bei der Modelleisenbahn um Kameradschaft. Darum, Probleme gemeinsam lösen zu können, um das Zusammensein. Das macht Freude.»