Verbrennt man beim Küssen Kalorien?
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Wahr oder falsch:Verbrennt man beim Küssen Kalorien?

Küsst euch!
Darum tut Küssen so gut – nicht nur zu Silvester

Der Kuss um Mitternacht hat an Silvester Tradition. Seit MeToo und Corona sind wir mit körperlicher Nähe vorsichtiger geworden. Schade eigentlich: Küssen ist älter als die Menschheit, gesund und macht glücklich – natürlich nur im gegenseitigen Einvernehmen.
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Er küsst nur noch seine Frau Amal: Filmstar George Clooney dreht keine Liebesszenen mehr.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • Uraltes Ritual: Küssen gibt es seit Millionen Jahren – von Affen bis Silvesterkuss
  • Biologisch sinnvoll: Küssen stärkt Bindung, Psyche und Immunsystem
  • Kulturelle Sprengkraft: Vom Neandertaler bis Madonna 2003 – der Kuss provoziert
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft
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Der Kuss für den Neubeginn

Silvesterkuss in New York: Paar im Rainbow Room, einem berühmten Tanzlokal über den Dächern der Stadt.
Foto: Bettmann Archive

Der Kuss um Mitternacht ist mehr als ein Partybrauch, sondern ein uraltes Übergangsritual. Schon in der Antike herrschte an den Tagen um die Wintersonnenwende Ausnahmezustand: Gesellschaftliche Grenzen zwischen Arm und Reich wurden aufgehoben, Herren bedienten ihre Sklaven, Nähe war erlaubt – ja erwünscht. Bei den römischen Saturnalien wurde hemmungslos getrunken, gefeiert und sehr viel geküsst. Mit dem Aufkommen des Christentums wurden die Saturnalien ins Weihnachtsfest integriert, das ekstatische Feiern mit Regelbrüchen verlagerte sich in den Karneval. Geblieben aber ist der innige Kuss zum Jahreswechsel. In die USA brachten deutsche Einwanderer den Neujahrskuss im 19. Jahrhundert mit. Hollywood griff den Brauch auf und machte den Mitternachtskuss zum privaten «Feuerwerk». Bis heute steht er für Neubeginn, Verbundenheit – und das Versprechen, nicht allein ins neue Jahr zu gehen.

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Küssen ist älter als die Menschheit

Altes Liebesspiel: Ein babylonisches Tonmodell von 1800 v. Chr. zeigt ein Paar beim Küssen.
Foto: The Trustees of the British Museum

Antike Texte belegen, dass im alten Mesopotamien und in Ägypten bereits vor 4500 Jahren geküsst wurde. Evolutionsbiologisch ist Küssen jedoch deutlich älter: rund 21 Millionen Jahre. Zu diesem Schluss kommt eine Studie der Universität Oxford um die Biologin Matilda Brindle. Das Forschungsteam definierte den Kuss nüchtern als nicht-aggressiven Mund-zu-Mund-Kontakt ohne Nahrungsübergabe – unabhängig von romantischer oder sozialer Bedeutung. Auf dieser Basis untersuchten die Forschenden das Verhalten heutiger Menschenaffen wie Schimpansen, Bonobos und Orang-Utans. Computermodelle mit Millionen möglicher Entwicklungsszenarien zeigen, dass bereits gemeinsame Vorfahren der Menschenaffen küssten – lange bevor der moderne Mensch vor rund 300'000 Jahren entstand.

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Auch Neandertaler küssten

Schon die Neandertaler küssten sich, sie zeugten auch Nachkommen mit dem modernen Menschen.
Foto: Keystone

Bereits frühere Studien zeigen, dass Homo sapiens und Neandertaler engen körperlichen Kontakt hatten: Sie tauschten Speichel aus, teilten orale Mikroben und zeugten miteinander Nachkommen. Das spricht dafür, dass auch Neandertaler küssten – lange nachdem sich die Linien der beiden Spezies vor über 450'000 Jahren getrennt hatten. Der Kuss war offenbar schon früh Teil enger sozialer und sexueller Beziehungen. Gleichzeitig ist Küssen nicht universell: Eine Studie von 2015 zeigt, dass romantische Küsse nur in 46 Prozent der weltweit untersuchten Kulturen eine Rolle spielen. Biologisch jedoch ist der Kuss tief verankert.

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Von der Fellpflege zur Erotik

Von der Fellpflege zum Kuss: Auch im Tierreich berühren sich die Lippen.
Foto: Getty Images/500px Prime

Nicht nur Menschen küssen. Auch bei Affen, Vögeln oder sogar Ameisen wurden mundnahe Berührungen beobachtet. Doch das Küssen mit geschürzten Lippen gilt als typisch menschlich. Lange galt die Theorie, der Kuss habe sich aus dem Füttern entwickelt – etwa aus der Weitergabe vorgekauter Nahrung an Kinder. Der Evolutionspsychologe Adriano Lameira vermutet den Ursprung jedoch in der Fellpflege unserer Vorfahren. Beim Lausen saugen Affen mit geschürzten Lippen Parasiten aus dem Fell – ein Ritual, das Nähe schafft. Als der Mensch im Lauf der Evolution sein Fell verlor, verschwand die hygienische Funktion der Pflege. Übrig blieb die Geste: der Kuss – nicht mehr als Reinigung, sondern als Zeichen von Bindung, Lust und Intimität.

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Die schönste Impfung der Welt

Beim Küssen werden 80 Millionen Bakterien ausgetauscht – das ist gesund!
Foto: Getty Images

Zehn Sekunden Küssen – mit Zunge! – und schon werden 80 Millionen Bakterien ausgetauscht. Die sind meist harmlos. Und obwohl beim Küssen auch Erreger von Infektionskrankheiten übertragen werden können, gilt Küssen als gesund und ist biologisch sinnvoll: Der Keimtausch trainiert das Immunsystem, ähnlich wie körperliche Nähe insgesamt. Häufig küssende Paare gleichen ihre Mundflora an, Mediziner sprechen deshalb vom Kuss als «schönster Impfung der Welt». Denn Küssen stärkt nicht nur die Abwehrkräfte, sondern wirkt auch auf die Psyche – Nähe, Berührung und Intimität fördern nachweislich das Wohlbefinden bis ins hohe Alter.

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Das passiert im Körper

Beim Küssen läuft eine regelrechte chemische Party in unserm Innern ab: Dopamin sorgt für Lust und Antrieb, Endorphine für Glücksgefühle, Oxytocin für Vertrauen und Bindung. Gleichzeitig sinkt der Cortisolspiegel, der Herzschlag beschleunigt sich, der Kreislauf wird angeregt – ein positiver Stress, der das Wohlbefinden steigert und sogar depressive Symptome abmildern kann. Jeder Kuss ist also ein kleines Fitness- und Wellnessprogramm für Körper und Gehirn.

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Die Seele auf den Lippen

Beim Küssen öffnet sich die Seele: «Der Kuss» von Gustav Klimt.
Foto: Getty Images

«Mit dem Kuss verlagert sich die Seele auf die Lippen, um aus dem Körper zu gelangen.» So poetisch beschrieb bereits Platon die Intensität des Küssens – als würde ein Teil des Selbst entweichen und sich mit dem Partner verbinden. Für viele ist Küssen sehr intim, manchmal sogar intimer als Sex. Frauen nutzen den Kuss, um zu prüfen, ob ein Mann als Partner taugt. Laut der US-Anthropologin Helen Fisher erfahren sie dabei nicht nur, ob er sympathisch ist, sondern auch, ob er ein guter Vater sein könnte. Männer sehen den Kuss oft zielgerichtet auf körperliche Erregung – sie bevorzugen feuchtere Küsse, weil Testosteron im Speichel Lustgefühle verstärken kann. Lippen, Zunge, Geruch und Geschmack liefern unbewusst Informationen über genetische Passung, Immunstärke und emotionale Verfügbarkeit. Küssen synchronisiert Partner, stärkt Vertrauen und Bindung – ein evolutionärer Bindungstest.

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Der French Kiss

Der «French Kiss»: So nannten Amerikaner nach dem Zweiten Weltkrieg den Zungenkuss.
Foto: Getty Images

Nach dem Zweiten Weltkrieg nannten die amerikanischen Soldaten den Zungenkuss «French Kiss» – und ein kultureller Unterschied offenbarte sich. Sie gingen davon aus, er führe direkt zum Sex. Französische Frauen sahen das anders: Für sie war der Kuss vor allem Ausdruck von Leidenschaft und Nähe, nicht automatisch der Start ins Bett. Ein Missverständnis, das bis heute den französischen Kuss besonders aufregend macht. Für viele ist er vor allem der Kuss mit der Zunge.

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Der Filmkuss

Skandal auf der Leinwand: Der erste Filmkuss in «The Kiss» (1896) sorgte bei Publikum und Kritik für Aufruhr.
Foto: imago images/Everett Collection

George Clooney (64) küsst in Filmen keine Frauen mehr – aus Liebe zu seiner Frau Amal (47) und wegen seines Alters. Fans müssen sich wohl verabschieden von den Clooney-Kuss-Szenen auf der Leinwand! Hollywood selbst war lange prüde: Der erste Leinwandkuss («The Kiss», 1896) dauerte 18 Sekunden und sorgte für Aufruhr. Jahrzehntelang blieben Zungenküsse tabu, Lippenküsse vorsichtig inszeniert. Erst später wurden Küsse zu emotionalen Höhepunkten, mal zart, mal dramatisch, mal richtig feurig. Heute überwachen Intimcoaches die Sets, damit alles perfekt wirkt – und jeder Kuss Nähe, Leidenschaft und Drama transportiert.

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Vom Symbol zum Skandal

Provokation in der Popkultur: Madonna und Britney Spears küssen sich 2003 vor laufender Kamera.
Foto: FilmMagic

Der Kuss ist eine der stärksten Gesten unserer Kultur. Er besiegelt Ehen, markiert Macht wie beim sozialistischen Bruderkuss oder zeigt Demut, wenn Papst Franziskus (1936–2025) am Gründonnerstag Gläubigen die Füsse küsste. Auch in der Kunst war der Kuss nie harmlos. Klimts «Der Kuss» oder Rodins Skulptur galten einst als Skandal, weil sie Intimität offen zeigten. In der Popkultur setzte der MTV-Kuss von Madonna und Britney Spears im Jahr 2003 einen Wendepunkt. Danach häuften sich provokative Kuss-Szenen auf Bühnen und Bildschirmen. Der Kuss bleibt, was er immer war – eine einfache Geste mit maximaler Bedeutung.


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