Darum gehts
- App bietet schnelle Eheschliessungen für Muslime an
- Islamischer Zentralrat wirbt für App als Alternative zur standesamtlichen Trauung
- Onlinezeremonie kostet rund 100 Franken, Paare aus über 50 Ländern nutzten Dienstleistung schon
Auf der Website des Islamischen Zentralrats (IZR) mit Sitz in Bern wirbt die Betreiberin der App MyNikahNow für unbürokratische religiöse Eheschliessungen. Die Zeremonie kann online in weniger als 48 Stunden stattfinden. Die App ermögliche es Muslimen weltweit, ihre Nikah – die Heirat nach islamischem Recht – mit professionellem Imam abzuhalten. Angepriesen wird das Angebot als «Alternative zur standesamtlichen Trauung».
Dabei gilt in der Schweiz das Primat der Ziviltrauung, eine religiöse Vermählung ist ohne standesamtliche Heirat nicht zulässig. Maimouna Ahmed (31), die Betreiberin der App, betont denn auch, die Firma dahinter sei in Grossbritannien ansässig und dort seien religiöse Zeremonien nicht staatlich reguliert. Ahmed, die in Bern angemeldet ist, wurde in der Schweiz als Kandidatin an einem Modelwettbewerb bekannt. 2023 sorgte sie für Aufsehen, weil sie in sozialen Medien mit Werbefilmen für den ultrakonservativen IZR mit den Leitfiguren Nicolas Blancho (42) und Qaasim Illi (43) auftrat. Die beiden einst zum Islam konvertierten Schweizer waren wegen ihrer Verbindungen zum politischen Islam und Propaganda für die Terrororganisation Al Kaida in Verruf geraten und auch rechtskräftig verurteilt worden.
Betonte Distanz
Zum Umstand, dass die App Heiratswillige aus der Schweiz animiert, online Ehen zu schliessen ohne vorherige standesamtliche Trauung, sagt IZR-Sprecher Illi, der Zentralrat biete kommerziellen Dienstleistern bezahlte Werbeplätze: «Das ist eine unserer Einnahmequellen.» Der Inhalt stamme von MyNikahNow und werde auch von der Firma verantwortet. Die Betreiberin Maimouna Ahmed sei kein Mitglied des IZR.
Was Illi nicht sagt: Blick weiss von Heiratswilligen, dass der IZR ihnen die App für eine Eheschliessung empfohlen hat. Als vertrauenswürdige Möglichkeit für eine Vermählung.
Laut Quellen zelebrierte der IZR in einer Bieler Moschee auch selbst Vermählungszeremonien mit nicht standesamtlich verheirateten Paaren. Dazu sagt Zentralratssprecher Illi: «Auch der IZR führt religiöse Nikah-Zeremonien durch. Dabei ist vorgesehen, dass die Paare per Unterschrift bestätigen, bereits standesamtlich verheiratet zu sein.» Selbstverständlich halte sich der IZR an alle geltenden Gesetze.
Kundschaft in 50 Ländern
Für umgerechnet rund 100 Franken ist die Onlinezeremonie über die App buchbar. Wenn es innert 48 Stunden express organisiert werden soll, kostet die Eheschliessung etwa 20 Franken zusätzlich. Optional können für einen Aufpreis Zeugen hinzugebucht werden, «was besonders für Diskretionsliebende elegant ist», wie es in der Werbung für die App heisst. Deren Website hat eine deutsche Domain.
Betreiberin Ahmed sagt, Paare aus über 50 Ländern hätten die Dienstleistung seit Ende 2023 beansprucht. «Wir beobachten weltweit ein rückläufiges Interesse an staatlichen Eheschliessungen», sagt die Bernerin. Viele Muslime wünschten sich die Möglichkeit, eine religiöse Heirat ohne eine zivilrechtliche Vermählung einzugehen. In Grossbritannien sei das Geschäftsmodell vollständig legal. Was ihre Verbindung zum IZR betrifft, gibt Ahmed an: «Ich bin seit längerem aus dem Islamischen Zentralrat ausgetreten und nehme dort keine Funktion mehr wahr.»
«Rechtsfreier Raum»
Elham Manea (59), Professorin für Politikwissenschaft an der Universität Zürich, beurteilt die Dienstleistung als «höchst problematisch». Die Islam-Expertin hält fest, die App lasse Eheschliessungen zu einem Lifestyle-Produkt verkommen. «Der eigentliche Zweck besteht darin, das Primat der Ziviltrauung gezielt zu umgehen.» Solche rein religiösen Heiraten schafften «rechtsfreie Räume». Die Folge sei, dass ausschliesslich religiös vermählte Frauen keinerlei rechtliche Absicherung hätten. Etwa in Grossbritannien habe sich gezeigt, wie die Praxis den Weg für Zwangs- und Minderjährigenehen ebne, weil es keine zivilrechtliche Kontrolle gebe.
Auch das Bundesamt für Justiz als Aufsichtsbehörde beobachtet das Angebot von Schnellheiraten skeptisch. Sprecherin Ingrid Ryser sagt, Paare, die in den Auslandsferien, in einer Schweizer Moschee oder per Telefon getraut würden, seien schon länger ein Thema. Um das Primat der Ziviltrauung durchzusetzen, stünden aber «nur sehr beschränkte Durchsetzungsmechanismen zur Verfügung». Ausserdem kämen solche Ehen kaum ans Tageslicht.