Isabelle Huppert über Geister, Liebesszenen und High Heels
«Ich zeige alles und nichts, das ist sehr intim»

Die Grande Dame des französischen Kinos ist auch mit 71 Jahren agil und spielfreudig. Mit über 150 TV- und Kinorollen gehört Isabelle Huppert zu den Produktivsten ihres Fachs. Vor dem Kinostart ihres Films «Sidonie in Japan» hat der Star uns in Genf empfangen.
Publiziert: 04.06.2024 um 15:31 Uhr
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Film- und Stilikone: Isabelle Huppert am Filmfestival Cannes.
Foto: Corbis via Getty Images
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Katja RichardRedaktorin Gesellschaft

Als sich die Tür zum Hotelzimmer öffnet, blendet die Sonne durchs Fenster und zeichnet eine Art Heiligenschein um ihre zierliche Kontur. Ein leises «Bonjour» und dann sitze ich mit Isabelle Huppert am Tisch. Sie trägt eine lockere Bluse, bis oben zugeknöpft, wenig Make-up, Fotos sind nicht erwünscht. Da ist es also, dieses berühmte Gesicht aus so zahlreichen Filmen mit so vielen Facetten. Keine andere gilt als so wandelbar wie Huppert. In diesem Moment bleibt ihr Gesicht regungslos, die Augen blicken kühl zum Fenster hinaus – ein Pokerface. 

Frau Huppert, haben Sie schon mal einen Geist gesehen?
Isabelle Huppert:
Nein. 

In Ihrem neuen Film begegnet Ihre Figur aber einem Geist.
Es geht um eine Autorin, die noch nicht über den Tod ihres Mannes hinweggekommen ist. Sie hat aufgehört zu schreiben und ihre Lebensfreude verloren. Der Geist zeigt, wie stark ihr Mann noch in ihren Gedanken, in ihrem Leben und ihrem Körper ist. Sie kann ihn nicht loslassen.

Geister sieht man sonst eher in Horrorfilmen.
Dieser Geist ist nicht gruslig wie in einem Vampirfilm, sondern er ist ein Mensch und völlig lebendig. Es ist ein dramaturgischer Griff, der eine spannende Entwicklung zeigt. Diese Begegnung mit ihrem Mann macht Sidonie sehr glücklich. In diesem Glück ist aber auch etwas Totes. Und je mehr er verschwindet, desto mehr findet Sidonie ins Leben zurück. 

Es geht ums Loslassen und Sterben, hat Sie das zum Nachdenken gebracht?
Es geht mir so wie uns allen, niemand weiss, was danach kommt. Vielmehr geht es um die Frage, was der Abschied von einem geliebten Menschen mit uns macht und wie wir mit dieser Trauer umgehen. Da müssen wir alle mal durch. 

Mit Persönlichem gilt Isabelle Huppert als zurückhaltend, ihr Blick bleibt kühl und unverbindlich. Erst als das Gespräch auf Japan kommt, tauen ihre Augen etwas auf.  

Frankreichs Filmkönigin

Isabelle Huppert kommt am 16. März 1953 in Paris zur Welt und beginnt ihre Schauspielkarriere in den frühen 1970er-Jahren. Huppert arbeitete mit renommierten Regisseuren wie Claude Chabrol und Michael Haneke und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter zwei César Awards und einen Golden Globe. Huppert ist bis heute eine prägende Kraft im Film, ihr Einfluss und Erfolg reichen weit über Frankreich hinaus. Sie ist seit 1982 mit dem Regisseur Ronald Chammah verheiratet, das Paar hat drei Kinder.

Frankreichs Filmkönigin
Corbis via Getty Images

Isabelle Huppert kommt am 16. März 1953 in Paris zur Welt und beginnt ihre Schauspielkarriere in den frühen 1970er-Jahren. Huppert arbeitete mit renommierten Regisseuren wie Claude Chabrol und Michael Haneke und erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter zwei César Awards und einen Golden Globe. Huppert ist bis heute eine prägende Kraft im Film, ihr Einfluss und Erfolg reichen weit über Frankreich hinaus. Sie ist seit 1982 mit dem Regisseur Ronald Chammah verheiratet, das Paar hat drei Kinder.

Wie war es für Sie, in Japan zu drehen?
Wunderbar, ich war schon oft dort. Dank dem Dreh bin ich an Orte gekommen, die ich bisher nicht gekannt habe. Also in Nara mit den Hirschen, in Kobe oder auf der Insel Naoshima, eine Insel voller zeitgenössischer Kunst. Was mir gefällt, ist die Sanftheit, die mit dieser japanischen Landschaft erlebt wird. Es gibt keine Menschenmengen oder Hektik. In dieser stillen Szenerie spiegelt sich das Innenleben meiner Figur und wie sie sich wieder der Liebe öffnet. Sie verliebt sich in ihren japanischen Verleger. 

Eine neue Liebe in der zweiten Lebenshälfte. Sollte man das öfter auf der Leinwand sehen?
Das ist ja nichts Neues. 

Aber wird im grossen Kino nicht viel zu oft bloss die Jugend abgefeiert?
Das ist nicht meine Wahrnehmung. Ich habe Liebesgeschichten mit Menschen jeden Alters auf der Leinwand gesehen. 

Liebe unter Kirschblüten: Huppert im Film «Sidonie in Japan».
Foto: PD

Es gibt auch eine Liebesszene im Film, sie wurde mit einer Aneinanderreihung von Fotos gedreht.
Das ist eine ästhetische Wahl der Regisseurin. Liebesszenen sind immer schwierig, und meist misslingen sie. Und wir hatten auch nicht viel Zeit, das haben wir in zwei Stunden umgesetzt. Es ist doch so: Wenn wir uns an persönliche Szenen aus unserem Leben erinnern, haben wir oft Bilder im Kopf, und wir bewahren schöne Momente als Fotos auf. Ich finde die Idee originell und berührend. Und es gibt den Zuschauern mehr Raum, sie können in ihre eigene Imagination reisen. 

Der Film ist sehr ästhetisch. Reden Sie beim Kostüm mit?
Ja, natürlich. Ich trage gerne Sachen, die ich mag, aber auch wichtig sind für den Charakter und die Story. Auf die Blusen im Film haben wir viel Wert gelegt, anfangs sind sie dezenter, dann bekommen sie mehr Farbe. Bis die Bluse beim Aufblühen der Kirschbäume und der Liebe rot ist. 

Huppert gilt als Stilikone mit gewagter Finesse. Sie schafft es, auch in einem Plüsch-Bademantel chic auszusehen: So kürzlich am Filmfestival in Cannes in einem provokanten Look ihres bevorzugten Designers Balenciaga. Zum flauschigen Kleid kombinierte sie hautfarbene Stretchstiefel mit Heels. Wenn es um Coolness geht, macht Huppert jeder Influencerin was vor. 

Mit Plüsch und Sonnenbrille: Isabelle Huppert bewegt sich sicher auf dem modischen Parkett.
Foto: Corbis via Getty Images

Stimmt es, dass die Schuhe für Sie eine wichtige Rolle spielen?
Da fängt es meistens an. Ob man Schuhe mit Absätzen oder flache trägt, macht einen Unterschied in der Körpersprache.

Ihr Gesicht sei wie eine Landschaft, sagt die Regisseurin über Sie.
Das sind alle Gesichter in einem Film. Das ist die Kraft des Kinos, darum ist es so faszinierend. Allein mit dem Ausdruck kann man so viel erzählen. Natürlich kommt es auch auf die Beleuchtung an.

In einer Filmszene sind Sie angeblich richtig am Schlafen?
Tatsächlich? Ich hatte wohl einen Jetlag.

Was geben Sie auf der Leinwand von sich preis und was nicht?
Ich zeige alles und nichts, das ist sehr intim. Ich muss mich selber zeigen, sonst kann ich den Film nicht machen. Das ist immer nur ein Stück von mir, nicht mein ganzes Selbst. Ich bin nicht die Person, die ich spiele, und bin es doch. Es ist ein Paradox.

Was bedeutet Ihnen das Schauspielern?
Es ist etwas, das ich liebe. Und es fällt mir sehr leicht. Ich spiele mit Freude und Vergnügen. Und ich arbeite gerne mit Menschen, mit denen ich mich wohlfühle und die ich schätze. Vertrauen ist sehr wichtig. 

Wie wählen Sie aus den Angeboten aus?
Da spielen viele Faktoren mit, die Regie, Story, das Skript. Manchmal gibt es da nur einen Satz, der mich packt und überzeugt. Die Wahl ist mir wichtig, damit ist der Film quasi schon gemacht. 

Es klopft diskret an der Tür, die Viertelstunde ist um. Zuletzt schenkt mir Madame ein sanftes Lächeln. 

Filmtipp: «Sidonie in Japan» von Regisseurin Élise Girard, ab 30.5.2024 im Kino
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