Auf einen Blick
Frau Becker, ab wann spricht man von Frontotemporaler Demenz (FTD)?
Stefanie Becker: Von Frontotemporaler Demenz spricht man, wenn neurodegenerative Veränderungen in den Stirn- oder Schläfenlappen des Gehirns auftreten, die zu Persönlichkeitsveränderungen wie Enthemmung oder dem Verlust von Empathie führen. FTD betrifft eher jüngere Menschen zwischen dem 45. und dem 60. Lebensjahr. Die Verhaltensstörungen treten oft schon früh auf, während Gedächtnisprobleme – wie bei der Alzheimer-Demenz – meist erst später auffallen.
Kann man mit FTD noch arbeiten?
In frühen Krankheitsstadien ist die Berufstätigkeit oft noch möglich, insbesondere in klar strukturierten Berufen mit festen Routinen. Schwierig ist es besonders, weil selbst Ärzte die Krankheit oft mit einer anderen psychischen Störung oder Beziehungsproblemen verwechseln. Mit fortschreitender Erkrankung wird die Berufstätigkeit zunehmend schwierig, da Verhaltensauffälligkeiten wie soziale Enthemmung oder impulsives Handeln auftreten können.
Was sind herausfordernde Momente im Alltag mit Betroffenen?
Enthemmtes oder aggressives Verhalten, aber auch zwanghaftes Handeln stellen für Angehörige eine grosse Belastung dar. Zudem erschwert die fehlende Krankheitseinsicht den Zugang zu Unterstützungsmassnahmen. Eine Frau berichtete, dass sich ihr Mann mehrfach teure Anzüge kaufte, die er hinterher im Bus vergass. Erst nach viel Überzeugungsarbeit gelang es ihr, ihn davon abzuhalten, weitere unbedachte Käufe zu tätigen.
Stefanie Becker (57) ist Psychologin, Gerontologin und seit 2015 Direktorin von Alzheimer Schweiz. Von 2010 bis 2015 hat sie das interdisziplinäre Institut Alter an der Berner Fachhochschule aufgebaut und geleitet. Seit 2016 ist sie im Vorstand von Alzheimer Europe aktiv. Die gemeinnützige Organisation Alzheimer Schweiz unterstützt Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen sowie Fachleute aus der Pflege und Betreuung.
Stefanie Becker (57) ist Psychologin, Gerontologin und seit 2015 Direktorin von Alzheimer Schweiz. Von 2010 bis 2015 hat sie das interdisziplinäre Institut Alter an der Berner Fachhochschule aufgebaut und geleitet. Seit 2016 ist sie im Vorstand von Alzheimer Europe aktiv. Die gemeinnützige Organisation Alzheimer Schweiz unterstützt Menschen mit Demenz, ihre Angehörigen sowie Fachleute aus der Pflege und Betreuung.
Gibt es schöne Momente?
Ja, solche Momente gibt es. Ein 62-jähriger Mann, früher zurückhaltend, wurde durch seine FTD offener. Bei einem Familienfest überraschte er alle, als er plötzlich Komplimente machte und die Gäste mit charmanten Kommentaren zum Lachen brachte wie: «Das Essen hier ist so gut, dass ich nie wieder nach Hause will!» Seine Familie erkannte, dass seine Enthemmung in solchen Momenten positive Energie schaffte. Dieses Beispiel zeigt, dass auch enthemmtes Verhalten in einem passenden Umfeld zu positiven Ergebnissen führen kann.
Wie kann die Familie unterstützen?
Wichtig ist, Überforderungen zu vermeiden und sich frühzeitig Unterstützung zu holen. Austauschmöglichkeiten wie die Angehörigengruppen von Alzheimer Schweiz bieten emotionale Entlastung und praktische Tipps. Ein strukturierter Tagesablauf mit einfachen, nachvollziehbaren Aufgaben hilft Betroffenen, sich besser zu orientieren. Die Familie kann zudem dafür sorgen, dass die Person Zugang zu Freizeitangeboten und sozialen Kontakten hat, die Freude und Normalität vermitteln.
Braucht es mehr Institutionen für Betroffene?
Ja, es gibt einen grossen Bedarf an spezialisierten Einrichtungen. Solche Institutionen sollten altersangepasste Aktivitäten und vor allem spezialisierte Wohnformen anbieten können, um den besonderen Bedürfnissen der FTD-Erkrankten gerecht zu werden. Wichtig sind geschulte Fachpersonen, flexible Betreuungsmodelle und ein Umfeld, das sowohl Sicherheit als auch Eigenständigkeit bietet. Aber es braucht auch Wissen und Sensibilität bei den Hausärzten, die an die Memory Clinic zur Diagnose weiterleiten. Denn erst dann, wenn sie vorliegt, sind auch entsprechende Hilfen für die Betroffenen möglich.
Frontotemporale Demenz verändert die Persönlichkeit und den Alltag. Die Probleme nehmen kontinuierlich zu und wandeln sich über die Zeit. Die Folgen davon überfordern Angehörige zwangsläufig. Bei Verdacht auf die Erkrankung oder nach der Diagnose sollte man sich rasch Hilfe holen. Tipps und Informationsbroschüren erhält man bei Alzheimer Schweiz. Dort weiss man über spezielle Memorykliniken und Selbsthilfegruppen Bescheid. Anlaufstellen sind zudem auch Pro Senectute sowie die eigene Krankenkasse.
Frontotemporale Demenz verändert die Persönlichkeit und den Alltag. Die Probleme nehmen kontinuierlich zu und wandeln sich über die Zeit. Die Folgen davon überfordern Angehörige zwangsläufig. Bei Verdacht auf die Erkrankung oder nach der Diagnose sollte man sich rasch Hilfe holen. Tipps und Informationsbroschüren erhält man bei Alzheimer Schweiz. Dort weiss man über spezielle Memorykliniken und Selbsthilfegruppen Bescheid. Anlaufstellen sind zudem auch Pro Senectute sowie die eigene Krankenkasse.