«Bilder im Kopf»
Film über besondere Vater-Tochter-Beziehung

«Bilder im Kopf» ist das starke Regiedebüt von Eleonora Camizzi. Der persönliche Dokumentarfilm zeigt die intensive Begegnung zwischen ihr und ihrem psychisch erkrankten Vater in einem ungewöhnlichen Setting.
Publiziert: 06:55 Uhr
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Ein ungewöhnliches Setting für einen Dokumentarfilm: "Bilder im Kopf" handelt in einem weissen Raum, die Filmemacherin und ihr Vater sind ebenfalls in Weiss gekleidet. Ein Fenster gewährt den Blick auf das Meer.
Foto: Handout/Am Limit
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Keystone-SDADie Schweizer Nachrichtenagentur

Ein weisser Raum. Ein Fenster. Sonst nicht viel. Licht, Leere, Luft. Hier treffen sich Eleonora Camizzi und ihr Vater zum Gespräch. Sie möchte mit ihm über seine Diagnose - paranoide Schizophrenie - sprechen und darüber, was sie mit ihm und mit ihr gemacht hat.

Sie will sich austauschen über seine und ihre Ängste, über Vergangenes und Gegenwärtiges, Erinnerungen und Wünsche. Schauen, was wird. Zulassen, was geschieht.

«Bilder im Kopf» ist das Regiedebüt der 31-Jährigen, die als freischaffende Editorin und Produzentin arbeitet. Der Film feierte seine Premiere im November am renommierten International Documentary Film Festival Amsterdam, gewann an den Solothurner Filmtagen den Jurypreis «Visioni», war in Locarno zu sehen und startet am Donnerstag in den Deutschschweizer Kinos.

Das Set-Design mag zuerst gewöhnungsbedürftig sein, macht aber in mancherlei Hinsicht Sinn - metaphorisch, inszenatorisch, erzählerisch. Dabei war überhaupt nicht klar, dass es so werden würde, wie die Regisseurin im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA sagt: «Ich habe zuerst bei meinem Vater daheim gedreht. Doch dort ist sein Raum. Es funktionierte nicht, denn ich wollte einen Film über unsere Beziehung machen.» Plötzlich sei dieser weisse Raum vor ihrem inneren Auge aufgetaucht und habe immer stärker Form und Dringlichkeit angenommen. «Es kam der Punkt, an dem ich wusste: So soll es sein.»

Der Film ist gleichsam eine Weiterführung der Gespräche, die die Tochter mit dem Vater in den letzten rund zehn Jahren geführt hat - privat, ohne Kamera. «Wir waren immer in einer Beziehung zueinander, doch es gab enorm viel Unausgesprochenes.» Und da war dieser Wunsch, diesem auf den Grund zu gehen.

Camizzi hat sich ausführlich vorbereitet, weil sie auf dem Set nicht die Regisseurin mit einem sachlich-nüchternen Blick habe sein können. «Ich brauchte Raum, um mich auf Emotionales einzulassen, offen und empfänglich zu bleiben.» Trotzdem sei die Doppelrolle als Gesamtverantwortliche und Tochter ein Geschenk gewesen: «Wenn die eine nicht mehr die Kraft hatte, sagte die andere: Jetzt erst recht.»

Die Mutter wird immer wieder angesprochen im Film und ist gerade in ihrer Abwesenheit stark präsent. «Sie hat Frieden geschlossen mit unserer Familiengeschichte und ist mir eine grosse Unterstützung», sagt Camizzi.

«Bilder im Kopf» ist ein intimes Stück Kino, das nahegeht. Das Publikum wird auf sich selber zurückgeworfen, auf eigene Beziehungen und den Umgang mit psychischen Erkrankungen. Camizzi erinnert sich an eine Veranstaltung, nach der ein Mann zu ihr gekommen sei. «Er hat mir gesagt, dass er einen Bruder mit derselben Diagnose habe; sich bislang aber noch nie gefragt habe, was er eigentlich für eine Beziehung zu ihm habe.»

Das ist eine der Stärken des Films: Er präsentiert eine individuelle, persönliche Geschichte, wird aber gleichzeitig allgemeingültig und zeigt vom Kleinen und Intimen ins Grosse und Gesellschaftliche.

Was ist Inszenierung, was Improvisation in dieser Tochter-Vater-Geschichte? Es gab einen ungefähren Plan, sagt Camizzi; Themen, die sie ansprechen wollte, aber auch viel Raum für Unerwartetes. So habe sie zum Beispiel einfach die Lust verspürt, mit ihrem Vater zu tanzen und das haben sie dann auch getan. «Das Grossartige am Medium Film ist, dass Filme in die Wirklichkeit eingreifen und neue Wirklichkeiten schaffen können.»

Als ihr Vater das Werk zum ersten Mal gesehen hat, sei er erleichtert gewesen, zugesagt zu haben: «Es wäre eine Schande, wenn es diesen Film nicht gäbe.» Aber: «Ich bin mir nicht sicher, ob ich den Mut zu diesem Ja gehabt hätte, wenn ich gewusst hätte, was mich erwartet.»

Das fasst den beeindruckenden Erstling der jungen Filmemacherin passend zusammen: Es geht um Vertrauen und Offenheit, Neugier und Bewusstheit.

Die Finanzierung sei ein Kraftakt gewesen, sagt Camizzi. Als es darum ging, Gelder für die Entwicklung des Stoffes zu finden, hätte sie fast nur Zusagen bekommen. Damals sei der Film aber noch als «ganz klassische Dokumentation» geplant gewesen. Als es um die Herstellungsgelder ging, wurde es schwieriger. «Der weisse Raum war wohl ein zu abstraktes Gebilde», sagt die Regisseurin. Gut, hat Camizzi trotzdem daran festgehalten. Denn es ist gerade dieser Drehort, der den Gesprächen einen starken Boden gibt.

Camizzi glaubt, dass der Film und die damit verbundenen Erfahrungen heilsam gewesen sind - für beide. Sie ist überzeugt, dass die gemeinsame Arbeit und der Austausch ihre Beziehung verändert hat. «Die gemeinsame Arbeit an einem Projekt und die damit verbundenen Erlebnisse haben etwas in Bewegung gebracht, das nachklingt - bis heute.»*

* Dieser Artikel von Raphael Amstutz, Keystone-SDA, wurde mithilfe der Gottlieb und Hans Vogt-Stiftung realisiert.

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