Blick-Redaktorin gibt Einblick in ICF-Messe in Zürich
0:57
Gottesdienst mal anders:Blick-Redaktorin gibt Einblick in ICF-Messe in Zürich

Besuch bei der Freikirche ICF Zürich – ein persönlicher Erlebnisbericht
«Sonntag ist Zahltag für Satan»

Die Freikirche ICF gewinnt in der Schweiz zunehmend an Popularität, besonders unter jungen Menschen. Unsere Autorin nimmt an einer «Celebration» in Dübendorf ZH teil – und wird Zeugin von Tränen, Johlen und Heilungsgeschichten.
Publiziert: 26.06.2025 um 19:51 Uhr
|
Aktualisiert: 26.06.2025 um 20:17 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/14
Junge Menschen feiern die ICF-«Celebration» wie ein Popkonzert – mit Lichtshow, Livemusik und Jubelrufen.
Foto: Ramona Rosati

Darum gehts

  • ICF Zürich: Moderne Freikirche zieht junge Menschen an
  • Gottesdienste mit Lichtshows, Livemusik und emotionalen Predigten
  • In Zürich wöchentlich 3400 Besucher vor Ort und 2200 per Livestream
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Ramona_Rosati_Praktikant Ressort Gesellschaft _Blick Ringier_3-Bearbeitet-Bearbeitet.jpg
Ramona RosatiRedaktorin Gesellschaft

In den letzten Wochen zeigte mir Instagram zunehmend christliche Inhalte an. Creators wie @millane (23) oder Lisa (23) von @lisaandlena, früher durch Tanzvideos bekannt, sprechen heute offen über ihren Glauben. Ich entdeckte, dass Lisa ICF folgt, also der Freikirche International Christian Fellowship. Bald darauf stellte ich fest: Auch christlicher Rap war plötzlich in den Charts.

Und als mir ein Jugendlicher mit «Jesus loves you»-Shirt begegnete, spürte ich: Das Thema verfolgt mich auch offline. Wie mir dürfte es vielen anderen jungen Menschen gehen – immerhin sind wir die Zielgruppe dieser in Zürich gegründeten Freikirche. Anders als der älteren Bevölkerung ist uns ICF auch nicht breit bekannt. Zeit also, mir ein Bild zu machen. 

Festivalstimmung im Gottesdienst

Reformiert, getauft und konfirmiert, war ich schon in einigen Gottesdiensten. Doch noch nie in einem wie dieser «Celebration». Schauplatz: Ein Sonntagabend in der Eventhalle The Hall in Dübendorf ZH. Junge, stylishe Menschen, viele in Weiss gekleidet, drängen sich zum Eingang, füllen die vielen Stuhlreihen. Draussen spielende Kinder, Food- und Getränkestände, freiwillige Helferinnen und Helfer an Infopoints. Stimmung wie an einem Festival. 

ICF Zürich wurde 1996 gegründet und ist eine überkonfessionelle, biblisch fundierte Freikirche. Sie richtet sich besonders an ein jüngeres Publikum und setzt auf moderne Techniken wie Lichtshows, Livemusik, Bildprojektionen und Social-Media-Präsenz. Geleitet wird sie vom Gründerpaar Leo und Susanna Bigger. Finanziert wird die Kirche durch freiwillige Spenden. Heute ist ICF Zürich Teil einer internationalen Bewegung, die in etwa 13 Ländern aktiv ist. In der Schweiz gibt es 26 Standorte.

Als ich die Halle betrete, begrüssen mich Mitarbeitende der Freikirche herzlich. «Welcome Home» steht auf ihren T-Shirts. Ich finde einen freien Platz auf dem Balkon. Die «Celebration» beginnt mit Countdown, Lichtshow, Chor, Tänzern und dröhnendem Bass. Die Menge springt von den Sitzen, singt, jubelt. Die Location wirkt sehr voll, zusätzlich wird die Celebration per Livestream übertragen. Laut Angaben von ICF Zürich besuchten 2024 wöchentlich rund 3400 Personen die Gottesdienste vor Ort – rund 2200 weitere waren jeweils per Livestream dabei. Zahlen, von denen unsere Landeskirchen nur träumen können.

Landeskirchen verlieren Mitglieder, Freikirchen nicht

Aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik bestätigen den Trend der letzten Jahre: Die Landeskirchen verlieren weiter stark an Mitgliedern. Anders die evangelischen Freikirchen: Sie machen zwar nur etwa 1 bis 2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, bleiben aber eine kleine, stabile Gruppe. Ihr Anteil ist gering, doch sie sind in den Statistiken als eigene Kategorie erfasst und lassen sich über die Jahre verfolgen.

Während bei den Katholiken und Protestanten weniger als die Hälfte der Mitglieder von sich sagen, sie seien religiös oder spirituell, sind es bei den Freikirchen fast die Hälfte. Sie besuchen von allen Religionsgemeinschaften auch am häufigsten einen Gottesdienst: 30 Prozent von ihnen wöchentlich.

Aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik bestätigen den Trend der letzten Jahre: Die Landeskirchen verlieren weiter stark an Mitgliedern. Anders die evangelischen Freikirchen: Sie machen zwar nur etwa 1 bis 2 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, bleiben aber eine kleine, stabile Gruppe. Ihr Anteil ist gering, doch sie sind in den Statistiken als eigene Kategorie erfasst und lassen sich über die Jahre verfolgen.

Während bei den Katholiken und Protestanten weniger als die Hälfte der Mitglieder von sich sagen, sie seien religiös oder spirituell, sind es bei den Freikirchen fast die Hälfte. Sie besuchen von allen Religionsgemeinschaften auch am häufigsten einen Gottesdienst: 30 Prozent von ihnen wöchentlich.

Eine Kanzel gibt es hier nicht: Senior Pastor Leo Bigger begrüsst auf der grossen Bühne und ruft zum Spenden auf (ausschliesslich für ICF-Projekte), später folgt eine Segnung. Die Predigt hält Milchbauer Dominic Haab – mit ausschweifender Gestik spricht er über Pfingsten, den Heiligen Geist und das Sprachengebet. Er erwähnt auch Dämonenaustreibung, etwa im Zusammenhang mit einem angeblich durch Gebet verhinderten Suizid. Haab hat Tränen in den Augen, geht auf die Knie, seine Worte sind musikalisch unterlegt.

Eine Celebration zwischen Gänsehaut und Skepsis

Das Publikum sitzt nicht andächtig in den Stuhlreihen: Es gibt häufig Zwischenrufe wie «Amen», begeistertes Johlen oder Klatschen bei besonders dramatischen Aussagen. Der Saal ist spürbar aufgeladen, viele stehen mit erhobenen Händen, andere wischen sich Tränen weg. Die Emotionalität ist greifbar und körperlich spürbar.

Ich selbst habe Gänsehaut an den Armen. Aber genau das macht mich skeptisch: Es ist berührend und zugleich irritierend, wie stark Emotion und Glaube hier miteinander verwoben sind.

Die folgenden Tage verfolgt mich eine Aussage von Prediger Haab: «Sonntag ist Zahltag für Satan.» Solche Formulierungen sorgten für Applaus bei den Gläubigen und für Irritation bei mir. Der Teufel ist für diese Gemeinschaft eine Realität und nur wer dazugehört, ist vor ihm geschützt. Eine solche Denkweise spaltet die Gesellschaft in Gläubige und Ungläubige.

Was mich zusätzlich befremdet: Haabs öffentliches Instagram-Profil offenbart Inhalte, die gezielt gegen nicht-binäre Personen gerichtet sind. Zwar sagt Leo Bigger: «Es ist nichts falsch mit dir.» Doch mein Eindruck ist widersprüchlich: Die vermeintliche Offenheit der ICF dürfte ihre Grenzen haben, insbesondere in Bezug auf queere Identitäten. Wer nicht glaubt, wer kritisch fragt oder nicht ins normative Weltbild passt, wurde in den Erzählungen teils dämonisiert oder als «verloren» dargestellt.

Die Inszenierung der «Celebration» war emotional hoch wirksam – die Musik, das Licht, die Botschaften. Das Gemeinschaftsgefühl und die musikalische Stimmung hatten mich berührt. Selbst mich, die mit journalistischer Distanz da sass! Gerade diese starke Emotionalisierung sehe ich kritisch: Wie viel davon ist echte spirituelle Erfahrung und wie viel psychologisch kalkulierte Wirkung? Wird hier Glaube vermittelt oder emotionaler Druck aufgebaut? Klar ist: ICF ist die grösste Freikirche der Schweiz – und sie wächst weiter. Auch dank Influencern aus ihren eigenen Reihen. 

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?