«Draussen heiss, im Wasser kalt – es droht ein Kälteschock»
1:44
Bademeister aus Küsnacht ZH:«Draussen heiss, im Wasser kalt – es droht ein Kälteschock»

Bademeister aus Leidenschaft
«Es geht um Leben – ich muss immer aufmerksam sein»

Der Sommer ist da – und es fehlt an Badmeistern. Wir sind in die Innerschweiz, ins Berner Oberland und in die Zürcher Agglo gefahren und haben mit einer Frau und zwei Männern gesprochen, die sich keinen besseren Job vorstellen könnten.
Publiziert: 15:01 Uhr
|
Aktualisiert: 16:04 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/16
Matthias Kurt arbeitet seit sechs Jahren als Badmeister in der ältesten Badi des Berner Oberlandes: Das Freibad Zweisimmen BE gibt es schon seit den 1920er-Jahren.
Foto: Kim Niederhauser

Darum gehts

  • Dutzende offene Badmeisterstellen in der Schweiz
  • Einstieg als Badmeister niederschwellig möglich
  • Neue Berufslehre könnte Situation entlasten
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.

Ächz, diese Hitze! Da hilft nur eine Erfrischung im kühlen Nass. Vor den Badis stehen die Menschen Schlange, auf den Liegewiesen an den Seen liegt Tuch an Tuch. Während die Badegäste planschen, spritzen und tauchen, machen die Badmeister konzentriert ihren Job – dessen Bedeutung man nicht unterschätzen darf. Sie überwachen den Badbetrieb, retten Menschen in Not und sorgen für die Sauberkeit und das Funktionieren der Anlagen.

Denn wo Hitze, Menschen und Wassermassen zusammenkommen, ist eines wichtig: Sicherheit. Gemäss der Ertrinkungsstatistik der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft (SLRG) starben zwischen 2013 und 2023 jährlich rund 50 Personen. Die meisten Menschen ertranken jeweils in Flüssen und Seen. Tödliche Badeunfälle in Badis gab es im erwähnten Zeitraum jährlich zwischen 0 und 4. 

Dutzende von Badmeisterstellen unbesetzt

Badmeisterinnen und Badmeister dürften eine grosse Zahl weiterer Unglücke verhindert haben. Doch ausgerechnet bei diesen Lebensrettern herrscht Personalmangel. Dies belegen die Dutzenden von Stellen, die auch Mitte Juni noch auf der Webseite des Schweizer Badmeisterverbands (SBV) wie auch auf Plattformen wie Jobs.ch ausgeschrieben sind – besonders für die Kantone Bern, Zürich, Luzern und St. Gallen. Wie der «Tages-Anzeiger» berichtete, ist in einigen Bädern aufgrund des Mangels an Badmeistern auch Security-Personal im Einsatz.

Die Personalknappheit ist laut SBV eine Folge der Coronazeit: Ab 2020 hätten Badmeister vielerorts ihren Beruf nicht mehr ausüben können und sich beruflich neu orientiert, erklärt der Verband auf Anfrage.

Eine Entlastung der Situation könnte die neue Berufslehre «Fachmann/-frau Betriebsunterhalt EFZ mit Schwerpunkt Sportanlagen» darstellen, die der Bund 2023 eingeführt hat. Die ersten 20 Lernenden werden ihre Ausbildung nächsten Sommer abschliessen.

Quereinstieg in den Job des Badmeisters

Der Quereinstieg in den Job des Badmeisters oder der Badmeisterin ist bereits jetzt niederschwellig möglich – Voraussetzung dafür sind das Badmeister-Brevet, ein absolvierter Nothelferkurs und Kenntnisse in der Bädertechnik. Doch Faktoren wie unregelmässige Arbeitszeiten, befristete Verträge und oft eher niedrige Löhne dürften den Beruf in den Augen vieler wenig attraktiv machen. 

Anders sehen dies eine Frau und zwei Männer, die ihren Beruf mit Leidenschaft ausüben und sich keinen besseren vorstellen könnten – sei es in der familiären Badi im bernischen Simmental, am idyllischen Sarnersee oder in der urbanen Schwimmanlage in der Zürcher Agglomeration. 

Matthias Kurt (67), Schwimmbad Zweisimmen BE

Matthias Kurt liebt es, die Badi stetig zu verschönern – etwa mit Airbrush-Kunst an der einst grauen Betonwand beim Eingang der Badi.
Foto: Kim Niederhauser

«Seit sechs Jahren arbeite ich als Badmeister in der ältesten Badi des Berner Oberlandes, die besonders bei Expats und Touristen beliebt ist. Zuvor war ich im Marketing der Lenk Bergbahnen tätig. Am jetzigen Job schätze ich die Abwechslung, die zufriedenen Gäste und die Möglichkeit, dass ich die Badi stetig verschönern kann – etwa mit der neuen Airbrush-Kunst von Philipp Klopfenstein an der einst grauen Eingangswand.

Mir macht es Freude, mich um die Menschen zu kümmern, beispielsweise verteile ich gerne Sonnencreme. Ich jäte viel und unterhalte mich mit den Badi-Besuchern.

Mein Arbeitstag beginnt meist um 8 Uhr: Ich entferne die Temperaturschutzmatten von den drei Becken und prüfe die Wasserwerte. Dann mähe ich vielleicht noch den Rasen – um 9.30 Uhr kommen bereits die ersten Gäste. In den Abendschichten räume ich nach Badeschluss alles auf, putze und decke die Becken wieder ab.

Wir sind zwei Badmeister und einige Wasseraufsichten in der Badi Zweisimmen. An den etwa 100 Betriebstagen der Saison bin ich an sechs Tagen pro Woche im Einsatz. Trotzdem stimmt die Work-Life-Balance.

Die Gäste nennen mich einen lieben Badmeister. Ich achte vorausschauend auf Gefahren, kann aber auch mal streng werden – etwa wenn Kinder auf der Rutschbahn stehen. Ernsthafte Zwischenfälle gab es bisher kaum, das Schlimmste war ein ausgeschlagener Zahn. Herausfordernd ist für mich, wenn etwas Technisches nicht funktioniert und ich herausfinden muss, woran es liegt. Am schönsten ist es, die Kinder über die Jahre zu begleiten und zu sehen, wie sie sich ans Wasser gewöhnen.»

Adina Imfeld (37), Seefeld Park Sarnen OW

Am Sarnersee beobachtet Adina Imfeld aufmerksam das Geschehen im Seefeld Park.
Foto: Kim Niederhauser

«Ich bin nun in der sechsten Saison Badmeisterin, und hier im Erlebnisbad Sarnen ist es der zweite Sommer. Vorher hatte ich 15 Jahre im Büro gearbeitet, doch mein Bewegungsdrang brachte mich zum Badmeisterjob, der für mich vom ersten Tag an wie ein ‹Ankommen› war.

Die unregelmässigen Arbeitszeiten kommen mir entgegen, denn ich geniesse die freien Tage unter der Woche und habe nicht mehr den Stress, jeweils die Wochenenden mit anderen verplanen zu müssen.

Mich fasziniert die Vielfalt am Badmeisterberuf: Manchmal ist man fast allein und manchmal unter 3000 Menschen. Man ist mitten in der Natur, kümmert sich aber auch um Technik und Sauberkeit. Ich schätze die Selbständigkeit in diesem Beruf, das Team und die Zufriedenheit der Gäste.

Viele Eltern sind dankbar, wenn ich sie darauf hinweise, mit ihrer Aufmerksamkeit mehr bei den Kindern zu sein, da man einem Kind im Gegensatz zu Erwachsenen nicht anmerkt, wenn es am Ertrinken ist – es zappelt dabei nicht.

Als herausfordernd erlebe ich immer wieder, dass sich gewisse Männer von einer Frau nichts sagen lassen wollen und dann einfach lachend weggehen und ihr Fehlverhalten fortsetzen.

Als Ursache der meisten Unfälle sehe ich Unwissen und Leichtsinn. Einmal mussten wir eine Frau hochhieven, die beim Einstieg in den See umgestürzt war und nicht mehr allein auf die Beine kam – sie hatte gerade eine Hüft-OP hinter sich. Ein anderes Mal wollte ein Junge einen Rückwärtssalto ins Schwimmbecken machen und schlug sich den Kopf am Beckenrand schwer an.

Witzig finde ich immer, wenn Leute schauen, ob ich gerade hinsehe, damit sie etwas Verbotenes anstellen können – wie zum Beispiel auf der Rutschbahn anhalten –, und dann ganz scheinheilig tun, wenn ich sie ertappe.»

Flamur K. (33), Water World Wallisellen ZH

Flamur K., Badmeister im Water World Wallisellen im Kanton Zürich, hat seinen Traumjob gefunden.
Foto: Siggi Bucher

«Nach zwei Saisonstellen in der Badi Seebach und im Flussbad Unterer Letten in Zürich bin ich seit Winter 2020 als Badmeister im Water World Wallisellen fest angestellt, wo ich im Hallenbad und im Freibad arbeite. Ich mache meinen Job sehr gerne und freue mich jeden Tag auf die Sportanlage, die Menschen und mein Team.

Besonders gefällt mir die Vielfalt: Von Technik über Gartenarbeit und Reinigung bis hin zur Aufsicht kann ich meine Arbeit selbständig erledigen und Verantwortung übernehmen. Als Badmeister hilft mir meine Menschenkenntnis: Ich muss mit ganz unterschiedlichen Badegästen kommunizieren, Verständnis zeigen und Regeln erklären.

Viele denken, wir Badmeister würden nur herumlaufen und uns sonnen. Aber es geht um Leben: Ich muss immer aufmerksam sein und alles im Blick haben, die Wasserqualität kontrollieren und dafür sorgen, dass alle Anlagen funktionieren.

In einer Badi kann es immer wieder zu Unfällen kommen: Jemand schlägt sich den Kopf an oder rutscht aus, manchmal muss sogar die Ambulanz kommen. In Notfällen ist es entscheidend, ruhig zu bleiben und zuerst die Situation zu analysieren, sonst können Fehler passieren.

Langweilig wird es nie – das Wetter und die Besucher machen jeden Tag anders. Anspruchsvoll wird es, wenn die Badi voll ist und Gäste die Regeln nicht einhalten wollen. Dann spreche ich sie direkt an und erkläre in ruhigem Ton, warum unsere Regeln wichtig sind. Es kann auch vorkommen, dass Besucher der Badi verwiesen werden müssen, wenn durch deren Fehlverhalten – wie etwa seitliches Hineinspringen beim Schwimmerbecken – andere Gäste gefährdet werden könnten.

Zu vielen Stammgästen pflege ich ein sehr gutes Verhältnis und nehme viel aus meinem Job mit. Hätte ich früher gewusst, wie toll dieser Beruf ist, wäre ich schon viel länger Badmeister.»


Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?