Wer die Fertigungsräume von Handy-Hersteller Oppo betreten will, muss weisse Schutzkleidung und Plastiküberzieher für die Schuhe anziehen. Dann gehts durch eine Schleuse, wo man 20 Sekunden mit Luft angeblasen wird.
Danach steht man nicht etwa in einer riesigen, lärmigen Fabrikhalle. Sondern in einem hellen, fast weissen Raum, in dem es kaum lauter ist als im Grossraumbüro. Arbeiter sieht man fast keine, stattdessen stehen nebeneinander lange Reihen an Maschinen, Fliessbändern und Robotern.
38 solcher Produktionslinien hat Oppo in Dongguan, pro Monat werden hier 7,5 Millionen zentrale Recheneinheiten für Smartphones gebaut. Dongguan bildet zusammen mit dem benachbarten Shenzhen das Tech-Zentrum von China – mit über 40 Millionen Einwohnern. Oppo beschäftigt allein in dieser Fabrik 20'000 Angestellte.
Auf Einladung des chinesischen Herstellers konnte BLICK die Fertigung der Handys vom Zusammenbau des Motherboards über die Funktionstests bis zur Verpackung besichtigen. Dazu Testlabore und den Bereich für die Forschung an Zukunftstechnologien wie 5G.
Zuerst werden also die zentralen Platinen gefertigt – mit Prozessor, Speicher, Sensoren, Kameramodulen und Anschlüssen. Die einzelnen Komponenten sind zu Tausenden auf Spulen aufgerollt und werden fast vollautomatisch zusammengebaut. Was sofort auffällt: Dutzende Roboter des Schweizer Herstellers ABB kommen zum Einsatz.
Sie platzieren Teile am richtigen Ort, montieren sie, können Schrauben anziehen, aber auch Funktionen austesten oder mit Sensoren und Kameras messen, ob die Fertigungsqualität genug gut ist.
Über 50'000 Roboter bauen Handys zusammen
«Im Sektor Unterhaltungselektronik sind wir in der Robotik seit vielen Jahren führend», schreibt ABB-Pressesprecher Harro ten Wolde auf Anfrage von BLICK. Genaue Details gibts zwar nicht – auch nicht zur Geschäftsbeziehung zu Oppo. Aber von den weltweit rund 105'000 Robotern, die 2018 im Elektronikbereich im Einsatz waren, haben rund die Hälfte Smartphones gebaut. Für Industrieroboter ist dieser Sektor der zweitwichtigste nach der Automobilindustrie.
ABB hat speziell für diesen Bereich eine Reihe von Kleinrobotern entwickelt, etwa den IRB 1100, der kleiner und leichter ist und trotzdem schneller und genauer montieren kann. Dank geringer Stellfläche lässt er sich gut in Fertigungsstrassen verbauen.
Laut dem Schweizer Hersteller sind solche Roboter sehr gefragt. «Auf der Smartphonebranche lastet ein hoher Innovationsdruck», sagt Harro ten Wolde. Die Fertigung der Hightech-Produkte wird immer anspruchsvoller. «Individuelle, flexible Automatisierungslösungen sind unabdingbar, wenn nicht sogar ein entscheidender Wettbewerbsvorteil für die Smartphone-Hersteller», heisst es bei ABB.
Das Unternehmen mit Hauptsitz in Zürich baut nicht nur Roboter, sondern bietet Komplettlösungen bei der Automatisation an. Neue Produkte werden auch gemeinsam mit Kunden entwickelt, so etwa die kleinen und schnellen Roboter für die Fertigung von Smartphones und anderen Gadgets. Die wurden von ABB seit 2009 zusammen mit chinesischen Kunden entwickelt und auch dort gebaut. Wegen der grossen Nachfrage in Europa gibts inzwischen auch eine Fertigung in Schweden.
Der hohe Grad an Automatisierung ist auch in der Oppo-Fabrik offensichtlich. Erst beim Zusammenbau von Display, Mainboard und Gehäuse werden einzelne Arbeitsschritte noch von Hand getätigt, etwa in der Qualitätskontrolle oder bei der Verpackung.
Belastungstest im Tumbler – und in den Händen von Profi-Gamern
Manchmal ist die Arbeitsteilung noch ganz merkwürdig. So legt etwa ein ABB-Roboter den Akku ins Gehäuse und packt ein Flachbandkabel obendrauf. Ein Arbeiter steckt dann aber das Kabel ein und gibt das Gerät zu einem weiteren ABB-Roboter weiter für den nächsten Arbeitsschritt. Schon beim nächsten Modell in einem halben Jahr könnte das dann aber wieder ganz anders aussehen und nochmals eine Maschine mehr zum Einsatz kommen.
Personal brauchts natürlich trotzdem. Fachleute und Ingenieure für die Wartung der Roboter und auch die Programmierung der Abläufe. Die kommen oft direkt von den Universitäten der Region und arbeiten ein paar Jahre auf dem Campus von Oppo.
Arbeitsintensiv ist zum Beispiel die Qualitätskontrolle. Neue Modelle werden etwa im Microdrop-Test 42'000 Mal aus sieben Zentimetern auf harten Untergrund fallen gelassen. Jede Taste wird 100'000 Mal gedrückt, der Fingerabdruck-Scanner gar eine Million Mal.
Smartphones werden auch im Tumbler herumgewirbelt, aus ein- bis eineinhalb Meter Höhe fallen gelassen oder mit Salz, Wasser und künstlichem Schweiss besprüht. Oppo hat sogar Profi-Gamer angestellt, welche den Prozessor an die Leistungsgrenze bringen sollen.