Darum gehts
- Youtube feiert 20-Jahr-Jubiläum: von Zoo-Video zur globalen Plattform
- Neben viralen Hits existieren Millionen ungesehene Videos auf Youtube
- Über 500 Stunden Videos werden pro Minute auf Youtube hochgeladen
19 Sekunden. So lang ist das erste Video auf Youtube: unscharf, wackelig, blecherner Ton. Jawed Karim, Mitgründer der Plattform, steht im Zoo von San Diego und sagt: «Das Coole an Elefanten ist, dass sie so lange Rüssel haben.» Das Filmchen vom 23. April 2005 markiert den Beginn einer Weltkarriere.
Heute, 20 Jahre später, nutzen Millionen täglich die Videoplattform als Kochhilfe, Kinderunterhalter, Fitness-Coach oder Wikipedia-Ersatz, am Handy oder auf dem Fernseher. Das erste Video wurde zum Symbol einer Ära. «Me at the zoo» hat über 350 Millionen Views. Doch zwischen viralen Hits und Hochglanzproduktionen schlummern Millionen Clips, die niemand anschaut.
Archiv des Alltags
Ein Spaziergang im Regen, ein Mädchen mit Pfeil und Bogen, ein Hund auf dem Parkett: Websites wie IMG_0001 holen unsichtbare Videos ans Licht. Hochgeladen mit Dateinamen wie IMG_0243.MOV: ohne Titel, ohne Text, ohne Publikum. Ein digitaler Rattenschwanz, ein Archiv globaler Belanglosigkeit und gleichzeitig ein Schatz. Man klickt weiter und weiter und landet bei einer wilden Hochzeit, einem Programmiertutorial, Koifischen im Teich, einer Mini-Modelleisenbahn.
Was 2005 als Datingplattform in einer kalifornischen Garage begann, ist heute ein Milliardenimperium. Google zahlte 2006 1,65 Milliarden Dollar – rückblickend einer der besten Deals der Tech-Geschichte. Heute nutzen rund 2,5 Milliarden Menschen monatlich Youtube. Der Umsatz lag 2024 bei 36 Milliarden Dollar.
Die Creator Economy blüht: Über drei Millionen Kanäle sind im Partnerprogramm. Sie verdienen Geld durch Werbung, Merchandise oder Mitgliedschaften, manche Millionen. MrBeast, der reichweitenstärkste Youtuber, soll 85 Millionen Dollar pro Jahr verdienen. «In Europa allein beträgt unser Beitrag zum BIP 6,5 Milliarden Euro», sagt Pedro Pina, Vizepräsident von Youtube EMEA (Europa, Nahost und Afrika), bei einem Vortrag in Zürich. Laut dem Mutterkonzern Google hängen in Europa rund 185'000 Jobs am Youtube-Ökosystem. In der Schweiz ist die Zahl der Kanäle mit sechsstelligen Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 25 Prozent gestiegen.
2005, 14. Februar: Gründung durch Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim.
2005, 23. April: Erstes Video «Me at the zoo» wird hochgeladen.
2006, Oktober: Google übernimmt Youtube für 1,65 Milliarden Dollar.
2007, Mai: Einführung des Partnerprogramms für Creators.
2012: «Gangnam Style» von Psy wird erstes Video mit über 1 Milliarde Aufrufen.
2012, Oktober: Livestream vom Stratosphärensprung von Felix Baumgartner.
2013: Youtube erreicht 1 Milliarde monatliche Nutzer.
2015: Einführung von Youtube Red, einem werbefreien Abonnementsdienst.
2017: Youtube reagiert auf Werbekrisen mit Monetarisierungsrichtlinien.
2018: Youtube Rewind 2018 wird das meistgehasste Video der Plattform.
2020: Start von Youtube Shorts als Antwort auf Tiktok.
2024: Jährlicher Umsatz von 36 Milliarden Dollar; 2,5 Milliarden Nutzer monatlich.
2025: Youtube ist die meistgenutzte Streamingplattform in den USA.
2005, 14. Februar: Gründung durch Chad Hurley, Steve Chen und Jawed Karim.
2005, 23. April: Erstes Video «Me at the zoo» wird hochgeladen.
2006, Oktober: Google übernimmt Youtube für 1,65 Milliarden Dollar.
2007, Mai: Einführung des Partnerprogramms für Creators.
2012: «Gangnam Style» von Psy wird erstes Video mit über 1 Milliarde Aufrufen.
2012, Oktober: Livestream vom Stratosphärensprung von Felix Baumgartner.
2013: Youtube erreicht 1 Milliarde monatliche Nutzer.
2015: Einführung von Youtube Red, einem werbefreien Abonnementsdienst.
2017: Youtube reagiert auf Werbekrisen mit Monetarisierungsrichtlinien.
2018: Youtube Rewind 2018 wird das meistgehasste Video der Plattform.
2020: Start von Youtube Shorts als Antwort auf Tiktok.
2024: Jährlicher Umsatz von 36 Milliarden Dollar; 2,5 Milliarden Nutzer monatlich.
2025: Youtube ist die meistgenutzte Streamingplattform in den USA.
Katzen regieren das Internet
Das Culture und Trends Team bei Youtube analysiert, was auf der Plattform angesagt ist – vom viralen Meme bis zur Zwölfstunden-Doku. Der Name hat einen kuriosen Ursprung. «Wir heissen so, weil wir Cats als Akronym wollten», erklärt Leiterin Roya Zeitoune: «Katzen regieren das Netz.» Und obwohl jede Minute über 500 Stunden Videomaterial hochgeladen werden, verschwinden viele Inhalte nicht im digitalen Rauschen. Zwischen Taylor-Swift-Fandoms, Flugzeug-Fans und Bahngleis-Enthusiasten entstehen neue Formen digitaler Gemeinschaft, oft rund um Inhalte, von denen ausserhalb der Blase nie jemand gehört hat.
Auch die Formate selbst haben sich verändert: Zwischen Shorts, Dokus, Video-Essays und Podcasts verschwimmen die Grenzen. «Was zählt, ist nicht die Länge, wenn der Inhalt gut ist, schauen die Leute auch zwölf Stunden zu», sagt Zeitoune. Wer sucht, findet. Und wer gefunden wird, kann Kultur prägen – und die Sprache. «Wörter wie viral, Thumbnail, Unboxing oder Vlog: Alle stammen von Youtube», sagt Pina.
Das Video als Echo
Längst vorbei sind jedoch die Zeiten, in denen ein einziger Clip das Internet zum Stillstand brachte. «Gangnam Style» von Psy war 2012 das erste Video, das die Milliardengrenze knackte, heute sind es über fünf Milliarden Views. Doch Videos, die weltweit gleichzeitig zünden, sind selten geworden. «Es ist heute viel schwieriger, mit einem einzigen Video alle zu erreichen», sagt Zeitoune. «Dafür sind die Effekte nachhaltiger. Statt eines einzelnen Hits entstehen ganze Ökosysteme: Reaktionen, Remixe, Memes, Fanfiction.» Der Moment wird zum Echo. Die Nische ist der neue Mainstream, heisst es intern.
Gleichzeitig wuchs Youtube zur TV-Konkurrenz heran: In den USA ist die Plattform seit zwei Jahren Marktführer beim Streaming, vor Netflix. Der meistgenutzte Bildschirm ist überraschenderweise nicht mehr das Smartphone, sondern der TV.
Dunkle Seite des Algorithmus
Doch nicht alles glänzt in Googles Imperium. Die Plattform war immer wieder in der Kritik wegen Desinformation, algorithmischem Extremismus, Adpocalypsen: so etwa 2017, wo Millionen Videos wegen Hassrede und Kindeswohlgefährdung gelöscht wurden und grosse Werbekunden absprangen. Heute entfernt Youtube laut eigenen Angaben 96 Prozent der problematischen Inhalte automatisiert, oft, bevor sie zehn Views erreichen.
Youtube ist mehr als virale Hits: ein Speicher voll Banalem, Peinlichem, Schönem. Jeder mit Smartphone kann plötzlich Sender sein. Manchmal wurde daraus eine Karriere, manchmal nur eine digitale Notiz. «Bei Youtube gibt es eine neue Liebe für das Imperfekte: Je professioneller die Inhalte werden, desto mehr sehnen sich Menschen nach Authentizität», sagt Zeitoune. Gerade vergessene Clips erinnern daran, was Youtube war: eine Plattform für alle, nicht nur für wenige. Ein Ort, an dem ein Mädchen mit Pfeilbogen genauso viel Sendezeit bekommt wie ein Star aus Hollywood – und manchmal sogar mehr.