Risikopatienten erzählen
«Die Angst vor einer Ansteckung ist immer präsent»

Das Coronavirus ist besonders gefährlich für Risikopatienten. Auch einige unserer BLICK-Leser gehören zu ihnen. Sie erzählen uns, wie sie mit der momentanen Situation umgehen und den Alltag bestreiten.
Publiziert: 12.03.2020 um 13:50 Uhr
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Wie Redaktor Peter Padrutt gehören manche BLICK-Leser zu den Risikopatienten. Wir konnten mit einigen von ihnen über ihre Situation sprechen.
Foto: Thomas Meier

Einige Leserinnen und Leser kommentierten den Artikel von Redaktor Peter Padrutt im SonntagsBlick und teilten uns mit, dass auch sie zur Risikogruppe gehören. Sie machen sich Sorgen.

Anita Meier* (58) hat Asthma und ein geschwächtes Immunsystem. Sie leidet an der Krankheit MCS (Multiple Chemical Sensitivity), einer Chemikalien-Unverträglichkeit. Ihr Immunsystem reagiert deshalb auf etliche Chemikalien und Umweltschadstoffe, zum Beispiel Zigarettenrauch oder Abgase. Als Folge kann sie nicht mehr richtig atmen, hat Kreislaufbeschwerden oder Hautausschläge.

Die Krankheit schränkt Anitas Leben schon seit vielen Jahren ein, die Verbreitung des Coronavirus hat ihre Situation aber zusätzlich verschärft.

«Es ist dramatisch»

Anita ist Klavierlehrerin und Organistin. Sie hat aufgehört zu arbeiten, um eine Ansteckung zu vermeiden. Auch zu ihrer Tochter musste sie bereits vor zwei Wochen den persönlichen Kontakt unterbrechen, da diese aufgrund ihres Medizinstudiums oft in Spitälern ist. Eine Ansteckung wäre für Anita dramatisch.

In der Schweiz ist MCS bisher nicht anerkannt, was ein Problem darstellt. Anita sagt, es gebe keinen wirklichen Zugang zu Hilfe und zu wenig Ärzte, die über die Krankheit Bescheid wüssten. Deshalb hat Anita manchmal Angstzustände. Sie weiss nämlich nicht, wohin sie gehen könnte, sollte sie sich anstecken. Ein Spitalaufenthalt sei aufgrund der Krankheit «ein Ding der Unmöglichkeit», sagt Anita. Die meisten MCS-Patienten könnten im Extremfall kein Spital aufsuchen. Sie würden dort praktisch auf alles reagieren, beispielsweise auf Desinfektionsmittel, erzählt Anita.

«Ich fühle mich wie eingesperrt»

Anita bleibt also zu ihrem Schutz nur noch zu Hause. «Ich fühle mich wie zu Hause eingesperrt», sagt Anita über ihre Situation. Sie hat Mühe und weiss nicht, wie sie ihren Alltag gestalten soll.

Auch Marco Ackermann (55) und seine Frau gehören zur Risikogruppe, da beide an Diabetes und Bluthochdruck leiden. Er sagt, eine «gewisse Angst ist vorhanden», seit sich das Virus in der Schweiz verbreitet.

«Die Angst vor einer Ansteckung ist immer präsent»

Da er ausgesteuert ist und zu Hause bleibt, kann Marco seinen Alltag einigermassen gut organisieren. Wenn er einkaufen geht, vermeidet er die Stosszeiten. Seine Frau hingegen hat keine Möglichkeit für Homeoffice und muss zur Arbeit, wo sie täglich Kundenkontakt hat. Deswegen befürchtet Marco, dass sie und dadurch auch er sich mit dem Virus anstecken könnten.

Muss Marco aus dem Haus, dann nur noch mit dem Mofa und nicht mehr mit dem öffentlichen Verkehr. Er hat immer ein Desinfektionsmittel bei sich und wäscht sich sofort die Hände, sobald er wieder zuhause ist. «Meine Gedanken drehen sich um das Virus, und die Angst vor einer Ansteckung ist immer präsent», sagt Marco.

Keine einheitlichen Regeln

Auch Klaus Berger* (60) ist verunsichert. Er erlitt letzte Woche seinen zweiten Herzinfarkt, ist seit kurzem Diabetiker und hat Bluthochdruck. Die aktuellen Umstände sind auch für ihn schwierig. Zurzeit ist er krankgeschrieben. In seinem Haus auf dem Land fühlt er sich relativ sicher, da er von der Stadt entfernt ist und keinen ÖV braucht. Seine Frau geht normalerweise mit dem Zug und dem Bus zur Arbeit. Momentan jedoch fährt Klaus sie täglich zur Arbeit und holt sie wieder ab. Damit wollen sie das Risiko einer Ansteckung verringern.

Das Virus löst in Klaus ein Unbehagen aus. Als er letzte Woche im Spital war, fragte er sich, wieso einige Patienten und Angestellte Masken trugen und andere nicht. Er fände es beruhigend, wenn es eine einheitliche Regelung gäbe.

Die Ungewissheit ist das Problem

Klaus sagt, dass man überall auf das Virus aufmerksam gemacht werde. Es sei eine komische und schwierige Situation, da die Dauer des Virus nicht absehbar ist. Was ihn vor allem verunsichert, sind die unterschiedlichen Massnahmen inner- und auch ausserhalb der Schweiz. Er lebt in einer Grenzregion, wo viele Arbeitnehmer aus Deutschland kommen. Dort wurden bis vor kurzem Grossveranstaltungen teils nicht abgesagt. Dies löste in ihm ein schlechtes Gefühl aus.

Deshalb hält er sich an offizielle Empfehlungen, wäscht sich regelmässig die Hände, hält mehr Abstand zu Menschen und sagt: «Das Ländliche hilft mir, gelassen zu bleiben.»

* Name von der Redaktion geändert

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