«Ich erinnere mich an Bäume und Blumen»
7:26
Suzanne K. (74) ist taubblind:«Ich erinnere mich an Bäume und Blumen»

Kommunikations-Assistentin Antoinette beantwortet Community-Fragen
«Das Wichtigste ist, die Menschen mit Würde und Respekt zu behandeln»

Antoinette Fehr arbeitet als Kommunikations-Assistentin. Sie unterstützt mit ihrer Arbeit auch taubblinde Menschen wie Suzanne K. Der Blick-Community beantwortet sie Fragen zu ihrer Arbeit.
Publiziert: 16.03.2023 um 10:49 Uhr
|
Aktualisiert: 16.03.2023 um 11:39 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/4
Antoinette Fehr ist Kommunikationsassistentin.
Foto: STEFAN BOHRER

Antoinette Fehr (66) arbeitet seit zwölf Jahren als Kommunikationsassistentin. Vorher war sie bereits acht Jahre als freiwillige Mitarbeiterin tätig. Sie unterstützt blinde und taube Menschen mit Lormen und Gebärdensprache. Beim Lormen werden einzelne Buchstaben durch Berührungen auf der Handfläche und den Fingern getippt. Diese Art von Kommunikation wird vor allem von taubblinden Menschen genutzt.

Der Blick-Community beantwortet Antoinette Fehr Fragen zu ihrer Arbeit als Kommunikations-Assistentin.

«Was gibt dir deine Arbeit?»
Antoinette:
Die Arbeit ist sehr befriedigend. Ich erlebe so viel Dankbarkeit, viele Klienten und Klientinnen schätzen bereits Kleinigkeiten, die für mich selbstverständlich sind. Die Lebensfreude der Klientinnen ist ansteckend. Es ist bewundernswert zu sehen, wie sie mit ihren Hürden und Hindernissen umgehen. Ich finde, ich habe einen tollen Beruf.

«Was sind die grössten Herausforderungen?»
Emotionen. Besonders bei Klienten, die man lange begleitet, ist es schwierig, sich emotional nicht zu stark zu involvieren. Ich habe eine Klientin mit Krebs und bin bei allen Untersuchungen dabei und übersetze. In solchen Situationen kann es schwer sein, neutral zu bleiben. Die Schicksale berühren.

«Was machst du, wenn die Chemie mit Klienten nicht stimmt?»
Bisher ist es nur einmal passiert, dass ich eine Klientin abgeben musste. Natürlich gibt es immer wieder herausfordernde Situationen. Ich begleite Menschen in allen möglichen Lebenslagen. Manche hadern mit ihrem Schicksal, verspüren Wut oder grosse Trauer. Ich sage mir dann, dass auch dieser Tag vorbeigeht und gebe mein Bestes. Ich muss aber sagen, man tut sich und den Klienten keinen Gefallen auszuharren. Es können ganz kleine Sachen sein, die nicht optimal passen, die aber längerfristig zu Spannungen führen können.

«Was war das speziellste Erlebnis, das du je hattest?»
Ich habe zwei. Meine erste Ferienbegleitung als freiwillige Mitarbeiterin: Ich habe erst ein paar Monate vorher überhaupt angefangen und bin gleich 14 Tage als Ferienbegleitung in einer Gruppe mitgefahren. Die Menschen haben mich während diesen zwei Wochen so berührt. Am Schluss der Ferien war ich so emotional, dass mir fast die Tränen gekommen sind.

Mein zweites Erlebnis war auch in den Ferien, aber nicht in einer Gruppe. Meine Klientin und ich haben eine Rundreise ans Meer gemacht. Für meine Klientin war es das erste Mal, dass sie am Meer war. Ich habe zu ihr gesagt, komm, wir baden deine Füsse im Meer und der Ausdruck auf ihrem Gesicht war einmalig. Sie hat gestrahlt. Das war fantastisch. Sie hat nicht alles gesehen, aber gespürt. Ich habe ihr beschrieben, wie das Meer aussieht und wie gross es ist. Die Klientin hat sich so fest gefreut, dass sie mich einfach umarmt hat. Diese Emotionen waren unglaublich.

«Wer bezahlt dich für deine Einsätze?»
Wenn ich als Kommunikationsassistentin arbeite, werde ich vom Schweizerischen Zentralverein für das Blindenwesen (SZBlind) auf Stundenbasis bezahlt. Als freiwillige Mitarbeiterin arbeite ich unentgeltlich.

«Hast du einen Tipp, wie wir mit Menschen mit einer Sinnesbeeinträchtigung umgehen sollen?»
Möglichst normal. Am Anfang habe ich auch versucht, mich zu verändern und immer ernst zu sein. Ich habe aber schnell gemerkt, dass ich einfach ich sein muss. Ich erzähle gerne Witze und die meisten Klientinnen schätzen das sehr. Selbstbestimmung ist sehr wichtig. Ich bestimme nicht für die Klienten. Ich kann nachfragen und sie abholen, aber nicht bevormundend. Was ich aber mache, wenn ich zum Beispiel im Restaurant sehe, dass jemand einen Flecken auf der Bluse hat, teile ich das mit und biete diskret meine Hilfe an. Das Wichtigste ist, die Menschen mit Würde und Respekt zu behandeln. Und sie zu integrieren.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?