Viele Schweizer und Schweizerinnen haben den Eindruck, dass der Wohlstand beim Einzelnen in der Schweiz in den letzten Jahren gesunken ist. Sie glauben, dass die glücklichen Babyboomer in den 1980er- und 1990er-Jahren wesentlich besser dran waren. Das Amt für Wirtschaft des Kantons Zürich (AWI) hat untersucht, wie sich der Wohlstand in Zürich und der Schweiz über die Jahrzehnte entwickelt hat. Laut Luc Zobrist (37), Leiter Volkswirtschaft beim AWI, wurde der tatsächliche Wohlstandszuwachs in den letzten 30 Jahren deutlich unterschätzt.
Das Zürcher Bruttoinlandprodukt (BIP) wuchs inflationsbereinigt von 1991 bis 2022 durchschnittlich um 1,8 Prozent pro Jahr. In der gleichen Zeit stieg das BIP pro Kopf inflationsbereinigt von 81'000 Franken auf 104'000 Franken an – also um 0,8 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Schweizweit war das Wachstum in den letzten 15 Jahren etwas höher, wodurch der Rückstand auf Zürich kleiner wird. 2022 betrug das Schweizer BIP pro Kopf 84'700 Franken.
Das meint die Community
Die Mehrheit der Community spürt aber keinen direkten Nutzen vom gestiegenen Wohlstand. Im Gegenteil, sie hat das Gefühl, dass die Schere zwischen Arm und Reich so weit auseinander wie noch nie zuvor klaffe. Ein paar vereinzelte Stimmen geben jedoch zu, dass es ihnen tatsächlich bessergeht. Einige sehen auch das Problem in den zu hohen Ansprüchen der Schweizer und Schweizerinnen, insbesondere in Bezug auf Urlaub und Konsum.
Leser Greg Benz ist überzeugt, dass der Wohlstand in der Schweiz früher besser war: «In den 80er-Jahren habe ich mehr verdient, mehr ausgegeben und bin viermal im Jahr in die USA gereist.» Ausserdem habe er weniger für Miete und Krankenkasse bezahlt. Im Vergleich zu heute gehe es ihm finanziell schlechter.
Alois Leimgruber teilt diese Ansicht: «Die besten Zeiten erlebten wir in den 90er-Jahren. Die Mieten waren günstig, die Krankenkassenprämien niedrig, und es war noch möglich, ein Haus anzusparen, was heutzutage nicht mehr der Fall ist.»
Und Leserin Karin Merz findet sogar: «Es sieht so aus, als würden die Reichen immer reicher werden und die Ärmeren immer ärmer.» Die Schere zwischen ihnen sei grösser als je zuvor.
Auch für Roland Reinhard ist die Studie meilenweit von der Realität entfernt: «Für mich bedeutet Wohlstand, sich wohlzufühlen.» In einer überbevölkerten Schweiz fühle er sich nicht mehr wohl. «Vielleicht arbeite ich statistisch weniger, aber ich erlebe mehr Stress aufgrund der ständigen Erreichbarkeit», erklärt er.
«In vielen Aspekten geht es uns besser als früher»
Im Gegensatz dazu scheint Leserin Nadin Christener den gestiegenen Wohlstand in der Schweiz deutlich zu spüren: «Hand aufs Herz, es geht uns wirklich in vielerlei Hinsicht besser als früher.»
Tanja Berger hingegen meint: «Das eigentliche Problem ist doch, dass heutzutage der Eindruck entsteht, man sei bettelarm, wenn man sich nicht mindestens einmal im Jahr eine Fernreise leisten kann und jede Woche auswärts essen geht.» Das habe sich verändert.
Und Maria Dolores ist der Ansicht: «Wenn der Wohlstand ausschliesslich auf finanzielle Aspekte reduziert wird, trifft die Aussage zweifellos zu.» Doch wenn man die Verteilung des Wohlstands oder den psychischen Zustand der Bevölkerung betrachte, ergebe sich ein anderes Bild.