Von Jessica Pfister (Text) und Monika Flückiger (Fotos)
Die dreijährige Saysaban erobert das Herz von Nubya (45) im Sturm. «So ein Schnügel», sagt die Basler Sängerin, als ihr das syrische Mädchen mit den neugierigen Knopfaugen die Küche ihres Provisoriums im Flüchtlingslager Sahel Akkar im Nordlibanon zeigt. Nubya hilft Saysabans Mutter Aziz Abdallah (30) das Lebensmittelpaket des Schweizerischen Roten Kreuzes auszupacken. «Die mag ich am liebsten», sagt Saysaban und streckt der Schweizerin eine Packung Spaghetti entgegen.
Als Botschafterin des SRK ist Nubya zum ersten Mal in den Libanon gereist. Der achtjährige Bürgerkrieg im Nachbarland Syrien, der bisher über 500 000 Menschenleben kostete und 1,5 Millionen zur Flucht in den Libanon trieb, beschäftigt sie. «Viele Kinder wachsen heimatlos auf, das macht mich traurig.» Auf der anderen Seite sei sie beeindruckt von den Libanesen. «Sie sind so hilfsbereit trotz der grossen Last, die sie tragen.»
Das Libanesische Rote Kreuz unterstützt nicht nur Flüchtlinge, sondern auch benachteiligte heimische Familien und verteilt jeden Monat 2100 Lebensmittelpakete – rund die Hälfte finanziert aus der Schweiz. «Dank dieser Hilfe haben wir bis 20 Tage zu essen», sagt Aziz Abdallah.
Ihre älteste Tochter Inass (10) war ein Jahr alt, als die Familie aus Hama im Süden Syriens flüchtete. «Die Bomben haben unser Haus zerstört und unsere Schafe getötet», erzählt Aziz Abdallah. Obwohl die Lebensbedingungen im Flüchtlingslager mit heissen Sommern und kalten, regenreichen Wintern schwierig sind – eine Rückkehr in die Heimat kann sie sich zurzeit nicht vorstellen. «Ich fürchte um die Sicherheit meiner Kinder.»
Vom Flüchtlingslager, das nur wenige Meter und ein Fluss von Syrien trennt, kann Inass mit dem Bus zur Schule fahren. «Ich möchte Ärztin werden», erzählt sie Nubya. 50 Dollar muss die Familie pro Monat für den Transport bezahlen. Hinzu kommen die Kosten für Miete, Wasser und Strom. Abdallahs Mann arbeitet zwar auf den Feldern in der Umgebung – kriegt dafür aber nur ein mageres Gehalt von zwei Dollar pro Tag. «Ohne Hilfe könnten wir nicht überleben», sagt Abdallah.
Kein anderes Land hat pro Kopf mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen, als der Libanon. Im Mittelmeerstaat, der im Norden an Syrien und im Süden an Israel grenzt, ist jeder vierte der sechs Millionen Einwohner ein Flüchtling. Die Mehrheit lebt in den rund 1900 improvisierten Zeltlagern. Gleichzeitig ist das Land stark unter Druck. Libanon – ein Viertel so gross wie die Schweiz – hat einen langjährigen Bürgerkrieg hinter sich und zudem 300 000 palästinensische Flüchtlinge aufgenommen.
Kein anderes Land hat pro Kopf mehr syrische Flüchtlinge aufgenommen, als der Libanon. Im Mittelmeerstaat, der im Norden an Syrien und im Süden an Israel grenzt, ist jeder vierte der sechs Millionen Einwohner ein Flüchtling. Die Mehrheit lebt in den rund 1900 improvisierten Zeltlagern. Gleichzeitig ist das Land stark unter Druck. Libanon – ein Viertel so gross wie die Schweiz – hat einen langjährigen Bürgerkrieg hinter sich und zudem 300 000 palästinensische Flüchtlinge aufgenommen.
Vom flachen Landwirtschaftsland gehts vorbei an Zedernbäumen in die Berge nach Mishmish, Arabisch für Aprikose. Im Gegensatz zu Sahel Akkar ist es hier im Sommer angenehm kühl – dafür liegt im Winter meterhoch Schnee.
Safia Ahmad Jahdo (29) empfängt Nubya mit einem warmen Lächeln in ihrer kargen Zweizimmerwohnung mit Betonböden, Plastikstühlen und einem wackligen Tisch. Jahdo ist mit ihrer Familie 2013 aus Syrien geflüchtet. Ihr Mann Abed Albaset Kadour, 39, ist bei einem Luftangriff schwer verletzt worden und lag vier Monate im Koma. Seither leidet er an Konzentrationsschwierigkeiten, fällt oft in Ohnmacht. In der Schweiz wäre es ein Fall für die IV. Hier muss seine Frau alleine für die Familie mit drei Kindern sorgen.
Stolz zeigt sie Nubya eine Nähmaschine, die ihr eine Nachbarin geschenkt hat. «Für drei Dollar pro Tag flicke ich Kleider.» Das reicht gerade mal, um frisches Brot zu kaufen. Deshalb erhält sie und andere armutsbetroffene Familien 175 Dollar monatlich vom SRK auf eine Kreditkarte überwiesen. Damit kauft sie Essen auf dem lokalen Markt und bezahlt die Miete. «Eine grosse Entlastung, doch sparen kann ich damit nichts», sagt Jahdo. Ihr jüngster Sohn Rawad (4) ist Autist und bräuchte eine professionelle Betreuung. «Alles, was ich mir wünsche, ist eine bessere Zukunft für meine Kinder.» Nubya bewundert die Stärke der Frauen. «Wie sie mit ihrem Schicksal umgehen, verdient höchsten Respekt.»
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