Es hört sich wie ein ganz arg schlechter Scherz an, war aber bitterster Ernst: Während der Nachtschicht erleidet ein 59-jähriger VW-Arbeiter in einem Werk in Wolfsburg (D) einen Herzinfarkt und stirbt kurz darauf an seinem Arbeitsplatz.
Doch statt den Betrieb einzustellen, läuft die Produktionslinie einfach weiter – die Leiche beim Band wird notdürftig mit einer Plane abgedeckt.
Gabs pietätlose Sprüche?
Der Mann starb bereits im Dezember. Erst jetzt sorgt der Artikel «Grenzenlos pietätlos» auf Social Media für scharfe Kritik. In dem Bericht, der in der VW-Mitarbeiterzeitung «Vorwärtsgang» erschienen sein soll, heissts, der Verstorbene sei zwei Stunden am Band liegen geblieben – verborgen hinter Material-Kisten.
Kollegen hätten am Leichnam vorbei gemusst, um Materialen zu holen. Als die Mitarbeiter sich beschwert hätten, habe ihr Vorgesetzter sie mit den Worten «Der ist eh tot, der merkt nichts mehr!» zurück zur Arbeit am Band geschickt.
Niemand habe es gehört
VW streitet die Vorwürfe teilweise ab. Gegenüber «RegionalHeute.de» erklärte ein Sprecher, Zeitung und Artikel seien VW bekannt, es handle sich jedoch nicht um eine Mitarbeiterzeitung. VW spricht von einem Infoblatt der Marxistisch-Leninistischen Partei Deutschlands. Jene verneint, den Artikel verfasst zu haben.
Von pietätlosen Sprüchen will man in Wolfsburg nichts wissen: Man habe sich sowohl mit dem Vorgesetzten als auch mit Mitarbeitern der Nachtschicht unterhalten, von denen niemand diese Aussagen gehört oder gemacht habe.
Arbeiten neben dem Toten
Was VW auf Nachhaken des Portals bestätigt, ist, dass die Produktion am Band zehn Meter neben dem Leichnam weiterlief. Man habe den Verstorbenen aber nicht hinter Material versteckt, «sondern mit Fahrzeugen des Werkschutzes von Beginn der Wiederbelebungsversuche bis zum Abtransport durch die Bestatter einen Sichtschutz gebildet», um Gaffer zu blocken und Fotos zu verhindern.
Dass der Tote über zwei Stunden an der Linie gelegen habe, sei der rechtlichen Seite geschuldet: Bei unklarer Todesursache dürfe der Leichnam erst bewegt werden, wenn die Polizei ihre Arbeit abgeschlossen habe. Die Produktion zu stoppen, hätte sich laut VW zudem auf Bänder davor und dahinter ausgewirkt. Unter industriellen Umständen ginge sowas nicht. «Ein Flugzeug fliegt ja auch weiter, wenn darin jemand stirbt», ergänzte ein VW-Sprecher.