Zwei identische VW Golf machen aus Tempo 80 auf nasser Strasse eine Vollbremsung. Das erste Fahrzeug steht nach 52,2 Metern, das zweite nach 56,7 Metern still. Ich schaue mir die Reifen an: Der Golf mit kürzerem Bremsweg hat bis zum gesetzlichen Minimum von 1,6 Millimeter abgefahrene Reifen von Michelin drauf. Der andere Golf dagegen neue Reifen eines Mitbewerbers! Ich staune.
Rutschige Sache
Leider reagiert nicht jeder gebrauchte Reifen so gut wie jener von Michelin auf Nässe. Ein guter, gebrauchter Alltagsreifen eines anderen Mitbewerbers braucht 73 Meter Bremsweg! Auch in den Kurven bieten solche Reifen kaum Grip. Auf abgefahrenen Reifen fehlt mir auf dem Handlingparcours jegliches Vertrauen ins Auto. Das ESP muss ständig eingreifen.
In einer Kurve rutsche ich gar schon bei 30 km/h über alle vier Räder. Mit neuen Mitbewerber-Reifen funktionierts deutlich besser. Am meisten Vertrauen habe ich aber in den gebrauchten Michelin-Reifen. Die Lenkung gehorcht, und das ESP ist arbeitslos.
Vorteil gebrauchter Reifen
«Manche Reifenhersteller sind so auf den Bremstest für Neureifen fokussiert, dass sie die Langlebigkeit vernachlässigen», erklärt Michelin-Projektleiter Pierre Robert. «Deshalb verlangen wir einen Bremstest auch für abgefahrene Gummis!» Wegen nachlassender Bremsleistung auf Nässe schlagen heute viele Garagisten ihren Kunde einen Pneuwechsel vor, bevor das Profil das gesetzliche Minimum erreicht hat. Dabei haben gebrauchte Reifen auch Vorteile: Sie bremsen auf trockener Strasse besser und senken den Verbrauch (weniger Rollwiderstand).
«Mit der richtigen Gummimischung, Profil-Form und Kontaktfläche lässt sich ein Reifen langlebiger machen», sagt Robert. Dann könnten Kunden ihre Reifen auch bedenkenlos bis zum gesetzlichen Minimum abfahren. Robert: «Das schont die Umwelt und die Brieftasche der Kunden.» Und: «Alle europäischen Autofahrer könnten so bis zu 7,7 Milliarden Franken sparen.»