SoBli: Bevor Sie in die Schweiz kamen, waren sie über sechs Jahre lang Chef von Mercedes-Benz France. Ein grosser Unterschied?
Marc Langenbrinck: Frankreich ist ein Kleinwagen- und Dieselmarkt. In der Schweiz, so meine Wahrnehmung, geniessen es die Kunden, sich ein Premiumfahrzeug zu leisten – vollausgestattet und gut motorisiert. Gemessen an den Durchschnittspreisen unserer verkauften Neuwagen gehört der Schweizer Markt weltweit zu den Top Five.
Wie gefällt Ihnen die Schweiz?
Super. Wenn es hier jemandem nicht gefällt, kann ich es nicht verstehen. Die Schweiz hat eine sehr gesunde Struktur. Ich habe noch nie in einem Land gelebt, bei dem der Alltag so unpolitisch ist. Auf der anderen Seite führt die direkte Demokratie dazu, dass der durchschnittliche Schweizer politisch sehr aktiv ist. Da werden mit einer hohen Kenntnis Diskussionen geführt, die ich mir in Frankreich auch gewünscht hätte.
Ein Beispiel?
Die No-Billag-Initiative. Ich weiss nicht, in welchem anderen Land das Volk mehrheitlich dafür ist, weiterhin für etwas zu zahlen, das man auch gratis haben kann. In Frankreich hätte es dafür gar keine Abstimmung gebraucht, dort hätte eine grosse Mehrheit die Weiterzahlung abgelehnt.
Wachstum und E-Mobilität
Was sind die Herausforderungen eines Länderchefs?
Vor allem das operative Geschäft. Wir sind jetzt Nummer 1 im Premiumsegment, und diese Position wollen wir behalten. In den letzten fünf Jahren haben wir über 70 Prozent Volumen zugelegt – das ist Herausforderung und Verpflichtung zugleich. Wir wollen weiterhin wachsen, ja wir müssen weiterhin wachsen. Nur so kann der Konzern die Investitionen für die Elektromobilität, die Digitalisierung, das autonome Fahren oder die neuen Mobilitätskonzepte wie Carsharing aufbringen.
Apropos E-Mobilität. Wie wird sie das Autogeschäft beeinflussen?
Die E-Mobilität ist ein anderes Geschäft. Der Pflege- und Wartungsaufwand ist kleiner, was ein reduziertes Serviceaufkommen für unsere Händler bedeutet. Wir denken bereits über neue Dienstleitungen nach – etwa Updates per Handy zur Leistungssteigerung usw.
Wie hoch wird der E-Anteil in zehn Jahren sein?
Bis 2025 setzte sich der Konzern das Ziel, den E-Anteil im Neuwagengeschäft auf 15 bis 20 Prozent zu steigern – bei Smart und bei Mercedes. Der Weg zur E-Mobilität ist aber wie ein moderner Zehnkampf. Er ist hart, und man muss alle Disziplinen beherrschen. Darüber hinaus verlangt der Weg dahin allen Marktteilnehmern viel Ausdauer ab.
Premiumanspruch und Preise
Gerade in der kleinen Schweiz sind dem Wachstum aber Grenzen gesetzt.
Ein Schweizer Freund hat mir erklärt, dass die Schweiz kein kleines Land ist, nur anders strukturiert. Würde man die Schweiz samt ihren Bergen flach bügeln, wäre sie so gross wie Deutschland… Scherz beiseite: Weiteres Wachstum ist auch in der Schweiz möglich, aber wir müssen immer intensiver nach Quellen suchen. Weltweit haben wir hier einen der höchsten Marktanteile von Mercedes erreicht. Dass wir diese super Position für immer behalten können, muss aber nicht zwingend sein.
Sie wollen immer mehr Autos verkaufen. Passt ihr Premiumanspruch mit den hohen Stückzahlen zusammen?
Natürlich. Premium ist, wenn der Kunde bereit ist, für eine genau definierte Leistung in einer hochwertigen Ausprägung ein Premium zu zahlen. Premium ist keine Frage des Segments, sondern eine Frage der Markenleistung.
Ihnen wird unterstellt, dass sie den Markt mit Dumpingpreisen kaufen?
Wenn das stimmen würde, müssten wir massive Schwierigkeiten haben, die vorgegebene Konzernrendite zu erzielen. Das ist weder in der Schweiz noch auf der ganzen Welt der Fall. Mit Sicherheit haben wir eine Preispolitik, die dem Markt entspricht. Natürlich ist das Preisthema wichtig und auch im Premiumsegment angekommen. Wir haben zum Glück einen super Mix aus Modellen und Verkaufskanälen, die es uns erlauben, unsere Ziele zu Volumen und der Rendite zu erreichen. Das ist eine Verpflichtung, denn wir haben international rund 300'000 Mitarbeiter in unserem Unternehmen, die ihre Familien ernähren müssen. Da bleibt kein Raum für kurzfristige Interessen.
Modellvielfalt und Ausblick
Gibts nicht irgendwann zu viele Modelle. Kunden und Händler scheinen zum Teil bereits überfordert.
Früher waren drei Baureihen für unsere Industrie eine grosse Herausforderung. Heute haben wir 18 und können das bewerkstelligen. Der Mensch ist zum Glück lernfähig und wir haben die besten Spieler in unserem Team. Aber ja, der Schulungsaufwand für unsere Händler ist enorm, und es braucht immer mehr Kapital. Es wird sicher komplexer und wird nicht aufhören, denn der Kunde will eine Auswahl, die seinen Premiumansprüchen gerecht wird.
Was erwarten Sie vom Jahr 2018 in der Schweiz?
Für den Gesamtmarkt sehen wir eine Konsolidierung auf hohem Niveau mit einem kleinen Wachstum im einstelligen Prozentbereich. Grundsätzlich wird der Wettbewerb noch härter werden. Wir selbst wollen im Premiumbereich an der Spitze bleiben – nicht nur 2018. Gerade mit der neuen A-Klasse sind wir gut aufgestellt, denn sie ist ein tolles Volumenmodell mit einer Technologie, die seinesgleichen sucht.
Der 49-Jähirge wurde in Freiburg im Breisgau (D) geboren und ist deutscher und französischer Staatsangehöriger. Er besitzt einen Uni-Abschluss in Strategie und Marketing sowie als Diplomkaufmann und trat 1995 als Trainee bei Mercedes-Benz AG in Stuttgart ein. Nach diversen Stationen im Daimler-Konzern wurde er 2007 zum Director Global Fleet der Mercedes-Benz Cars berufen. 2009 wurde er Direktor von Smart, ab 2011 in Frankreich Managing Director Mercedes-Benz Cars und ab 2014 Gesamtverantwortlicher für Mercedes-Benz France. Seit Oktober 2017 ist er Chef von Mercedes-Benz Schweiz und gleichzeitig verantwortlich für die Marke Mercedes-Benz Cars. Marc Langenbrinck ist verheiratet, hat drei Kinder, und betreibt in seiner Freizeit Ski, Tennis und «ein bisschen» Golf.
Der 49-Jähirge wurde in Freiburg im Breisgau (D) geboren und ist deutscher und französischer Staatsangehöriger. Er besitzt einen Uni-Abschluss in Strategie und Marketing sowie als Diplomkaufmann und trat 1995 als Trainee bei Mercedes-Benz AG in Stuttgart ein. Nach diversen Stationen im Daimler-Konzern wurde er 2007 zum Director Global Fleet der Mercedes-Benz Cars berufen. 2009 wurde er Direktor von Smart, ab 2011 in Frankreich Managing Director Mercedes-Benz Cars und ab 2014 Gesamtverantwortlicher für Mercedes-Benz France. Seit Oktober 2017 ist er Chef von Mercedes-Benz Schweiz und gleichzeitig verantwortlich für die Marke Mercedes-Benz Cars. Marc Langenbrinck ist verheiratet, hat drei Kinder, und betreibt in seiner Freizeit Ski, Tennis und «ein bisschen» Golf.