E-Mobilitätsleiterin Daniela Sauter von den EKZ im Interview
«Bei vielen E-Autos gleichzeitig hätten wir zu wenig Leistung»

Die Zukunft gehört den Elektroautos: Davon ist – schon berufsbedingt – die Leiterin E-Mobilität von den EKZ, Daniela Sauter, überzeugt. Die Schweiz sei beim Thema bereits gut aufgestellt – Probleme könnte allerdings das Stromnetz bereiten.
Publiziert: 28.03.2021 um 14:00 Uhr
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Aktualisiert: 03.01.2022 um 13:18 Uhr
Daniela Sauter, Leiterin E-Mobilität bei den EKZ, ist von einer elektrischen Zukunft auf unseren Strassen überzeugt.
Foto: zVg
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Interview: Andreas Engel

BLICK: Frau Sauter, würden Sie als Leiterin E-Mobilität bei den EKZ heute schon jedem Schweizer Autofahrer ein E-Fahrzeug empfehlen?
Daniela Sauter: Zuerst kommt es auf die jeweilige Wohnsituation an. Kann ich mein E-Auto zu Hause oder am Arbeitsplatz laden? Oder bin ich auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen? Rund 90 Prozent der Ladevorgänge werden im Privaten vorgenommen und das ist durchaus sinnvoll, weil man Zuhause oder im Büro die Standzeiten als Ladezeiten nutzen kann. Ausserdem macht es auch preislich einen grossen Unterschied: Je nach öffentlicher Ladestation kann eine Kilowattstunde schnell mehr als doppelt so viel wie Zuhause kosten, und es kommen teils auch noch Kosten für die Standzeiten dazu. Neben der Kostenfrage ist aber festzuhalten, dass elektrisch fahren auch ökologischer ist.

Gibt es weitere Hürden?
Heutige Elektroautos sind in der Anschaffung noch etwas teurer als ein vergleichbares Auto mit Verbrenner. Laut einer Studie von Marktanalyst Bloomberg wird es 2024 aber zu einer Preisparität bei den Investitionskosten kommen – gleich grosse Autos werden dann, egal ob Elektro- oder Verbrennungsmotor, gleich viel kosten. Es kommt also noch aufs jeweilige Budget des Käufers an und wie das Auto genutzt werden soll. Wobei heutige E-Autos Reichweiten zwischen 300 und 500 Kilometern aufweisen und sich gut für längere Strecken eignen.

Zur Person: Daniela Sauter

Daniela Sauter-Kohler (43), Leiterin Business Development E-Mobilität, ist Expertin für Ladelösungen in Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ). Mit ihrem Team unterstützt sie Kunden beim Umstieg auf Elektromobilität. Die ausgebildete Wirtschaftsingenieurin arbeitet seit acht Jahren bei den EKZ.

zVg

Daniela Sauter-Kohler (43), Leiterin Business Development E-Mobilität, ist Expertin für Ladelösungen in Mehrfamilienhäusern und Gewerbebauten bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ). Mit ihrem Team unterstützt sie Kunden beim Umstieg auf Elektromobilität. Die ausgebildete Wirtschaftsingenieurin arbeitet seit acht Jahren bei den EKZ.

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Man liest immer wieder, dass viele Länder – auch die Schweiz – für die E-Mobilität noch gar nicht bereit seien, weil die öffentliche Infrastruktur fehle. Teilen Sie diese Einschätzung?
Nein, bei der öffentlichen Ladeinfrastruktur ist die Schweiz recht gut aufgestellt. Öffentliche Ladesäulen, insbesondere Schnellladestationen, sind dann wichtig, wenn man grosse Distanzen zurücklegen möchte – etwa bei der Fahrt in die Ferien. Dort kann die Batterie innerhalb von 20 bis 30 Minuten wieder zu 80 Prozent aufgeladen werden. Bereits Ende 2018 gab es in der Schweiz über 5000 öffentliche Ladepunkte. Zudem hat der Bund entschieden, ein flächendeckendes Schnellladenetz entlang der Nationalstrassen aufzubauen – für über 100 Standorte wurde schon eine Konzession verteilt. Damit wird die Schnellladeinfrastruktur weiter verdichtet.

Wo sehen Sie Nachholbedarf?
Die Anbieter von Elektroautos müssen noch stärker darauf eingehen, wo ihre Käufer wohnen. Oft werden E-Autos heute zusammen mit einer herstellereigenen Ladestation geliefert. Die sind im Einfamilienhaus auch bestens einsetzbar. Wenn die Kunden allerdings in einem Mehrfamilienhaus mit vielen Tiefgaragenplätzen wohnen, wird es komplizierter mit dem Laden.

Inwiefern?
Die einzelnen Ladestationen, sogenannte Wallboxen, müssen über ein Lademanagement intelligent gesteuert und abgerechnet werden. Dazu müssen die Stationen herstellerunabhängig untereinander kommunizieren können – egal ob die Station von Audi, Mercedes oder VW kommt. Und es muss ein zertifizierter Zähler integriert sein, um die Daten am Schluss auch abrechnen zu können. Beides fehlt aber noch bei vielen Wallboxen.

Man liest in letzter Zeit immer wieder von smarten Dingen wie Smart Grid, Smart City, Smart Energy, Smart Mobility. Wie smart ist die Schweiz denn schon heute?
Die EKZ sind heute schon zu einem gewissen Grad smart unterwegs, indem bei unserem Lademanagement die Stationen untereinander kommunizieren und so eine Gleichverteilung der verfügbaren Energie zwischen den ladenden Autos stattfinden kann. Der nächste Schritt wäre ein übergeordnetes Energiemanagementsystem, das eine Photovoltaikanlage einbindet. Das System bestimmt dann die Prioritäten: Die Wärmepumpenheizung bekommt zuerst Strom, danach der Boiler und bei genügend Überschuss auch die Ladeinfrastruktur.

Aber das betrifft nur das Netz im Haus.
Eine Anforderung an uns ist schon heute, dass wir die Stationen bei Leistungsengpässen ganz vom Stromnetz nehmen können. Der nächste Schritt in Richtung smartes Netz wäre dann, dass wir unserem System in so einer Ausnahmesituation sagen könnten: Wir nehmen jetzt nicht 100 Prozent unserer Ladeinfrastruktur vom Netz, sondern nur 60 Prozent, um das Netz zu entlasten.

Droht uns bei steigender Anzahl E-Autos denn Stromknappheit?
Wir haben für den Kanton Zürich eine Schätzung erstellt: Würden heute alle Fahrzeuge in unserem Versorgungsgebiet elektrisch fahren und all diese Fahrzeuge würden exakt um 20 Uhr zu Beginn des Niedertarifs mit voller Leistung laden wollen, könnten wir momentan tatsächlich nicht genug Leistung zur Verfügung stellen. Die maximale Last im EKZ-Netz beträgt rund ein Gigawatt – bei diesem Gedankenexperiment bräuchten wir aber eine Leistung von 1,6 Gigawatt. Umso wichtiger sind intelligentes Netz- und Lademanagement, weil solche Leistungsspitzen viel kritischer sind für das Stromnetz als die Energiemenge, die insgesamt von den Fahrzeugen bezogen wird.

Muss ich Angst haben, dass künftig mein Auto nicht geladen wird, wenn zu viele Autos am Netz hängen?
Es kann vorkommen, dass sich bei gleichzeitiger Ladung mehrerer Elektroautos in einer Tiefgarage die Ladezeit verlängert, weil die Leistung reduziert werden muss. Aber: Die durchschnittliche Fahrleistung pro Tag in der Schweiz liegt heute bei 35 Kilometern. Das entspricht etwa acht Kilowattstunden Energie, die in rund einer Stunde geladen werden können. Deshalb kommt die Infrastruktur nicht an ihre Grenzen.

Und wie sieht es mit getimten Laden aus, bei dem das System weiss, wann welcher Besitzer mit seinem Auto losfährt? Ist so etwas heute schon möglich?

Nein, das ist heute noch nicht möglich, aber wir haben dieses Thema auf dem Radar. Heute sprechen wir von etwa zwei bis fünf Fahrzeugen pro Tiefgarage, die geladen werden müssen – da ist die Notwendigkeit für getimtes Aufladen noch nicht gegeben. Mit steigenden E-Auto-Zahlen wird getimtes Laden aber auch angeboten. Wir können uns ebenfalls ein prioritäres Ladesystem vorstellen: Wenn ein Kunde deutlich mehr als 35 Kilometer am Tag zurücklegt und auf das Auto angewiesen ist, ist es ihm vielleicht auch wert, mehr für den Strom zu bezahlen, wenn sein Auto im Gegenzug zuerst und schneller geladen wird. Wir können unser System an solche Kundenanforderungen laufend anpassen und weiterentwickeln.

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