Chipkrise bremst die Hersteller aus
So lange wartet die Schweiz auf Neuwagen

Die Corona-Pandemie hat neben den Krankheitsfällen auch indirekte Folgen für die Autoindustrie: Chipmangel und gestörte Lieferketten verzögern die Fahrzeugauslieferung. Und zwar bei allen Marken – mal mehr, mal weniger.
Publiziert: 20.01.2022 um 05:00 Uhr
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Aktualisiert: 20.01.2022 um 15:59 Uhr
Bereits seit gut einem Jahr sind wegen der Chipkrise sogenannte Halbleiterbauteile knapp, die im Auto in elektronischen Schaltungen benötigt werden.
Foto: ADRIAN BRETSCHER
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Andreas Faust

Chipkrise! Bereits seit gut einem Jahr sind sogenannte Halbleiterbauteile knapp, die im Auto in elektronischen Schaltungen benötigt werden. Ein durchschnittliches Automodell hat etwa 100 Steuergeräte – Mini-Computer, die Verbrennungsmotoren, Getriebe, Parksensoren, den Tempomat, die elektronische Stabilitätskontrolle und vieles mehr steuern. In Elektroautos stecken oft noch mehr.

Derzeit fehlen solche Bauteile. Die Folge: Es können deutlich weniger Autos als geplant vom Band laufen. Die Nachfrage wäre weltweit da, aber die Teile fehlen. Branchenanalysten schätzen, dass 2021 aus diesem Grund zwischen sieben und elf Millionen Autos weniger gebaut wurden, als nachgefragt waren. Damit steigen die Lieferzeiten für beim Garagisten konfigurierte Neuwagen – und manche Modelle oder Versionen sind und waren zeitweise überhaupt nicht lieferbar. Was heisst das für Schweizer Neuwagenkäufer? Blick beantwortet vier wichtige Fragen.

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Was ist eigentlich los?

Hauptgrund für die Lieferausfälle ist die Corona-Pandemie. Chips werden vor allem in Südostasien produziert – und gerade dort reagieren die Behörden besonders restriktiv auf Corona-Infektionen in Unternehmen: Die Fabriken werden einfach einige Wochen geschlossen. Da die Phasen der Pandemie global unterschiedlich sind, kommen diese Werksschliessungen immer wieder in unterschiedlichen Regionen vor. Die Lieferungen sind also nie stetig.

Zudem ist die Autoindustrie mit 10 Prozent Anteil nur ein kleines Licht unter den Abnehmern: Die grossen Stückzahlen an Chips werden für Smartphones, Computer, Haushalts- und Unterhaltungselektronik benötigt – und deren Hersteller oft vorrangig beliefert, wenn die Produktion läuft. Tüpfelchen auf dem i der Krise ist der Mangel an freien Containern am richtigen Ort: Oft klappts nicht mit dem rechtzeitigen Transport. Dabei sind die Autofabriken auf Lieferung zum exakten Zeitpunkt angewiesen, weil es oft keine Lager mehr gibt. Fehlen Teile, stockt sofort die Produktion.

Wie lange sind die Lieferfristen?

Wir haben nachgefragt bei den Schweizer Importeuren: Wie lange muss man auf das meistverkaufte Modell im Programm warten, wenn man heute bestellt? Die meisten Importeure antworten unisono: Zwischen drei und fünf bis sechs Monaten; je nach Modellvariante und Entwicklung der Chipsituation. Und ganz gleich, ob man nun Porsches Bestseller Macan GTS ordert, Skodas Octavia, einen Nissan Qashqai oder den VW Tiguan. Bei Mercedes dauerts derzeit etwas länger: Wer das derzeit meistverkaufte Modell – die A-Klasse – heute bestellt, muss bis zum Spätsommer, also sieben bis acht Monate warten. Und auch bei Volvo dauerts bis zu acht Monate von der Bestellung bis zur Auslieferung beim XC40 P8 Pure Electric.

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Bei Seat und deren Sporttochter Cupra kommts darauf an: «Die Lieferfristen hängen stark von der Konfiguration des Fahrzeugs ab und können darum nicht pauschal angegeben werden», präzisiert PR-Managerin Karin Huber. Dem schliesst sich Peugeot an: «Wir können keine konkrete Lieferfrist für ein Modell angeben, da diese stark nach Ausstattung variiert», sagt PR-Manager Jens Ruckli. BMW kann aufgrund des hohen Individualisierungsgrads der Kundenbestellungen ebenfalls keine allgemeine Angabe machen – jeder Garagist kläre das individuell mit dem Kunden und passe je nachdem die Konfiguration an, wenn sonst die Wartezeit zu lange würde.

Wer kann sich entspannen?

Präzise Angaben scheint derzeit nur Subaru machen zu können: «Wenn ein Kunde ein neues Fahrzeug bestellt, kann ihm der Subaru-Vertreter ziemlich genau die Lieferfrist respektive den Liefertermin bekannt geben und diesen auch einhalten», sagt Peter Bucher von Subaru Schweiz. Bei der Volvo-Tochter Polestar sind die Autos immerhin nach vergleichsweise kurzen sechs bis zwölf Wochen beim Kunden. Audi liefert sein meistverkauftes Modell Q3 ebenfalls innerhalb von zwei bis drei Monaten. Gleichfalls entspannt tönts bei Citroën: Man habe das Angebot vereinfacht und könne für die meistverkauften Modelle eine Lieferfrist von zwei Monaten garantieren.

Generell lässt sich sagen, dass Käufer von Elektroautos bessere Karten haben, ihr Auto rechtzeitig oder mit nur geringer Verzögerung zu bekommen: Emissionsfreie Stromer reduzieren den CO2-Flottenausstoss und mindern so das Risiko von CO2-Strafzahlungen – deshalb werden sie prioritär gebaut, wenn Chips zur Verfügung stehen. Das gleiche gilt für hochpreisige Modelle mit vielen Ausstattungsoptionen, deren hohe Marge für die Hersteller attraktiv ist. So sind bei Audi die Topmodelle wie R8, die RS-Sportversionen und das Elektromodell E-Tron GT uneingeschränkt inklusive Optionen lieferbar.

Gibts Einschränkungen bei den gelieferten Autos?

Immer wieder kolportierten Branchenanalysten in den letzten Monaten, dass sich bei Herstellern nicht komplette Fahrzeuge wegen fehlenden Chips derart türmten, dass die Autos ohne diese Teile ausgeliefert und später kostenlos nachgerüstet würden. In der Schweiz ist dem definitiv nicht so: Kein Importeur liefert unvollständige Autos aus – schon aus Sicherheitsgründen. Allein bei Toyota wurden einzelne Exemplare des Gewerbler-Vans Proace zunächst ohne Bedienteile am Lenkrad übergeben – sicherheitstechnisch war das aber problemlos.

Porsche und auch Audi konnten die Produktion zwar flexibel und damit meist flüssig halten, aber mussten zeitweise Neuwagen ohne Zweitschlüssel ausliefern. Der sei «für die meisten Kunden nicht entscheidend», so Porsche-Sprecherin Inga Konen; und seine Nachlieferung zudem nicht kritisch für Sicherheit und Funktionalität eines Fahrzeugs. Bei Citroën musste lediglich ein Prozent der ausgelieferten Autos 2021 nachträglich mit Ausstattungsdetails nachgerüstet werden. Und Volvo musste nachträglich bei einigen Fahrzeugen den Fusssensor für die elektrische Heckklappe nachrüsten.

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