Concept-Car Dee an der CES in Las Vegas
Dieser BMW spricht mit uns

Je grösser, desto besser: Bei neuen Elektroautos überbieten sich die Marken gegenseitig mit ihren Touchscreens und deren Funktionswirrwarr. BMWs neues Concept Car i Vision Dee soll sich stattdessen in den Fahrer einfühlen und seine Wünsche vorhersehen.
Publiziert: 07.01.2023 um 11:17 Uhr
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Aktualisiert: 07.01.2023 um 11:22 Uhr
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Andreas FaustLeitung Auto & Mobilität

Ich spreche sie einfach mal an. «Hi, Dee», sage ich ins Leere – aber sie reagiert sofort, klimpert mit den Wimpern und antwortet sogar: «Hi, Andreas». Sie kennt mich? Logisch, beim Eintritt in den Saal wurde ich gescannt und mein Avatar abgespeichert. Aber mehr an Smalltalk bringen wir nicht zustande: Sie zwinkert mit den Augenlidern, ich grinse in mich hinein. Wir sollten uns wohl noch besser kennenlernen.

Sie? Natürlich, die Stimme lässt keinen anderen Schluss zu, obwohl Dee ein Auto ist. Mit grossem Pomp inklusive Arnold Schwarzenegger (75) und David Hasselhoff (70) wurde BMWs neues Concept Car i Vision Dee gerade an der Consumer Electronics Show CES in Las Vegas (USA) enthüllt. Dort gehts längst nicht mehr nur um Wäschetrockner und Kaffeemaschinen: Seit die Autoindustrie sich digitalisiert, werden die bahnbrechenden Neuheiten der Branche im Spielerparadies in der Wüste von Nevada präsentiert. Blick durfte vorab schon auf Tuchfühlung mit Dee gehen.

Farbwechsel auf Knopfdruck

Die bleiche Limousine sieht typisch nach einem BMW aus. In der Silhouette wirkt sie gar wie BMWs Modelle der «Neuen Klasse» aus den 1960er-Jahren: Front schräg wie eine Haifischnase, schlankes Heck, Knick in der hinteren Seitenscheibe. Die Anlehnung an Früher ist gewollt. Wie damals die «Neue Klasse» BMW vor der Pleite rettete, soll die neue Neue Klasse ab 2025 die Marke wieder an Spitze der Elektromobilität bringen. Nach dem Frühstart mit dem Karbon-Stromer i3 rollte sie zuletzt Tesla und Co. eher hinterher. Aber scheibchenweise wird nun enthüllt, wie BMW wieder die Überholspur besetzen will.

BMW hat an der Consumer Electronics Show CES in Las Vegas sein neues Concept Car präsentiert.
Foto: Zvg
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Auf den ersten Blick ist an Dee wenig Besonderes. Bis jemand Strom an die Karosserie legt und 240 mit sogenannter E-Ink gefüllte Elemente sich umfärben: Dee wechselt ihr Outfit auf Knopfdruck zu Blau oder Gelb, könnte Botschaften oder Symbole auf der Karosserie einspielen und kann in den Seitenfenstern sogar das Bild der Fahrerin zeigen. Sie spürt gar, wenn sich diese nähert und reagiert dann mit einem Blinzeln ihrer E-Ink-Augen in der Front. Viel wichtiger aber ist das Interieur: Dee steht für Digital Emotional Experience, was nach Werbe-BlaBla tönt, aber eine neue Art der Interaktion von Auto und Fahrer meint.

Was ist E-Ink?

E-Ink ist eine Alternative zu herkömmlichen Bildschirmen mit LED-Technik. Wir kennen sie aus E-Book-Readern: Jeder Quadratzentimeter des Screens enthält unzählige winzige Kugel-Partikel, die je zur Hälfte weiss und schwarz gefärbt sind. Wird ein Stromimpuls angelegt, drehen sich die Kugeln von der weissen auf die schwarze Seite und formen die Buchstaben. Beim Umblättern arrangiert der nächste Stromimpuls die Partikel wieder neu. Vorteil: Während LEDs ständig Strom verbrauchen, braucht E-Ink nur einen winzigen Impuls, ist also viel sparsamer. Nachteil: Lange konnte E-Ink nur zwei Farben darstellen. Aber das ändert sich gerade.

E-Ink ist eine Alternative zu herkömmlichen Bildschirmen mit LED-Technik. Wir kennen sie aus E-Book-Readern: Jeder Quadratzentimeter des Screens enthält unzählige winzige Kugel-Partikel, die je zur Hälfte weiss und schwarz gefärbt sind. Wird ein Stromimpuls angelegt, drehen sich die Kugeln von der weissen auf die schwarze Seite und formen die Buchstaben. Beim Umblättern arrangiert der nächste Stromimpuls die Partikel wieder neu. Vorteil: Während LEDs ständig Strom verbrauchen, braucht E-Ink nur einen winzigen Impuls, ist also viel sparsamer. Nachteil: Lange konnte E-Ink nur zwei Farben darstellen. Aber das ändert sich gerade.

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Fertig für riesige Touchscreens, die so viele Funktionen bieten, dass man sich in den Untermenüs verläuft und ständig abgelenkt wird. «Wir machen Schluss mit der Überforderung im Cockpit», sagt Kay Langer. Früher designte er bei Mini, jetzt zeichnet er für BMWs Innovationsabteilung «i»: «Dee ist unsere Vision, wie ein Auto alle digitalen Möglichkeiten ausschöpfen kann, ohne Menschen zu nerven. Die Technik soll sich an den Menschen anpassen, nicht umgekehrt.» Mit sinnvoller Digitalisierung gäbe es statt dem kalten, glatten Glas der Screens endlich wieder mehr Oberflächen, die anzufassen Spass machen würde: Stoffe, Leder, Holz – das sei wohnlicher und bringe analoges Feeling ins Auto zurück, findet Langer. Der Seitenhieb auf die XXL-Bildschirme bei Mitbewerber Mercedes bleibt unausgesprochen. Aber er ist deutlich zu hören.

Sitzen ist noch verboten

Im Interieur gibts tatsächlich wenig zu sehen. Ich darf nur gucken – Sitzen ist verboten, um das wertvolle Einzelstück nicht schon vor der CES-Premiere zu lädieren. Skurril wirkt das Lenkrad mit zwei vertikal angeordneten Speichen und berührungsempfindlichen Stellen statt normalen Tasten. Sonst gibts keine Bedienelemente – keine Fahrstufenwahl, keine Klimaregler; nicht mal Türöffner oder Sitzverstellung. Sie alle werden unter den Stoffverkleidungen erst sichtbar, wenn der Fahrer die Hand dorthin bewegt, wo er sie erwartet. Dee antizipiert und blendet die Sitzverstellung zum Beispiel in der Türverkleidung ein. Immer verfügbar ist nur der sogenannte Slider in der Mitte: Hier wird in fünf Stufen vorgewählt, wie digital man unterwegs sein will.

Die komplette Frontscheibe kann dabei als Head-up-Display fungieren. In der ersten Stufe schaut das noch ähnlich wie heute aus. Die wichtigsten Informationen wie Tempo oder Navi als virtuelle Pfeile werden am unteren Rand angezeigt. Doch mit jeder Stufe nehmen die digitalen Inhalte zu: Mehr Infos zur Umgebung, mehr Animationen und mehr Kommunikationsfenster. Auf der höchsten Stufe sitzen die Passagiere dann in ihrem eignen Kokon. Die Seitenscheiben werden abgedimmt und einbezogen, in der Frontscheibe läuft vollflächig ein Film oder wird die hässliche Industriekulisse oder Autobahn virtuell zur Blumenwiese oder Strandlandschaft aufgehübscht. Natürlich muss dazu das Auto autonom unterwegs sein – nur dann kann die reale Umgebung völlig ausgeblendet werden.

Lastwagen zu Elefanten

Skurril? Ein wenig: «Stellen Sie sich vor, die hässlichen Lastwagen auf der rechten Autobahnspur werden virtuell zu trabenden Elefanten», philosophiert Langer. Herzig – aber vergisst ein Fahrer dann nicht, wie gefährlich Strassenverkehr sein kann? Wurden schon Kunden mit Dee konfrontiert? «Noch nicht. Wir haben zwar mit Psychologen diskutiert, wie Menschen auf das System wohl reagieren werden. Aber Dee ist vor allem unsere Vision eines neuen Bediensystems», sagt Langer. Technisch sei das alles jedenfalls völlig realistisch – er habe nichts hinzuerfunden, sondern nur bekannte Technik kombiniert.

Mit welchen Funktionen des neuen Bediensystems 2025 die Neue Elektro-Klasse bei BMW starten wird, ist noch offen. Wie autonom und wie virtuell sie wird agieren können, bleibt auch abzuwarten. Mit der Zeit werde das System per künstlicher Intelligenz aber immer mehr über seine Fahrerin lernen und eine Beziehung zu ihr aufbauen, sagt Langer: Ihre Vorlieben, typische Routen, den Musikgeschmack und ihre Reaktionen. Erst dann könne Dee alle Möglichkeiten ausschöpfen. Bestimmt klappts dann auch mit dem Smalltalk.

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