Fahrbericht: Die elektrische Harley LiveWire
Das ist doch keine Harley mehr

Die zwei spannendsten Fragen zur ersten Elektro-Harley sind: Wie weit kommt die LiveWire – und wie klingt sie? TÖFF-Redaktor Dimitri Hüppi ist in Amerika für SonntagsBlick das erste Harley-Elektro-Bike gefahren.
Publiziert: 11.08.2019 um 02:10 Uhr
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Aktualisiert: 04.04.2021 um 09:57 Uhr
Gewöhnungsbedürftig: Harley baut mit der LiveWire sein erstes rein elektrisches Bike.
Foto: TÖFF
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Dimitri Hüppi (Text), Alessio Barbanti und Matteo Cavadini (Fotos)

Tatsächlich: Harleys neue LiveWire klingt nicht nach V2 oder Verbrennungsmotor. Das typische Harley-Bollern – was für viele Fans die Faszination dieser kultigen Marke erst ausmacht – gibts nicht. Bei Harley heissts dazu: «Unterwegs erzeugt die LiveWire einen neuen, charakteristischen Harley-Davidson-Sound, der die elektrische Kraft der Maschine widerspiegelt.» Für uns klingt die LiveWire, salopp formuliert, eher wie eine auf Touren gebrachte Bohrmaschine. Als Fahrer hört man den Klang vor allem unmittelbar nach dem Losfahren – bald aber sind die Windgeräusche am Helm lauter. Von aufdringlich also keine Spur. Ob dieser Sound ohne jede künstliche Beigabe künftig aber wirklich der neue «charakteristische Harley-Davidson-Sound» wird, muss sich erst zeigen ...

Zur Reichweite gibt Harley 234 Kilometer im Stadtverkehr und 152 Kilometer im kombinierten Stop-and-go-Highway-Zyklus (gemessen im MIC-City- und MIC-Combined-Test) bzw. 158 Kilometer (World Motorcycle Test Cycle) an. Bei unserer ersten Testfahrt in Portland (USA) konnten wir diese Angaben nicht überprüfen – unsere Route war nur rund 80 Kilometer lang. Rund 120 Kilometer hätten wir aber vermutlich geschafft. Wobei zu betonen ist, dass wir den Grossteil der kurvigen und hügeligen (!) Route sehr flott absolvierten. Daher gut möglich, dass die LiveWire bei etwas gemässigterer Fahrweise die Norm-Werte schaffen kann. Das werden wir aber genauer klären, wenn wir das ab Herbst ab 36'500 Franken erhältliche Bike zu einem ausgiebigeren Test in der Schweiz fahren können.

Agilste Serien-Harley aller Zeiten

Die erste Elektro-Harley eignet sich bestens – und so gut wie keine andere Harley zuvor – zum sportlichen Landstrassensurfen. Dies dank des potenten Antriebs sowie der erstklassigen Fahrwerkskomponenten und Bremsen. Die maximale Leistung des E-Motors beträgt zwar «nur» 106 PS, doch ist es das Drehmoment, das effektiv für Punch sorgt. Auch, weil – wie bei E-Motoren üblich – das maximale Drehmoment übers gesamte Drehzahlband konstant anliegt: 117 Nm sorgen nicht nur für katapultartige Starts aus dem Stand, sondern auch für solche Zwischensprints. Positiv kommt dazu, dass es sich bei der Elektro-Harley um die zweitleichteste im gesamten Portfolio handelt. 249 Kilogramm wiegt die LiveWire fahrfertig und wird so zur agilsten Serien-Harley aller Zeiten.

Mit TÖFF trainieren

Das Schweizer Fachmagazin «TÖFF» bietet neben dem Bericht zur Elektro-Harley nicht nur weitere spannende Motorrad-Themen in seiner aktuellen Ausgabe am Kiosk, sondern organisiert zudem am 19. August auf der grenznahen, elsässischen Rennstrecke Anneau du Rhin ein Perfektionstraining. Dazu sind auch Rennstrecken-Neulinge willkommen, da auch Instruktor-Fahrten angeboten werden. Alle Infos unter http://trackday.moto.ch – es sind noch Plätze frei.

Das Schweizer Fachmagazin «TÖFF» bietet neben dem Bericht zur Elektro-Harley nicht nur weitere spannende Motorrad-Themen in seiner aktuellen Ausgabe am Kiosk, sondern organisiert zudem am 19. August auf der grenznahen, elsässischen Rennstrecke Anneau du Rhin ein Perfektionstraining. Dazu sind auch Rennstrecken-Neulinge willkommen, da auch Instruktor-Fahrten angeboten werden. Alle Infos unter http://trackday.moto.ch – es sind noch Plätze frei.

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Kinderleicht zu fahren

Und weil sie kein Getriebe, sondern nur eine einzige Übersetzung mit einem für die Marke typischen Endantrieb über Zahnriemen hat, setzt die Zugkraft niemals aus. Kuppeln und Schalten entfallen ebenso. «Twist and go» nennt Harley die Einfachheit dieser neuen Technik – frei übersetzt: «Gas geben und losfahren». Egal, welchen Modus man gewählt hat, die LiveWire lässt sich äusserst sanft und ohne ruckartigen Einsatz des E-Motors in Bewegung setzen. Lastwechsel während des Betriebs sind kaum wahrnehmbar, Vibrationen ebenso wenig.

Nicht versehentlich am Gas drehen

Aktiviert man das Bike, sendet es feine Impulse an den Fahrer, um deutlich zu machen, dass der Motor an ist. Dies soll verhindern, dass man versehentlich einfach mal am Gasgriff dreht. Denn das wäre verheerend, weils keinen «Leerlauf» bzw. «Neutral» gibt. Ebenfalls nicht vorhanden ist ein Rückwärtsgang, obwohl es dafür bei E-Fahrzeugen genügte, den Motor in die entgegengesetzte Richtung drehen zu lassen.

Fahrmodi und Assistenzsysteme

Vier Fahrmodi (inkl. Rekuperations-Funktionen) sowie drei individuell definierbare bieten für jede Situation die passende Abstimmung. Zudem bietet die LiveWire als erste Harley ein umfassendes elektronisches Assistenzpaket. Zum sogenannten RDRS (Reflex Defensive Rider Systems) gehören Kurven-ABS mit Überschlagvermeidung, kurvenoptimierte (deaktivierbare) Traktionskontrolle mit Wheelie-Erkennung und Antriebsschlupfregelung. Das gut abgestimmte Showa-Fahrwerk hält die LiveWire jederzeit – auch auf schlechten Strassen – sicher in der Spur. Zudem lässt sie sich sehr präzise in und um Kurven dirigieren, obwohl sie beim Bremsen und Beschleunigen in Schräglage einen leichten Drang nach aussen hat.

Unser Urteil

Die LiveWire ist tatsächlich keine typische Harley mehr – aber im positiven Sinn. Das Elektro-Motorrad beweist zudem, dass die Amis auch agile Naked-Bikes bauen können. Grösster Kritikpunkt ist der hohe Preis von 36'500 Franken. Harley will halt seinen neuen Technologieträger bewusst als Premium-Bike positionieren.

Akku: Am Ende wieder zum Hersteller zurück

Die von Samsung hergestellte, separat herausnehmbare Lithium-Ionen-Batterie der LiveWire (die an ihrem Lebensende wieder an Samsung geht) hat eine Kapazität von 15,5 kWh. Das Alugehäuse des Akkus bildet zugleich einen Kühlkörper mit sichtbaren Kühlrippen. Lufthutzen am Rahmen leiten zusätzlich Kühlluft aufs Batteriegehäuse, das an mehreren Punkten mit dem Rahmen verbunden ist und so das Fahrwerk versteift. Die Spannungsversorgung zum Starten, für die Kommunikation mit dem Transponder und weitere Funktionen übernimmt ein zusätzlicher 12-Volt-Li-Ionen-Akku. Die integrierte Ladevorrichtung lässt sich mit einem unter dem Sitz verstaubaren Netzkabel an üblichen Haushaltssteckdosen anschliessen. So lädt der Akku in einer Stunde Strom für rund 21 Kilometer – über Nacht lädt sich der Akku vollständig auf. Schneller gehts an Gleichstrom-Schnelllader: 80 % voll in 40 Minuten, 100 % in 60 Minuten.

Die von Samsung hergestellte, separat herausnehmbare Lithium-Ionen-Batterie der LiveWire (die an ihrem Lebensende wieder an Samsung geht) hat eine Kapazität von 15,5 kWh. Das Alugehäuse des Akkus bildet zugleich einen Kühlkörper mit sichtbaren Kühlrippen. Lufthutzen am Rahmen leiten zusätzlich Kühlluft aufs Batteriegehäuse, das an mehreren Punkten mit dem Rahmen verbunden ist und so das Fahrwerk versteift. Die Spannungsversorgung zum Starten, für die Kommunikation mit dem Transponder und weitere Funktionen übernimmt ein zusätzlicher 12-Volt-Li-Ionen-Akku. Die integrierte Ladevorrichtung lässt sich mit einem unter dem Sitz verstaubaren Netzkabel an üblichen Haushaltssteckdosen anschliessen. So lädt der Akku in einer Stunde Strom für rund 21 Kilometer – über Nacht lädt sich der Akku vollständig auf. Schneller gehts an Gleichstrom-Schnelllader: 80 % voll in 40 Minuten, 100 % in 60 Minuten.

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