Darum gehts
- Der ehemalige Nissan-Chef Carlos Ghosn sitzt im Libanon fest
- Ghosn verteidigt seine Flucht aus Japan und bestreitet alle Vorwürfe
- Er lebt in einer 20-Millionen-Dollar-Villa und besitzt eine 36-Meter-Yacht
Vor seiner Verhaftung in Japan war Carlos Ghosn (71) der Inbegriff eines globalen Topmanagers. Als Nissan-Chef schmiedete er die Allianz mit Renault und Mitsubishi. Und als CEO der Autogruppe gehörte er zu den einflussreichsten Figuren der Branche.
Heute sitzt Ghosn im Libanon fest und kann das Land nicht verlassen. Und dies, obwohl er neben der libanesischen auch die brasilianische und die französische Staatsbürgerschaft besitzt. Der Grund: Japan und Frankreich fahnden mit internationalen Haftbefehlen nach ihm. Eine Ausreise zu seiner kranken Mutter in sein Geburtsland Brasilien hätten die libanesischen Behörden verweigert, beteuerte Ghosn im April in einem Interview mit dem «Wall Street Journal».
Vorwürfe in Japan und Frankreich
Im Libanon empfängt der ehemalige Star der Autoindustrie immer wieder Journalisten, um seine Sicht der Dinge darzulegen. Die spektakuläre Flucht aus Japan in einer Instrumentenkiste verteidigt er weiterhin eisern. In dem Land habe ihn kein fairer Prozess erwartet.
Laut Ghosn waren die Vorwürfe der Veruntreuung von Firmengeldern bei Nissan und falscher Angaben zum Einkommen frei erfunden. Nissan-Manager und die japanische Regierung hätten sich verschworen, um die Zusammenarbeit von Renault und Nissan zu torpedieren.
Auffallend ist aber, dass die Vorwürfe aus Frankreich ganz ähnlich klingen. Auch dort soll Ghosn wegen der Veruntreuung von Firmengeldern bei Renault angeklagt werden. Dazu kommt der Vorwurf der Korruption. Die heutige französische Kulturministerin Rachida Dati (59) soll 2010 bis 2012 von einer Renault-Nissan-Tochter ohne erkennbare Gegenleistung 900'000 Euro erhalten haben. In Frankreich könnte Ghosn auch in Abwesenheit verurteilt werden, was in Japan nicht möglich ist.
Nissan verlangt Villa und Yacht
Heute gibt Ghosn Managementkurse an einer christlichen Universität und spricht gerne mit Medien über die Autobranche. Seinen ehemaligen Firmen gehe es seit seinem unfreiwilligen Abgang schlecht. Nissan «bettelt um finanzielle Hilfen» und «Renault ist wieder ein kleines europäisches Unternehmen», sagt Ghosn.
Seit der Flucht aus Japan Ende 2019 hat Ghosn den kriegsversehrten Libanon nicht mehr verlassen. Doch darben muss der Multimillionär nicht. Er lebt in einer rosaroten 20-Millionen-Dollar-Villa in Beirut und beschäftigt Leibwächter und andere Angestellte, wie die Journalisten des «Wall Street Journal» beobachten konnten. Ausserdem besitzt er eine 36-Meter-Jacht und Anteile an einem Weingut.
Der Nissan-Konzern erhebt Anspruch auf die Villa und die Jacht, kann aber vor Ort wenig ausrichten. Im Libanon gefalle ihm, «dass mich die Menschen als Opfer sehen», sagt Ghosn. Das dürfte in anderen Ländern ganz anders sein.