Zu Besuch bei Ex-F1-Pilot Jo Vonlanthen
Vom Bauernhof in die Königsklasse

Er fuhr zwar nur zwei Rennen in der Formel 1. Dennoch ist der gebürtige Freiburger und heute im Tessin lebende Jo Vonlanthen auch mit 83 Jahren noch eng mit der Königsklasse des Rennsports verbunden – und verdient auch gutes Geld damit.
Publiziert: 12.06.2025 um 06:11 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/14
Josef «Jo» Vonlanthen (82) blickt auf eine kurze Karriere in der Formel 1 zurück. Seit seinem Rückzug betreibt er eine der weltweit grössten Sammlungen von F1-Boliden weltweit.
Foto: Daniel Reinhard
RMS_Portrait_948.JPG
Raoul SchwinnenRedaktor Auto & Mobilität

Josef «Jo» Vonlanthen (83) war Mitte der 1970er-Jahre zwar nur kurz als Pilot in der Formel 1 aktiv. Trotzdem ist der wegen seiner Körpergrösse von vielen Freunden auch «Little Jo» genannte Vonlanthen der Szene bis heute treu geblieben. Er besitzt mit rund 30 legendären Formel-1-Boliden eine der weltweit grössten Sammlungen und betreibt damit auf einer eigenen Etage im Hotel Meilenstein in Langenthal BE ein öffentliches Formel-1-Museum.

Am 31. Mai 1942 wird Vonlanthen im freiburgischen Alterswil in eine Grossfamilie mit neun Kindern hineingeboren. «Meine Karriere als Bauer war eigentlich schon bei meiner Geburt besiegelt», erinnert er sich. Schon als Bub warteten auf ihn zwei Dutzend Kühe. «Wenn schönes Wetter war, mussten wir zu Hause mit anpacken, bei schlechtem Wetter durften wir die Schule besuchen …», erzählt der 83-Jährige grinsend. Letztlich übernimmt aber der ältere Bruder den Hof. Und Jo Vonlanthen sucht sich Ende der 1960er-Jahre ein neues Betätigungsfeld und beginnt eine Lehre als Automechaniker.

Potenzial für etwas Grosses

Den begeisterten Leichtathleten – er wird 1963 Schweizermeister über 5000 Meter – verschlägt es bald in die Ostschweiz nach Frauenfeld. Dort übernimmt er eine Garage mit Tankstelle und Kiosk. Erst im reiferen Alter von 27 Jahren beginnt sich Little Jo plötzlich für den Motorsport zu interessieren. Mit einem Fiat 850 Coupé bestreitet er sein erstes Rennen. «Da merkte ich, dass ich eine gewisse Begabung habe.» Er macht auf dem Hockenheimring (D) die Rennlizenz und startet anschliessend mit einem Monoposto Kaimann Formel V des Liechtensteiner Rennfahrerkollegen Manfred Schurti (83) bei Bergrennen. Bald zeigt sich, dass der frühere Leichtathlet nicht nur auf der Tartanbahn, sondern auch auf Asphalt sehr schnell sein kann.

Schon im dritten Jahr seiner Rennkarriere wird Jo Vonlanthen 1972 Schweizermeister in der Formel 3. Danach steigt er in die hart umkämpfte F2-Europameisterschaft auf, wo er sich 1973 mit den späteren F1-Stars John Watson (79), Patrick Depailler (1944–1980), Tom Pryce (1949–1977) und Patrick Tambay (1949–2022) misst. Mit unterlegenem Material und knappem Budget zahlt der Schweizer allerdings viel Lehrgeld. Vonlanthen fährt einen GRD des Winterthurer Konstrukteurs Jo Marquart (1936–1993) mit Ford-Motor – «für das stärkere BMW-Triebwerk fehlte mir das Budget». Beim letzten Rennen der Saison wächst Vonlanthen jedoch über sich hinaus, fährt in Vallelunga (I) überraschend auf Platz 3 und holt sich seine ersten EM-Punkte.

Der Weg in die Königsklasse

«Die nächste Saison war zum Vergessen», erinnert sich Vonlanthen. Dennoch bietet ihm John Surtees 1975 ein Werksvertrag für die F2-Europameisterschaft an. «Das war zu schön, um wahr zu sein», erzählt Vonlanthen lächelnd. Tatsächlich hat das Angebot einen Haken: Surtees will das ganze Geld schon vor dem Saisonstart und stellt Jo zudem lediglich ein altes Vorjahresauto zur Verfügung. «Darauf brach ich die Übung ab», so Vonlanthen. Stattdessen tritt er 1975 mit einem 74er-March mit BMW-Power zum ersten Lauf in Estoril (P) an und zeigt – wohl noch mit einer gehörigen Portion Wut im Bauch – das Rennen seines Lebens. Aus der dritten Reihe startend, führt der Schweizer das Regenrennen bald an. «Meine Regenpneus machten auf der immer mehr abtrocknenden Strecke schlapp. Und weil ich im Gegensatz zu den Werkteams nur einen Mechaniker hatte, der alle vier Reifen allein hätte wechseln müssen, verzichtete ich auf einen Boxenstopp.» Das kostet Vonlanthen den Sieg und er wird Zweiter, hinter dem Franzosen Jacques Laffite (81) – der ihn deswegen heute noch hänselt.

Durch diese Leistung wird Rennstallchef Frank Williams (1942–2021) auf den talentierten Schweizer aufmerksam. Und als wenig später beim GP von Österreich 1975 der Amerikaner Mark Donohue (1937–1975) im Training tödlich verunglückt, fragt Williams Vonlanthen, ob er die Strecke in Zeltweg kenne und einspringen möchte. Vonlanthen sagt ohne zu zögern: Ja klar! «Obwohl ich damals weder die Strecke kannte noch je zuvor ein F1-Auto gefahren war», erzählt er heute schelmisch lächelnd. In Österreich ist mit dem nur mässig wettbewerbsfähigen Boliden nach 14 Runden Schluss, beim darauf folgenden GP der Schweiz in Dijon kommt Vonlanthen zwar ins Ziel – allerdings mit stotterndem Motor. Das wars dann für den kleinen Schweizer in der Königsklasse Formel 1 und er beendet das Abenteuer frühzeitig. «Ich war damals bereits 35-jährig, bekam nur minderwertige Autos. Hinterherfahren und irgendwann ins Gras beissen – da höre ich besser auf, sagte ich mir. Immerhin hatte ich mein Lebensziel erreicht: vom Bauernhof in die Formel 1.»

Der Beginn der zweiten F1-Karriere

Trotzdem lässt ihn die Formel 1 nicht los. Das Einkaufszentrum Glatt in Wallisellen ZH fragt Vonlanthen kurz nach seinem Rücktritt an, ob er nicht zwei, drei Rennwagen ausstellen könne – und das ist die Initialzündung für Vonlanthens zweite F1-Karriere. Er organisiert ab 1977 Autogrammstunden und Anlässe mit F1-Rennwagen. Das Interesse ist gross, und weil er alle Team-Chefs noch persönlich kennt, lassen sich die Ausstellungsboliden einfach organisieren. Erst mietet er sie, später – mit mehr Budget – kauft er sie. Und schnell wird der gewiefte Geschäftsmann zum Besitzer einer der grössten Formel-1-Sammlungen der Welt, die er bis heute für Ausstellungen auf dem ganzen Globus vermietet.

Doch stets liebäugelt Little Jo mit dem Gedanken, all seine F1-Autos an einem Ort in der Schweiz der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Und so ist die heute 30 Fahrzeuge umfassende Kollektion der von legendären Piloten wie James Hunt (1947-1993), Clay Regazzoni (1939-2006), Ayrton Senna (1960-1994) oder Michael Schumacher (56) gefahrenen F1-Boliden auf einer Etage des spektakulären Hotels Meilenstein des Ex-Seitenwagen- und Truckrennfahrers Markus Bösiger (67) in Langenthal BE täglich zu bewundern.

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?