Mannshohe Ballonreifen auf einem braven Mercedes-Sprinter-Büssli oder Ford-Van: Auf Island sind Monstertrucks so normal wie das nach den Vornamen geordnete Telefonbuch. Seit die Vulkaninsel vor über 1100 Jahren von Wikingern besiedelt wurde, ist die Einwohnerzahl auf 356'000 Menschen gewachsen. Etwa so wenige wie im Wallis. Nur, dass sie sich hier auf die zweieinhalbfache Fläche der Schweiz verteilen – und Strassen oft Schotterpisten sind. Wenn überhaupt.
Anfangs wurden auf Island vor allem Einsatzfahrzeuge der Rettungsdienste (z.B. einige der 80 Rettungswagen der Insel) zu «Arctic Trucks» umgebaut, weil nur sie sogar im Hochland unter widrigsten Bedingungen jede Furt, jeden Hang aus Vulkanasche und jede Schneewehe meistern. Heute sind Touristen-Tourvans, Arbeitsvehikel oder neuerdings gar Mietwagen fürs Grobe derart bombastisch.
Fast reiner SUV-Markt
Der isländische Automarkt ist winzig, angesichts der ebenso wunderschönen wie rauen Natur SUV-lastig und schwankt extrem. Island ist wohlhabend, litt aber in der Finanzkrise und ist durch die Coronakrise betroffen, weil tourismusabhängig – auch in Sachen Automarkt, denn 22'000 Mietwagen sind unterwegs, die Gäste aus dem Ausland haben die Fischerei als wichtigsten Wirtschaftszweig abgelöst.
Im Rekordjahr 2017 wurden 23'300 Autos und leichte Nutzfahrzeuge verkauft, im Finanzkrisen-Jahr 2009 ein Zehntel. 2019 waren es 13'100 Neuwagen. Ganz klarer Leader ist Toyota. Vor zehn Jahren lag der Marktanteil bei 22 Prozent, 2019 waren es 16 Prozent vor Kia (11) und VW (7 Prozent). Die fünf Topseller 2019: Toyota RAV4, Dacia Duster, Mitsubishi Outlander, Kia Sportage, Toyota Land Cruiser. Erst auf Rang sechs folgte mit dem VW Golf ein «normales» Auto.
Elektro-Anteil 25 Prozent
Doch jetzt wird alles elektrisch – und wie! Schon 2019 machten Stromer auf der Insel am Polarkreis jede vierte Neuzulassung aus. Aktuell (2020) krempeln sie alles um. Die Top fünf aktuell: Tesla Model 3, Toyota RAV4, VW ID.3, Mitsubishi Outlander, Nissan Leaf. Denn nirgendwo ist Energie so im Überfluss vorhanden. Wird es Isländern zu warm, drehen sie nicht die Heizung ab, sondern öffnen das Fenster: 73 Prozent des Stroms stammen hier aus Wasserkraft, 27 Prozent aus Geothermie – und allerorten blubbert das kochende Wasser aus der Erde.
Vor allem aber ist Reichweite kein Thema. Mehr als die Hälfte der Isländer lebt in oder um die Hauptstadt Reykjavík. Nennenswert bevölkert sind Küstenstreifen im Westen und Süden bis in 200 Kilometer Entfernung. Der Rest ist fast leer, die 1332 Kilometer lange Ringstrasse um die Insel im Osten und Norden ebenso.
Oft verunglücken Touristen
Trotz lichtem Verkehr liegt im weltweiten Vergleich die Rate der Verkehrstoten in manchen Jahren nur auf dem Niveau von Kuba. Das fast kriminalitätsfreie Land, in dem Islands Polizei 2013 zum ersten Mal in ihrer Geschichte (!) einen Kriminellen erschoss, fordert dafür auf den Strassen gerade unter Touristen Opfer, die zu mutig über Schotterpisten (Limit 80 km/h) rasen. Im Jahr 2017 starben mehr Touristen als Inländer! Doch an sich ist Island sehr sicher. Nur lässt jeder Verkehrstote mehr bei der geringen Zahl an Einwohnern die Statistik arg hochschiessen. 2019 starben sechs (Schweiz 187) Menschen im Verkehr.
Die vielleicht wichtigsten Verkehrsschilder der Insel warnen zurecht vor blinden Kuppen auf Schotterpisten im Hochland. Und vor einspurigen Engstellen, etwa Brücken. Wer zuerst ankommt, darf (im Gegensatz zur Bergauf-hat-Vorrang-Regel bei uns) zuerst passieren. Wem das maximale Tempo von 90 km/h auf Asphalt-Landstrassen nicht reicht, zahlt für 26 km/h zu viel ab 400 Franken.
Die Schafe haben Vorfahrt
Alkohol ist tabu (Limit 0,02 Promille). Wer aus Spardrang ein «normales» Auto mietet und trotzdem ins Hochland fährt, zahlt Folgekosten selbst. Wer im SUV von einer Piste mal kurz ins Gelände reitet, zahlt ab 650 Franken. Wer eine Tür öffnet, sollte sie festhalten: Vom steifen Wind umgeknickte Türen sind keine Seltenheit. Und die 800'000 Schafe haben Vorfahrt! Nicht gesetzlich, aber sie benehmen sich so – und das sollte man selbst auch: Wer eins überfährt, muss dessen Halter entschädigen, bei Mietwagen sind Tiercrashs meist unversichert.
Dafür bietet Island ausser der atemberaubenden Landschaft und Geysiren quasi Geologie live. Welches Land sonst kann mal eben den Flugverkehr lahmlegen wie vor zehn Jahren Island mit dem Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull? Und wo sonst wächst das Strassennetz von allein? Die Insel liegt auf zwei Platten der Erdkruste – und wird in Ost-West-Richtung jedes Jahr fünf Zentimeter breiter.