Vor 70 Jahren verunglückte James Dean
Mit Vollgas zur Unsterblichkeit

Lebe schnell, stirb jung – so war das Leben von James Dean. Sein kometenhafter Aufstieg als Schauspieler dauerte nur zwei Jahre und endete in einem grossen Knall. Auf den Spuren des letzten Tages einer Legende für die Ewigkeit.
Publiziert: 07:22 Uhr
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James Dean gilt bis heute als festes Monument in der Filmbranche und das, obwohl er nur drei Filme hinterliess. Schon in jungen Jahren war er der Shootingstar Hollywoods.
Foto: Getty Images

Darum gehts

  • James Dean: Hollywoodstar und Rennfahrer starb jung bei Autounfall
  • Deans letzter Tag detailliert beschrieben, inklusive Begegnungen und Fahrten
  • Dean starb am 30. September 1955 um 17:50 Uhr, mit nur 24 Jahren
Die künstliche Intelligenz von Blick lernt noch und macht vielleicht Fehler.
Christian Kornherr

Hollywood vor siebzig Jahren: Da gab es keine weichgespülten Leinwandhelden, die wie Leonardo DiCaprio (50) Tesla fahren und Umweltpflege predigen, aber zwischen den Society-Terminen mit dem Privatjet unterwegs sind. Männer waren richtige Kerle. Die Stars von damals spielten nicht nur die harten Jungs, sie lebten auch so. Cool. Kompromisslos. Stets bereit, ein Pferd zu besteigen, um die nächste Stadt zu befreien, die nächste Maid aus Nöten zu retten.

Die Schauspielergeneration um Paul Newman (1925–2008), James Garner (1928–2014), Clint Eastwood (95) und Steve McQueen (1930–1980) war nicht nur extrem erfolgreich, sie prägte auch das weltweite Männlichkeitsbild über Jahrzehnte hinaus. Wenn allerdings eine Stadt zu befreien oder eine Maid aus der Not zu erretten war, zog man 1955 das Automobil dem Pferd vor. Und natürlich war dazu nur das aktuellste und schnellste Vehikel auf dem Sportwagenmarkt gerade gut genug – jedenfalls nicht die lahmen US-Kutschen mit Automatik und Übergewicht.

Porsche musste es sein – oder Triumph oder Jaguar. Oder Ferrari, wenn Mann sich einen Hang zum Exzess gönnte. Und es reichte auch nicht, diese Dinger bloss zu besitzen. Selbstverständlich wollte man sich mit Gleichgesinnten auf der Rennbahn messen, und zwar mit allem gebotenen Ernst: James Garner fuhr in den späten Sechzigern Offroadrennen und unterhielt ein eigenes Indy-Rennteam. Steve McQueen errang 1970 einen zweiten Platz beim 12-Stunden-Rennen in Sebring, Florida. Paul Newman wurde 1979 Zweiter in Le Mans – das alles passierte also erst in den reiferen Jahren der Herrschaften. Und das Rennfieber lässt offenbar auch die aktuelle ältere Generation nicht los, wie Brad Pitt (61) mit dem Renn-Drama «F1» zeigt.

Rasend schneller Aufstieg

Und dann gab es noch James Byron Dean, der alles wollte, und zwar sofort. Geboren am 8. Februar 1931 in Marion, Indiana, war er mit 24 zu einem schmächtigen, nachdenklichen Burschen herangewachsen, in seiner Erscheinung jedenfalls weit weg von den harten Jungs. Aber während sich Clint Eastwood und Steve McQueen noch mühsam durch Westernserien und B-Movies ballern mussten, galt James Dean ab 1953 als absoluter Shootingstar in der Traumfabrik. Nach seinem Durchbruch am Broadway übersiedelte er nach Hollywood, 1955 sollte sein Jahr werden. Im April kam «Jenseits von Eden» in die Kinos, am Ende des Sommers stand «... denn sie wissen nicht, was sie tun» kurz vor der Premiere, «Giganten» war fast abgedreht.

Was trieb damals einen Jungstar an, der erstmals richtig Kohle in die Finger kriegt? Er wohnte weiter zur Miete in einer eher schäbigen Behausung, kauft sich aber einen heissen Ofen nach dem anderen. Binnen eineinhalb Jahren kamen ein MG TD, ein Porsche 356 Super Speedster und schliesslich der Porsche 550 Spyder ins Haus. Ein Lotus Mark 9 war bezahlt und für Oktober angekündigt.

Der 550 Spyder war für gestandene Amerikaner ein geradezu ausserirdisches Ding. Flach wie ein Spucknapf und auch nicht sehr viel grösser, dafür aber so teuer wie drei Corvettes mit vier Mal so viel Hubraum – aber eben ein strassentauglicher Rennwagen, der in der Sportwagen-WM sogar die grossen Ferrari und Jaguar ärgern konnte. James Dean liebte den 550 Spyder. Wahrscheinlich, weil er genauso war wie er. Wild, extrem, aber auch zerbrechlich. Jede freie Minute glühte er durch die Hollywood Hills – und er wollte es wissen, wie man so schön sagt. In jeder einzelnen Kurve.

«
Wenn du jetzt ins Auto steigst, bist du Ende Monat tot
Alec Guinness zu James Dean
»

Gefürchtet waren die Momente, in denen Jimmy mit seinem verrückten Alu-Spucknapf vor der Tür stand und zu einer kleinen Spritztour einlud. Zum Beispiel Natalie Wood (1938–1981), Ursula Andress (89) oder den «Jenseits von Eden»-Regisseur Elia Kazan (1909–2003). Auch Alec Guinness (1914–2000) war betroffen, und zwar im wahrsten Sinn des Wortes. In seiner Autobiografie beschrieb er, wie er James Dean anflehte: «Bitte, steig nicht mehr ein. Es ist jetzt 10 Uhr abends. Freitag, der 23. September 1955. Wenn du jetzt in das Auto einsteigst, wirst du innerhalb einer Woche ein toter Mann sein.»

Ein krasser Spruch, ein bitterböses Orakel. Aber das theatralische Getue eines britischen Mimen in der Midlife-Krise konnte einen jungen Wilden natürlich nicht aufhalten. Die ganze Welt gehörte ihm! Und damit auch die Rennstrecken dieser Welt.

Irrationaler Siegeswille

Sein erstes Rennen fuhr James Dean am 26. März 1955 in Palm Springs. Mit schmächtiger Statur und intellektueller Attitüde wurde er in der Rennszene, also von den harten Jungs, schnell als gelangweilter Hollywood-Hosenscheisser klassifiziert. Die vorgefassten Meinungen änderten sich rasch, als Dean seinen Vorlauf gewann und im Hauptrennen in seiner Klasse den zweiten Platz belegte. Ken Miles (1918–1966), der tragische Zweite von Le Mans 1966, zu späten Ehren gekommen im Film «Ford vs Ferrari» durch Christian Bale, fuhr in Palm Springs gegen ihn und diktierte danach einem Reporter ins Notizbuch: «Jimmy war eine Gefahr für sich selbst, und auch für andere Fahrer. Sein Siegeswille war schon fast irrational. Er ging jedes Risiko ein, um Erster zu werden.»

Beim nächsten Rennen, am 1. Mai in Bakersfield, gelang ihm ein Klassensieg und der dritte Gesamtplatz. Beim Strassenrennen von Santa Barbara am 30. Mai kämpfte er sich vom 18. Startplatz bis auf den vierten Rang vor, dabei überdrehte er allerdings den 356er und schied aus. Eigentlich kein schlechter Start in eine Rennkarriere, aber danach war Schluss mit lustig. Die Dreharbeiten für «Giganten» hatten begonnen und die Studiobosse verboten ihrem Star, während der Produktion Rennen zu fahren.

Der letzte Tag

Am letzten September-Wochenende 1955 waren die Dreharbeiten beendet. Jetzt, wo alles im Kasten war, hatte er die Schnauze voll von der Filmerei und wollte ordentlich Dampf ablassen. Der 550 Spyder sollte endlich seine Feuertaufe feiern, bei einem Strassenrennen in Salinas, 500 Kilometer nördlich von L. A. Der 30. September 1955 begann für James Dean in Sherman Oaks, 14 611 Sutton Street. Dean bewohnte ein winziges Ein-Zimmer-Blockhaus, das er vom Kellner seines Lieblingsrestaurants gemietet hatte.

Am 30. September traf James Dean gegen acht Uhr morgens in seiner Werkstatt ein, bei Competition Motors in der 1219 North Vine Street. Dort arbeitete Rolf Wütherich (1927–1981) bereits am Wagen. Der deutsche Werksmechaniker war eigens eingeflogen, um den Spyder zu betreuen. Der Carrera-Motor mit Königswellenantrieb gilt bis heute als einer der mechanisch kompliziertesten Vierzylinder, der jemals vier fehlerfreie Arbeitstakte hinbekommen hat. Die korrekte Einstellung verlangt das Fingerspitzengefühl eines Spezialisten. Wütherich war es auch, der den aufstrebenden Rennfahrer auf die Idee brachte, den Speedster gegen einen Spyder einzutauschen. Am 21. September wurde der Spyder, Produktionsnummer 550 – 0055, für 3000 Dollar Aufzahlung übergeben. Der Kaufvertrag wurde erst nach seinem Tod per Post zugestellt.

Gegen zehn Uhr stiessen Bill Hickman (1921–1986) und Sandy Roth (1906–1962) dazu. Roth wollte mit dem Rennwochenende eine Fotoreportage abrunden. Er wurde zu einem kleinen Baustein der Legendenbildung: Wer hat schon in seinen letzten Stunden einen Profi-Fotografen an seiner Seite?

Treffen der Auto-Legenden

Stuntman Bill Hickman gehörte zu Jimmys engstem Freundeskreis, von ihm lernte er die wichtigsten Fahrtricks. Sie nannten sich gegenseitig «Big Bastard» (Hickman) und «Little Bastard» (Dean), weshalb neben der Startnummer auch der Schriftzug «Little Bastard» auf den Spyder gemalt war. Wütherich, Hickman, Barris. Zur soliden Legendenbildung gehört auch, dass alle, die an diesem Tag dabei waren, fest in der Automobilgeschichte verankert sind. Rolf Wütherich sollte als Co-Pilot von Eugen Böhringer (1922–2013) in einem Porsche 904 den zweiten Platz bei der Rallye Monte Carlo 1965 belegen. Bill Hickman wurde einer der gefragtesten Hollywood-Stuntmen («Bullitt» und «French Connection»). George Barris (1925–2015) wiederum entwickelte sich zum führenden Movie-Car-Lieferanten Hollywoods: Herbie, das erste Batmobil, das Auto der Munsters, K.I.T.T. und General Lee aus «The Dukes of Hazzard» stammten aus seiner Werkstatt.

Kurz vor elf Uhr trafen Jimmys Vater Winton Dean (1907–1995) und sein Onkel Charlie (1916–2002) ein. Sein Vater lehnte eine Runde um den Block mit dem Spyder dankend ab, also musste der Onkel herhalten. Nach einem Mittagessen bei Patsy’s Pizza verabschiedete sich die Verwandtschaft, und die Gruppe machte sich zur Abfahrt bereit.

Um die Motoreinstellung zu testen, beschloss Jimmy, entgegen den ursprünglichen Plänen, mit dem Spyder nach Salinas zu fahren und ihn nicht auf den Anhänger seines Kombis zu verladen. Also stiegen Dean und Wütherich in den Spyder, Hickman und Roth kutschierten im Ford samt leerem Anhänger hinterher. Über den Ventura Freeway und den Sepulveda Boulevard ging es raus aus der Stadt auf den Highway 99, der längst durch den achtspurigen Freeway 5 ersetzt wurde.

Ein letztes Glas Milch

Gegen 15 Uhr legte man bei Tip’s Diner in Castaic Junction eine kurze Pause ein. Jimmy trank ein Glas Milch und sprach mit Wütherich über seine Rennsport-Zukunft. Er war ganz elektrisiert von den Möglichkeiten, die ihm dieser Vollblut-Rennwagen eröffnete. Auf dem Weg nach Bakersfield fuhr Jimmy zügig, der Kombi konnte aber noch Kontakt halten.

In der Gegend von Grapevine passierte es dann: Ein Streifenwagen erwischte die flott fahrende Gruppe. Um 15.30 Uhr verteilte Patrolman Otie V. Hunter Strafzettel an Dean und Hickman. Für Jimmy war die Sache ziemlich peinlich. Hatte er doch erst Tage zuvor einen Werbespot für Verkehrssicherheit gedreht, in dem er Junglenker zu gemässigter Fahrweise aufforderte. Sein letzter Satz im Spot, der nie ausgestrahlt wurde: «Fahrt vorsichtig. Vielleicht bin ich es, dem ihr eines Tages das Leben rettet.»

Etwa dreissig Kilometer vor dem Unfallort legte Jimmy gegen 17 Uhr eine letzte Pause ein. Im Café forderte er im Vorbeigehen einen Corvette-Fahrer zu einem kleinen Wettrennen auf, der allerdings dankend ablehnte.

Ohne Leitplanken am Abgrund

Auf der staubigen Geraden durch den Diablo Range gab Jimmy richtig Gas und setzte sich mühelos von seinen Begleitern ab. Der moderne Strassenbau hat längst eine gewaltige Schneise in die sanfte Hügelkette geschlagen, die von den Einheimischen Polonio-Pass genannt wird. Aber einige Kilometer vor der Passhöhe befindet sich eine Abzweigung, und mit etwas Glück ist die Schranke oben. Dann kann man kilometerweit das Fahrgefühl der historischen Strecke geniessen. Es ist eine enge, holprige Strecke, die ohne Leitplanken an tiefen Abgründen vorbeiführt. Wer hier schnell fuhr, brauchte Mut, keine Frage.

Der 30. September endete in einem wunderbaren Indian-Summer-Abend, das sanfte Abendlicht tauchte die Hügelketten in pures Gold. Das Fahrgefühl im Spyder musste ein perfekter Traum gewesen sein – vom warmen Wüstenwind umströmt in der kaum hüfthohen Karosserie, mit dem kernigen Königswellenklang im Rücken.

James Dean muss die letzten Minuten seines Lebens glücklich gewesen sein. Salinas lag kurz vor ihnen. Hier hatte er «Jenseits von Eden» gedreht, seinen Durchbruch in Hollywood. Hier würde er das erste Mal mit dem Spyder bei einem Rennen antreten, ein gutes Omen für seinen Durchbruch als ernsthafter Rennfahrer.

Und dann Vollgas

Nachdem der Spyder die engen Windungen des Polonio-Passes genommen hatte, stach er in die Ebene Richtung Cholame hinunter. Dean liess den Porsche auf der schmalen, rumpeligen Strasse frei laufen. Später errechnete die Polizei einen Schnitt von etwa 130 km/h ab dem letzten Stopp – trotz des halsbrecherischen Polonio-Passes dazwischen.

Jimmy ging auch nicht vom Gas, als er den anderen Wagen aus der Ferne sah. Ein Ford Coupé kam in Gegenrichtung und wollte vor ihm nach links in den Highway 41 abbiegen. Ein weiterer Puzzle-Stein der Legendenbildung ist, dass Deans letzten Worte überliefert sind. Er rief Wütherich zu: «That guy’s gotta see us. He’s gotta stop.» (Der Kerl sieht uns. Er wird stehenbleiben.)

Donald Turnupseed (1932–1995) stoppte tatsächlich. Allerdings hatte der Student in der Dämmerung den flachen, silbrig schimmernden Spucknapf erst im letzten Moment gesehen und im Schreck alles falsch gemacht, was in dieser Situation falsch zu machen war. Am Ende stand der 50er-Ford wie eine Wagenburg quer über der Vortrittsstrasse, auf der Jimmy mit Vollgas daherkam.

Legende und Orakel

Es gab nicht einmal eine Bremsspur. Rolf Wütherich flog beim Aufprall aus dem Auto, kam mit schweren Verletzungen davon. James Byron Dean hatte weniger Glück, er blieb hinter dem Lenkrad stecken und starb am 30. September 1955 um 17.50 Uhr – vier Stunden vor Ablaufen von Alec Guinness’ Orakel.

Seinem eigenen Grundsatz «Live fast, die young» folgend, stieg James Dean lange vor John F. Kennedy, Marilyn Monroe, Jim Morrison und Elvis Presley zur ersten allamerikanischen Pop-Legende auf. Obwohl er nur drei Filme hinterliess, von denen zwei erst nach seinem Tod anliefen und ihm postum Oscar-Nominierungen einbrachten.

Das Wrack ist verschwunden

Das Porsche-Wrack reiste als schauriges Mahnmal im Dienste der Verkehrssicherheit durch Kalifornien, bis es 1960 während eines Transportes auf unerklärliche Weise einfach verschwand. Es ist bis heute nicht aufgetaucht. Wahrscheinlich liegt es im Safe eines Sammlers neben diversen Rembrandts und Picassos.

Doch wer weiss, ob der neue Besitzer glücklich damit wurde. Wie es sich für gute Mystery-Stories gehört, war das Wrack zuvor in einige unerklärbare Vorfälle verwickelt: In einer Garage in Fresno soll es von selbst Feuer gefangen haben. Zwei rennfahrende Ärzte, die Motor, Getriebe und Hinterachse ausbauten und verwendeten, waren kurz danach in schwere Unfälle verwickelt, Dr. Troy McHenry starb dabei. Rolf Wütherich kam nach dem Unfall nie wieder mit seinem Leben zurecht, war viele Jahre in psychiatrischer Behandlung, bis ihn doch noch das Schicksal einholte: Er starb 1981 bei einem Verkehrsunfall in Deutschland.

Zum American Way of Life gehört, dass Blackwells Corner heute ein gut frequentierter Wallfahrtsort ist, weithin sichtbar durch die überlebensgrosse Dean-Figur. Es würde wundern, wenn der schwunghafte Handel mit James-Dean-Devotionalien zum 70. Todestag nicht bisher unerreichte Spitzen erklimmen wird. Man darf sich das als Volksfest zu Ehren eines Volkshelden vorstellen, mit Jimmy-Lookalikes und dem einen oder anderen 550 Spyder.

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