Darum gehts
- Bugatti bietet exklusive Einzelstücke für superreiche Kunden an
- Brouillard: Erstes Solitaire-Projekt, basierend auf dem Mistral W16
- Kosten für das Projekt: Schätzungsweise mindestens 20 Millionen Franken
Kennst du das Lied «Wenn ich einmal reich wär» aus dem berühmten Musical «Tewje, der Milchmann»? Also, stell dir vor: Du bist reich. Nein, nicht ein paar Hunderttausend Franken, auch nicht nur ein paar Millionen. Sondern so richtig reich.
Und du bist einer der grössten Bugatti-Fans. Du besitzt nicht nur originale Tierskulpturen aus Bronze von Rembrandt Bugatti (1884–1916), dem jüngeren Bruder des Autokonstrukteurs Ettore Bugatti (1881–1947), sondern beherbergst in deiner Villa auch Original-Möbel von Carlo Bugatti (1856–1940), dem Vater von Ettore und Rembrandt. Selbstverständlich hast du auch einige Autos in deiner Sammelgarage. Nicht irgendwelche, sondern Bugattis. Ein paar Dutzend – alte, neue, auch Rennwagen. Aber das ist dir noch zu wenig. Denn solche Bugattis haben andere auch. Es fehlt noch das ganz besondere Exemplar. Ein modernes Einzelstück. Ein aussergewöhnliches Kunstwerk. Geformt nach deinem eigenen Geschmack, aussen und innen. Vertraglich festgelegt und nie duplizierbar. Ein Bugatti eben nicht von der Stange wie Veyron, Chiron, Mistral, Bolide und wie sie heute alle heissen.
Solitaire erfüllt sämtliche Wünsche
Und der Hersteller, heute Bugatti Rimac d.o.o., sagt: Du hast Glück. Eben haben wir uns die Abteilung Solitaire einfallen lassen. Eine Erweiterung unserer massgeschneiderten Bugatti-Welt Sur Mesure. Hier ist alles möglich. Hier gibts nicht nur die üblichen Individualisierungen, hier bauen wir dir dein Einzelstück. Klar, das kostet etwas mehr. Denn jeder Mitarbeiter, die gesamte Entwicklungs- und Bauzeit, die Werkstoffe – alles muss von dir bezahlt werden. Aber du kannst haben, was du willst, was technisch möglich ist und zur Marke Bugatti passt.
Weil dir Geld egal ist – und in gewissen finanziellen Regionen ist es das – sagst du zu. Du triffst die Designer in Bugattis neuem Designzentrum im ehemaligen Umspannwerk Buchhändlerhof an der Mauerstrasse 79 in Berlin. Hier arbeiten jetzt rund 50 Designer aus 25 Nationen hauptsächlich am Exterieur und Color & Trim künftiger Bugattis – oder eben an Einzelstücken, von denen es nicht mehr als zwei pro Jahr geben wird. Die Halle, gebaut 1886 als zweites Berliner Kraftwerk, überlebte alle Kriege. Sie war zu DDR-Zeiten eine Lagerhalle, wurde von 1994 bis 1997 Kult als Techno-Tempel E-Werk und galt vor Bugattis Einzug als bevorzugte Eventlocation. Und da, wo einst der deutsche DJ Sven Väth (60) auflegte und die britische Band The Prodigy auftrat, setzt du jetzt deine Unterschrift auf den Vertrag. Das hat Stil.
Brouillard ist das erste Solitaire-Projekt
Dein Beitrag zum neuen Bugatti, ausser der Bezahlung? Du wünschst dir als Basis für dein Modell den offenen Mistral W16, der allein schon knapp 6 Millionen Euro kostet. Und weil es das noch nicht gibt, hättest du gerne ein festes Dach drauf. Und: Dein Modell soll Brouillard heissen. Das bedeutet nicht nur Nebel auf Französisch, sondern war der Name von Ettore Bugattis Lieblingspferd, ein irisches Jagdross. Oder auf «Bugattisch»: «Das majestätische Vollblut, mit einem Fell so weiss wie der erste Schneefall, gesprenkelt mit den zarten Nuancen eines sommerlichen Morgennebels, war kein gewöhnliches Pferd; es verkörperte alles, was Ettore bewunderte: Schnelligkeit, Schönheit und unvergleichliche Anmut.» Macht sich also prima als Modellname – Bugatti Brouillard.
So, und jetzt muss Bugatti liefern. Und liefert auch. Denn dein Wunsch passt wunderbar ins Solitaire-Programm, das auf Bugattis Wurzeln im Karosseriebau basiert. Damals hatte der Kunde die Wahl zwischen viertürigen Limousinen, zweitürigen Cabrios und Coupés. Gut, aus dem Roadster Mistral einen Viersitzer zu machen, schafft selbst Solitaire nicht – aber zwei Lufthutzen auf dem verglasten Dach eines ursprünglichen Roadsters ist ja auch etwas Besonderes. Statt des aktiven Heckflügels wie beim Mistral übernimmt beim Brouillard ein kleiner Entenbürzel-Flügel die aerodynamische Balance, gleichzeitig soll seine sozialverträglichere Form für eine besonders elegante Silhouette sorgen. Das untere Drittel des Fahrzeugs ist absichtlich dunkel gehalten. Es soll sich optisch mit dem Schatten des Fahrzeugs verbinden, wodurch das Gesamtkunstwerk leichter und dynamischer erscheint. Bugatti-Chefdesigner Frank Heyl erklärt: «Etwas einfach aussehen zu lassen, ist in Wirklichkeit unglaublich komplex.»
Geld spielt keine Rolle
Die Designer arbeiten bei der Karosserie in jedem Detail die Pferdemuskeln und Rundungen heraus, schliesslich ist ein Pferd Poesie in Bewegung. Aber 1600 Pferdestärken sind genug, die Technik fassen wir nicht an, heisst es bei Solitaire. Gekauft. Aber über die Hauptfarbe diskutierst du lange. Du entscheidest dich schliesslich für «Vert Laurel» – eine Art Lindgrün, mit Flächen aus grün eingefärbtem Sichtkarbon.
Als Connaisseur bestehst du darauf, dass auch das Interieur einzigartig wird. Zumindest was Materialien und Details betrifft. Zunächst bitte kein profanes Lederlenkrad. Darfs ein bisschen Tartan an den Griffflächen sein? Gerne – das gibts bislang noch nicht. Stickereien von Pferdeköpfen und -körpern auf den Sitzen und in den Türverkleidungen? Unter Einsatz mit Textilien aus echtem Pferdehaar? Aber sicher.
Und so wird auch im Interieur alles veredelt. Selbst die Klimaschalter weisen keine normale Rändelung wie beim Mistral auf, sondern sind mit gelaserten Rembrandt-Bugatti-Initialen verziert. Das Highlight kauert allerdings unter Glas im Getriebeschaltknauf: Der gescannte Pferdekopf von Brouillard aus dem 3D-Drucker ist dir im Fahrersitz leicht zugeneigt. Allerdings besteht er «nur» aus Alu – du willst ja nicht übertreiben …
Was – du glaubst diese Geschichte nicht? Wir schwören: Jedes Detail ist wahr. Nur dass weder du noch wir der beschriebene Kunde sind. Übrigens: Natürlich verrät Bugatti weder den Namen des schwerreichen Klienten noch die Gesamtkosten des Projekts Brouillard, das 2027 zur Auslieferung kommen soll. Aber der Gegenwert von mehreren Bugatti Mistral, also knapp 20 Millionen Franken, dürfte es schon sein. Wie gesagt: Geld spielt ja keine Rolle.