356er Speedster
Der Sound der Fünfziger

Publiziert: 18.07.2005 um 19:24 Uhr
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Aktualisiert: 06.09.2018 um 20:19 Uhr
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Henrik Petro-Ferrari
Einen perfekten 356er Speedster besitzen – ein unrealistischer Traum? Mit 356california können sich auch Normalsterbliche die «Babyrassel für Grosse» leisten. Allerdings mit einem kleinen Vorbehalt.

Was für ein Sound! Das Starten des Motors löst Gänsehaut aus, selbst bei 25 Grad im Schatten. «Typisch Porsche», denkt man instinktiv – und fälschlicherweise. Denn was im Heck des Roadsters für Donnergrollen sorgt, ist zwar ein luftgekühlter Vierzylinder Boxermotor. Er stammt aber aus einem VW Käfer.

Wie, ein VW Motor in einem Porsche? Macht man so etwas nicht eher umgekehrt? Oder noch ketzerischer gefragt: Warum auch nicht? Schliesslich wurden beide Vierzylinder-Boxermotoren von Ferdinand Porsche entwickelt, der nach dem Krieg die ersten 356er noch aus VW Teilen zusammen schraubte.

Ein Käfer im Wolfspelz
Nein, hier geht was nicht auf, kann nicht stimmen, aber was? Die Lösung ist einfach: Das Auto ist optisch zwar fast identisch mit einem Porsche 356er Speedster von 1957. Aber es ist kein Porsche. Es ist eine in Handarbeit entstandene sogenannte Replica.

Das Prinzip ist einfach: man nehme ein altes VW Käfer Chassis, verkürze es, baue darauf nach Vorbild eines Originaloldtimers eine Fiberglaskarosserie, Interieur und Mechanik auf, lasse es im DTC Biel technisch prüfen – und fertig ist der erschwingliche Vintage-Traum. Da die Vorschriften aus dem Geburtsjahr des Chassis gelten, gibt es keine Probleme mit heutigen ultrastrengen Abgas- und Lärmnormen.

Und es kommt noch besser: Motor, Bremsen, Getriebe, Fahrwerk – für alles können fabrikneue Teile verwendet werden. Denn in Mexiko und Brasilien lagern noch Tausende neue Käfer-Motoren. Wartung, Service, Reparatur – alles verkraftet selbst ein kleines Portemonnaie. So wird der Traum eines wunderschönen Klassikers in der eigenen Garage zum bezahlbaren Traum von Normalverdienern.

Handgefertigte Kleinserie aus USA
In der Schweiz gibt es mehrere Anbieter solcher Speedster-Replicas, darunter auch das Label 356california in Wettingen. Seit 2001 lassen die beiden Mitinhaber jährlich zehn bis zwölf solcher Roadster in den USA vorrüsten und in die Schweiz verschiffen, wo sie fertig gebaut werden. Gewisse Qualitätsarbeiten können eben nur hier garantiert werden. Zudem besteht vor Ort auch die Möglichkeit, Tuningmassnahmen wie Ölkühlung oder Aluschwungrad mit DTC Gutachten zu versehen.

Die Lieferzeit beträgt rund vier Monate und ist somit tiefer als bei manchem aktuellen Grossserienauto. Preislich gehts los ab Fr. 41800.- inklusive MFK. Sogar Leasing und freie Farbwahl ist möglich. Zum Vergleich: Ein guterhaltenes Original Porsche 356 Cabrio kostet gerne einmal Fr. 100000.- und mehr.

Was kein Porsche ist darf aber auch nicht so heissen: 356california versieht ihre Replicas mit keinerlei Porsche-Logos oder Schriftzügen, ja nennt ihr Auto nicht einmal im persönlichen Gespräch «Porsche». Nur die markenrechtlich nicht schützbaren Begriffe wie «356» oder «Speedster» werden in der Kommunikation verwendet. Das ist eine Vereinbarung mit der Porsche AG in Stuttgart, damit 356california in Ruhe gelassen werden. Denn der Sportwagenhersteller wacht mit Argusaugen über seine Marken- und Modellrechte.

Genussgarantie oder Geld zurück
Zurück im Auto: der Motor grollt, der Wagen vibriert. Das Lenkrad ist so gross, dass man mit gespreizten Beinen im engen Schalensitz hockt. Auf Servo- und Elektronikhilfen wartet man vergebens. Aber genau das macht den Reiz ja auch aus. Trotz neuen Teilen soll das Feeling authentisch sein.

Und das fühlt sich dann so an: Die Gasannahme erfolgt ziemlich direkt. Der Motor knattert und rasselt los, der erste Gang muss mit reichlich Kraft eingelegt werden. Endlich darf der Fuss vom schweren Kupplungspedal, der Roadster legt geschmeidig los. Die Tachonadel hüpft auf und ab – fahre ich nun 50 oder 60 Km/h? Ach, wen kümmerts, das Feeling im offenen Zweisitzer unter freiem Himmel ist herrlich! Der elastische Motor beschleunigt für heutige Verhältnisse gemütlich, den vierten Gang braucht man erst ab 80 Km/h. Bei Tempo 100 schaukelt der Wagen beschwingt. Die Lenkung hat reichlich Spiel, für Korrekturen muss also fleissig gedreht werden.

Das Fahren eines 356er Speedsters ist noch körperliche, aber zum Glück nicht besonders harte Arbeit. Sportliches Fahren in heutigem Sinne muss man anderswo suchen. Drifts, riskante Überholmanöver, Raserei – mit dem Speedster unmöglich. Und auch unnötig: Denn hinter dem grossen weissen Speichenvolant, den klassischen Rundinstrumenten und der kleinen Windschutzscheibe reist man in und mit einer anderen Zeit. Für psychischen Ballast ist in dem Auto kein Platz. Könnte man beweisen, dass gemütlich mit dem Auto in der Gegend gondeln eine therapeutische Wirkung hat, dann würde der Speedster sicher von der Krankenkasse bezahlt werden. Wer es selber ausprobieren will, kann bei 356california tageweise oder übers Wochenende einen Speedster Mieten – was übrigens auf Hochzeiten der absolute Hit ist.

Einen Occasionsmarkt gibt es noch nicht, der Werterhalt der Fahrzeuge ist somit gross. Bald sollen übrigens auch 356 Coupés und 550rs Spyder (James Dean Roadster) ins Angebot genommen werden. Mehr darüber demnächst in Autolife.

www.356california.com

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TECHNIK
356 Speedster
ANTRIEB: 1600 ccm, 4 Zylinder VW-Boxermotor, luftgekühlt, 65 PS;
4-Gang-Standardgetriebe, H-Schaltung. Vorne Scheiben-, hinten Trommelbremsen.
FAHRLEISTUNGEN: Spitze 155 km/h
KAROSSERIE: Basis auf einem neuaufgebauten und verkürztem VW Chassis, Fiberglas-Body. Leergewicht etwa 758Kg
PREIS: ab 41800 Franken
Als Motorenupgrade werden auf 1776ccm oder auf 1915ccm erweiterte Motoren mit Kardon Doppelvergasern angeboten. Dadurch wird die Leistung auf ca. 70-85 PS gesteigert. Der Aufpreis dafür beträgt 3180 bzw. 4200 Franken.
356 Speedster
ANTRIEB: 1600 ccm, 4 Zylinder VW-Boxermotor, luftgekühlt, 65 PS;
4-Gang-Standardgetriebe, H-Schaltung. Vorne Scheiben-, hinten Trommelbremsen.
FAHRLEISTUNGEN: Spitze 155 km/h
KAROSSERIE: Basis auf einem neuaufgebauten und verkürztem VW Chassis, Fiberglas-Body. Leergewicht etwa 758Kg
PREIS: ab 41800 Franken
Als Motorenupgrade werden auf 1776ccm oder auf 1915ccm erweiterte Motoren mit Kardon Doppelvergasern angeboten. Dadurch wird die Leistung auf ca. 70-85 PS gesteigert. Der Aufpreis dafür beträgt 3180 bzw. 4200 Franken.
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