Bei einer Demonstration in Warschau protestierten Tausende Polen gegen Gesetzesreformen. Sie wiesen die Politik der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) als Bedrohung der Demokratie zurück.
Erstmals melden sich Oppositionspolitiker zu Wort
Zur zentralen Kundgebung unter dem Motto «My, Narod» (Wir, das Volk) hatte das Komitee zur Verteidigung der Demokratie (KOD) aufgerufen. «Wir lassen uns unsere Freiheit nicht wegnehmen», sagte ein KOD-Sprecher zum Auftakt der Kundgebung.
Erstmals traten auch Oppositionspolitiker auf einer Kundgebung von KOD auf. «Das wird ein langer Marsch, aber wir sind bereit, die Herausforderung anzunehmen», sagte der ehemalige Aussenminister und Vorsitzende der liberalkonservativen Bürgerplattform, Grzegorz Schetyna.
«Es sind 100 Tage Rechtsbruch vergangen, und ich fürchte, dass es noch schlimmer kommt», sagte Ryszard Petru, der Vorsitzende der liberalkonservativen Partei «Nowoczesna». Nach Angaben der Veranstalter waren fast 80'000 Menschen zu der Kundgebung erschienen.
Auch auf Twitter wurde von der Demonstration berichtet:
Die Demonstranten hegen Spitzelverdacht
Demonstranten und Redner stellten sich ausdrücklich hinter den unter Spitzelverdacht geratenen früheren Arbeiterführer Lech Walesa. Das für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit zuständige Institut des Nationalen Gedenkens war vor kurzem an eine angebliche Verpflichtung Walesas als geheimer Mitarbeiter des kommunistischen Sicherheitsapparates gelangt. Walesa bestreitet die Vorwürfe.
Der Friedensnobelpreisträger wandte sich in einer von KOD-Gründer Mateusz Kijowski verlesenen Botschaft an die Demonstranten. «In meinen schlimmsten Träumen habe ich nicht vorhergesehen, dass nach Jahren des Kampfes um Freiheit, nach Repression und Verhaftungen der Apparat eines demokratischen Staates sich gegen uns wendet, die verfolgten Gegner des kommunistischen Systems», schrieb Walesa.
Auch die Medien machen mit
Unterstützung erhielt die Protestbewegung von der linksliberalen Zeitung «Gazeta Wyborcza». «Wir, das Volk, das sind auch die von uns, die sich nicht mit der Zerstörung der polnischen Demokratie abfinden wollen», schrieb der stellvertretende Chefredaktor Jaroslaw Kurski in einem am Samstag veröffentlichten Kommentar. «Wir erleben die für sie schlimmste Zeit seit 1989. In 100 Tagen Regierung hat die PiS wenig aufgebaut und viel zerstört.»
Die nationalkonservative Warschauer Regierung löste unter anderem mit der Reform des Verfassungsgerichts, einer Ausweitung von Überwachungsmöglichkeiten der Polizei und einem neuen Mediengesetz Kritik aus. Die EU-Kommission hat bereits ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen eröffnet. (SDA/kra)