Es war die Street Parade 2014, die ihr Leben für immer veränderte. Anoosh (26) sitzt nachdenklich auf dem Bett eines Zürcher Hotelzimmers. In der Hand sein Telefon, das er ans Ohr hält. Eine Frauenstimme sagt ihm: «Wir wollen nicht, dass du zurückkommst.» Eine eindrückliche Szene aus dem Dokumentarfilm «Raving Iran».
Die Worte stammen von seiner Mutter in der Heimat. So hart sie auch klingen, sie haben einen tragischen Hintergrund: Die Freunde Anoosh Raki und Arash Shadram müssen sich entscheiden, ob sie ihren Rückflug in wenigen Stunden antreten oder hier bleiben – in einem Land, das sie erst seit wenigen Tagen kennen.
Die jungen Iraner sind für einen DJ-Auftritt während der Street Parade nach Zürich gereist und haben dann kurzfristig entschieden, ihrem Zuhause für immer den Rücken zu kehren: Sie haben Asyl in der Schweiz beantragt.
Alles nur für die Techno-Musik, die in der Islamischen Republik als «satanisch» gilt und somit streng verboten ist. Sie verliessen Familie und Freunde für ihre Leidenschaft, die sie bislang im Untergrund ausleben mussten. Es ist eine Flüchtlingsgeschichte der anderen Art, denn so einen Fall hatte die Schweiz bisher noch nie.
«Uns ging es gut im Iran»
Seitdem sind zwei Jahre vergangen. Eine Zeit, in der sie für Auftritte in Europa herumreisen durften, aber auch eine Zeit, in der sie in Flüchtlingsheimen abwarten mussten.
Ob sie es manchmal bereuen, allein wegen der Musik so viele Risiken auf sich genommen zu haben? «Nein», stellt Arash gegenüber BLICK fest. «Natürlich vermisse ich meine Eltern sehr, und natürlich bleibt der Iran meine Heimat. Uns ging es zudem gut, es fehlte uns an nichts. Aber wir waren nicht frei.» Es sei keine Entscheidung, das zu tun, was sie tun, sondern einfach ihre Berufung, so der 29-Jährige.
Blade & Beard lautet der Künstlername des Duos. Das hätte im Iran keine Zukunft gehabt, ist sich Arash sicher. Bei der Revolution im Jahr 1979 wurde das Land zum islamischen Gottesstaat ernannt und ist ideologisch regressiver denn je. Frauen müssen ihr Haar verschleiern, ausserehelicher Kontakt ist strengstens verboten und Homosexuellen droht die Todesstrafe – die Liste geht noch weiter.
Die Partys, die Arash und Anoosh organisierten, fanden nur im Teheraner Untergrund statt. Die iranische Polizei hat sie auch schon gewaltsam aufgelöst und die Veranstalter ins Gefängnis gesteckt. Auf Anooshs Stirn prangt eine sichtbare Narbe: «Sie hätten mich fast zu Tode geprügelt.»
Poolpartys im Teheraner Untergrund
Hierzulande dürfen sie ganz legal in Clubs spielen. Ihr Asylantrag wurde akzeptiert. Arash müsse manchmal wegen einer oft gestellten Frage der Schweizer schmunzeln: Wie er sich fühle, wenn er die halb nackten Europäerinnen sehe. «Das ist doch nichts, was ich nicht schon gesehen habe», lacht er. «Wir hatten auch Poolpartys und wilde Feste mit viel Alkohol im Iran. Der einzige Unterschied ist, dass wir es versteckt machen mussten.»
Als Anooshs Mutter am Telefon sagte, er solle nicht mehr heimkommen, fügte sie an: «Leb dein Leben, mein Sohn.» Und genau darum scheint es Arash und Anoosh zu gehen – hier in der Schweiz, ihrem neuen Zuhause.