31. Januar 1990: 30'000 Menschen standen im Zentrum Moskaus stundenlang Schlange. Sie alle wollten in einen amerikanischen Burger beissen. Die Eröffnung des ersten McDonald’s in Russland war für sie eine Sensation.
In den Jahrzehnten der Planwirtschaft hatten sich die Menschen an Mangel gewöhnt, in sowjetischen Restaurants mussten sie üblicherweise fragen, welche Speisen auf der Karte überhaupt verfügbar waren. McDonald’s dagegen servierte jeden Tag das ganze Menü. Dafür gründete der Konzern eigens landwirtschaftliche Firmen vor den Toren Moskaus.
Seit 1976 hatte McDonald's mit sowjetischen Vertretern verhandelt. Als sich das Land unter Präsident Michail Gorbatschow (91) zu öffnen begann, schloss McDonald’s 1988 mit der Stadt Moskau einen Vertrag über ein Gemeinschaftsunternehmen. Es war ein staatlicher Versuch, den Kommunismus zu modernisieren.
McDonald's-Filiale als Zeitenwende
Die damals weltweit grösste McDonald's-Filiale glich in den ersten Jahren einer Pilgerstätte, die rosa Plastiklöffel waren begehrt – ein Stück Westen. «Die Filiale wurde zu einem der Symbole für den Zerfall der Sowjetunion, sie stand für eine neue Ära», sagt Frithjof Benjamin Schenk (51), Professor für osteuropäische Geschichte an der Universität Basel. Mit dem Fast-Food-Riesen sei der westliche Kapitalismus im Osten angekommen.
Und nun, 32 Jahre später, schliesst McDonald’s seine rund 850 Filialen in Russland. «Wir können das grundlose menschliche Leiden nicht ignorieren, das sich in der Ukraine abspielt», schreibt das Unternehmen in einer Mitteilung. Allerdings scheint das gelbe M zu hoffen, diesmal keine unwiderrufliche Zeitenwende einzuläuten: McDonald's stellt das Geschäft nur vorübergehend ein, die 62’000 Mitarbeiter erhalten weiterhin ihren Lohn.