Zwei regierungskritische Journalisten sind gestern Abend wegen Spionage verhaftet worden. Oppositionsvertreter und Medienverbände sprachen von einem Angriff auf die Pressefreiheit. Dem Chefredakteur der oppositionellen Zeitung «Cumhuriyet», Can Dündar, und seinem Büroleiter in Ankara, Erdem Gül, werden Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und Spionage vorgeworfen.
Hintergrund ist ein von Dündar und Gül verfasster Bericht über angebliche Waffenlieferungen von der Türkei an Extremisten in Syrien. Präsident Recep Tayyip Erdogan persönlich hatte im Mai Strafanzeige erstattet gegen «Cumhuriyet», weil die Zeitung Fotos von der Durchsuchung eines angeblich für die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien bestimmten Waffenkonvois des türkischen Geheimdienstes MIT im Januar 2014 veröffentlicht hatte.
Kritiker werfen der türkischen Regierung vor, radikal-islamische Gruppen in Syrien im Kampf gegen Präsident Baschar al-Assad mit Waffen zu unterstützen. Nach der Veröffentlichung des Berichts wurden Ende Oktober die Büros von «Cumhuriyet» in Istanbul und Ankara durchsucht. Erdogan kündigte an, Dündar werde «einen hohen Preis zahlen». Der Chefredakteur sagte vor dem Haftrichter, er sei weder ein Spion noch ein Held, sondern lediglich ein Journalist. Bei einer Verurteilung drohen Dündar und Gül lebenslange Haftstrafen. Ihnen wird auch Unterstützung einer Terrororganisation vorgeworfen.
Bei einer Protestkundgebung mit mehr als tausend Teilnehmern vor der Redaktion von «Cumhuriyet» beklagten Politiker und Journalisten heute, Erdogan habe in den vergangenen Jahren grosse Teile der Justiz unter seine Kontrolle gebracht. Bestraft werden sollten nicht die Journalisten, sondern jene, die Waffen nach Syrien lieferten, sagten Redner bei der Kundgebung. (sda/gru)