Griechenland schwenkt um: Bei den Wahlen am Sonntag hat die Mehrheit der Griechen dem linken Ministerpräsidenten Alexis Tsipras (44) eine Ohrfeige verpasst und dem wirtschaftsfreundlichen Kyriakos Mitsotakis (51) ihre Stimme gegeben. (Blick berichtete)
Mitsotakis' konservative Partei Nea Dimokratia hat knapp 40 Prozent der Stimmen erzielt, Tsipras' Partei Syriza kam nur auf 31,5 Prozent. Weil das griechische Wahlrecht der Siegerpartei im 300-köpfigen Parlament zusätzliche 50 Sitze zuspricht, schafft es die Nea Dimokratia auf 158 Abgeordnete und somit auf die absolute Mehrheit.
Weniger Steuern, mehr Jobs
Eine komfortable Ausgangslage für Mitsokatis! Er sieht seinen Sieg als Auftrag, das Land, das vor wenigen Jahren knapp an einem «Grexit» vorbeigeschrammt war, zu verändern. So verspricht er: «Ich setze mich für weniger Steuern, viele Investitionen, für gute und neue Jobs sowie für Wachstum ein, das zu besseren Gehältern und höheren Renten in einem effizienten Staat führen wird.» Auch mit Vetterliwirtschaft sei nun definitiv Schluss. Er werde dafür sorgen, dass Griechenland «sein Haupt wieder stolz erheben» könne.
Der neue Ministerpräsident ist der Sohn von Konstantinos Mitsotakis (†98), der das gleiche Amt von 1990 bis 1993 ausübte. Der Junior studierte an der Stanford University und erwarb den Master-Abschluss in Internationalen Beziehungen. Anschliessend besuchte er die Harvard Business School, die er mit einem MBA abschloss.
Tsipras war zum Sparen gezwungen
Die Wahlniederlage trifft Tsipras hart. Der Linkspopulist hatte sich vier Jahre lang bemüht, sein Land mit Sparmassnahmen und EU-Milliarden aus der Finanzkrise zu retten, die unter anderem ausgerechnet die Nea Dimokratia und die Sozialdemokraten zu verantworten hatten. Während er in Brüssel zum immer verlässlicheren Partner wurde, sank seine Beliebtheit wegen des einschneidenden Sparprogramms im eigenen Land. Seine Massnahmen trafen vor allem den Mittelstand und – wegen Rentenkürzungen – die ältere Generation.
Mitsokatis sagt über seinen Vorgänger: «Tsipras hat bei der Wirtschaft versagt, dem Thema, das die Griechen am meisten betrifft.»
Neuen Krise steht bevor
Das Wirtschaftswachstum, das der neu gewählte Ministerpräsident verspricht, wird den Griechen nicht einfach in die Hände fallen. Das Ziel kann nur erreicht werden, wenn die Griechen bereit sind, eine höhere Arbeitsleistung zu bringen. Auch Mitsotakis wird es daher schwierig haben. Der griechisch-schweizerische Wirtschaftsprofessor Harris Dellas von der Uni Bern meint zu BLICK: «Es wird schwierig für ihn, weil nur wenige seiner eigenen Partei und der andern Parteien daran interessiert sind, zusammenzuarbeiten und Griechenland zu retten. Ihnen geht es in erster Linie darum, sich auf Kosten des Landes zu bedienen.»
Dellas warnt vor neuen Turbulenzen: «Wegen der anstehenden Kreditrückzahlungen steht die Chance auf eine neue schwere Krise bei über 50 Prozent.» Immerhin öffne sich mit der Wahl von Mitsotakis nun ein Fenster der Hoffnung. Dellas: «Mitsotakis ist kompetent und hat vernünftige wirtschaftliche und politische Ideen, die, sofern sie umgesetzt werden, Griechenland zu einem modernen Staat formen können.»